Ebensfeld: Nicht mehr nur Hausfrau und Mutter - Doris Brettl macht mit 47 Jahren ihre erste Ausbildung
Autor: Sarah Stieranka
Ebensfeld, Donnerstag, 16. August 2018
Doris Brettl ist Mutter von vier Kindern, Ehefrau und größtenteils Hausfrau. Mit 47 Jahren ist damit Schluss. Sie nimmt ihren Mut zusammen und schreibt eine Bewerbung an das Pflegezentrum Obermain - die erste in ihrem Leben.
"Ich wollte nicht mit 70 auf der Couch sitzen und mir denken: War das jetzt alles?" Doch darauf läuft es bei Doris Brettl jahrelang hinaus. Die Mutter von vier Kindern hat nie einen Beruf erlernt und immer nur 450-Euro-Jobs angenommen. Auf Arbeit ging sie putzen, daheim ging das Putzen weiter. Sie war jahrzehntelang vor allem eins: Mutter und Hausfrau. Doch das ändert sich schlagartig. Sie verlässt ihren Mann, zieht in eine Einzimmerwohnung und beginnt mit 47 Jahren eine Ausbildung - die erste in ihren Leben.
"Mit 47 Jahren habe ich meine erste schriftliche Bewerbung geschrieben", erinnert sich Doris Brettl. Von einer Berufsausbildung träumte sie bereits in jungen Jahren. Krankenschwester oder Hauswirtschaftslehrerin standen damals auf ihrer Wunschliste. Doch aus dieser Hoffnung wird nichts - stattdessen putzt sie jahrelang im Mutterhaus in Vierzehnheiligen, arbeitet in einer Porzellanfabrik und ist elf Jahre in einer Änderungsschneiderei angestellt. Warum? "Ich habe meinen Mann mit 15 Jahren kennengelernt. Als Metzger hat er kaum etwas verdient und wir mussten beide arbeiten gehen."
In eine Schublade gesteckt
Mit 19 heiraten die beiden und bekommen nach und nach vier Kinder. Doris Brettl wird von vielen Menschen in eine Schublade gesteckt, auf der steht: "Nur Mutter und Hausfrau". Ihr Engagement für den Frauenbund, als Seniorenbeauftragte und Dekanatsratsmitglied nützt nichts - immer wieder muss sie sich hämische Kommentare anhören. "Sie haben vier Kinder, da muss ja eines auf der Strecke bleiben", bekommt sie bei einem Elternsprechtag in der Schule zu hören, weil ihr jüngster Sohn angeblich unter ADHS leidet und im Unterricht nicht mitkommt. "Einem Akademiker hätte die Pädagogin so etwas nicht gesagt", ist sich die 48-Jährige sicher.