Eine Woche nach dem Ausbildungsbeginn sind im Kreis Lichtenfels noch über 100 Lehrstellen unbesetzt. Die beiden Kammern ziehen trotzdem ein positives Fazit.
Es sind Zahlen, die im ersten Moment verwirren. Bis Mitte August waren im Landkreis Lichtenfels 145 Ausbildungsstellen nicht besetzt. Demgegenüber standen zu diesem Zeitpunkt 60 unversorgte Bewerber. Auf beiden Listen war der Kaufmann/-frau im Einzelhandel (15 offene Stellen/ acht unversorgte Bewerber) an der Spitze gelistet. Angebot hoch, Nachfrage zumindest vorhanden - und trotzdem keine Ausbildungsverträge?
Auch eine Frage der Ansprüche. "Einige Bewerber sind wie ungeschliffene Rohdiamanten. Die entfalten ihre Qualitäten erst in der praktischen Arbeit", erklärt Matthias Klar, Pressesprecher bei der Agentur für Arbeit Bamberg-Coburg. "Es kommt nicht immer darauf an, ob man eine Eins in Deutsch hat." Sein Appell an die Unternehmen: Mut zeigen und junge Menschen im Rahmen eines Praktikums oder Einstiegsqualifizierung ("eine Art Dauerpraktikum") näher kennenlernen.
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Auch die Jugendlichen bekämen einen guten Einblick in den Betrieb und eine möglicherweise bisher unbekannte Branche. "Die Jugendlichen haben ein halbes Jahrhundert Arbeitsleben vor sich. Die Zeiten, an denen man seine Ausbildung macht und bis zum Ende bei diesem Betrieb bleibt, sind vorbei", sagt Klar. Er empfiehlt den potenziellen Azubis, im Kopf lange flexibel zu bleiben. "Das Wichtigste ist, überhaupt erst einmal eine Ausbildung zu machen."
Ähnliches rät IHK-Vizepräsident Wilhelm Wasikowski: "Es sind noch etliche Lehrstellen unbesetzt. An alle, die noch einen Ausbildungsplatz suchen: über den Tellerrand hinausblicken und bei Bedarf etwas vom Traumberuf abrücken." Für den Landkreis Lichtenfels hat die IHK bis zum 30. August 257 neue Ausbildungsverträge registriert - immerhin fünf mehr als im Vorjahr.
Ein leichtes Plus, das aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen geringeren Anzahl an Schulabsolventen, schon fast etwas überraschend komme, kommentiert Peter Belina, Geschäftsführer des IHK-Gremium Lichtenfels, die Zahlen.
Mehr Abiturienten in Ausbildung
Eine positive Entwicklung sei außerdem, dass sich immer mehr Abiturienten für eine berufliche Ausbildung erscheinen. Ein Fünftel der neuen Azubis im Bezirk der IHK für Oberfranken Bayreuth habe eine Fachhochschul- oder Hochschulreife. Vor sechs Jahren waren es erst zwölf Prozent. "Es findet ein gewisses Umdenken statt. Natürlich ist es grundsätzlich erstrebenswert zu studieren", sagt Peter Belina, fügt aber an: "Die Frage ist aber, ob es sich für jeden lohnt und es überhaupt so viele Jobs für Studenten gibt."
Für das Berichtsjahr 2015/2016 sind im Landkreis Lichtenfels
(Stand Mitte August) 563 Bewerber für einen Ausbildungsplatz gemeldet. Demgegenüber stehen 638 bei der Arbeitsagentur gemeldete Stellen. Mehr Lehrstellen als jugendliche Bewerber ist kein spezifisches Phänomen des Landkreises Lichtenfels. "Von der thüringischen Grenze bis Forchheim, das ist ein allgemeines Phänomen", erklärt Matthias Klar. Das Verhältnis "freie Stellen-Bewerber" sei dabei zum ersten Mal vor drei Jahren gekippt. Auffällig: Die Zahl der angebotenen Lehrstellen steigt im Kreis Lichtenfels stark an. In diesem Jahr gibt es 638 Plätze - im Vorjahr waren es 595, 2014 lediglich 561 Lehrstellen. Für Klar ist das unter anderem durch den steigenden Fachkräftemangel zu erklären, dem die Unternehmen durch die Ausbildung eigener, junger Fachkräfte entgegenwirken möchten.
Angesichts der aktuellen Rahmbedingungen bewertet auch die Handwerkskammer für Oberfranken die Entwicklung im Landkreis Lichtenfels positiv. "Seit 2010 ist die Zahl an Azubis im Kreis Lichtenfels erstaunlich stabil, es gibt kaum Schwankungen", erklärt HWK-Geschäftsführer Bernd Sauer. "Das liegt auch an den guten handwerklichen Strukturen im Landkreis, einige große Firmen sorgen für die Konstanz, die es in der Form nicht in allen Landkreisen gibt."
Ausbildungsvergütungen steigen
150 neue Azubis beginnen im Durchschnitt jährlich ihre handwerkliche Ausbildung. Heuer sind bereits Ende August 159 neue Azubis gemeldet, ein Plus von 33 Prozent zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres (120). Trotz dieser positiven Zahlen sind laut der Online-Stellenbörse der HWK eine Woche nach dem offiziellen Ausbildungsbeginn noch rund 60 offene Stellen für den Kreis Lichtenfels gemeldet.
Einen Mangel an Bewerbern gebe es in den Branchen Lebensmittelhandwerk, dem Baubereich und technischen Berufen wie Elektroniker oder Feinwerkmechaniker, so Sauer.
Für ein attraktiveres Gesamtpaket einer Ausbildung im Handwerk sollen künftig auch steigende Gehälter sorgen. In einigen Branchen haben die Tarifparteien die Vergütungen in den vergangenen Jahren bereits erhöht. An der Spitze stehen weiterhin Maurer und Zimmerer mit einer Vergütung von 755 Euro im ersten Ausbildungsjahr.
Die Ausbildung im Landkreis in Zahlen
Agentur für Arbeit Mitte August waren der Arbeitsagentur Bamberg-Coburg 145 unbesetzte Lehrlingsstellen gemeldet. TOP3: Kaufmann im Einzelhandel, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk (Fleischerei) und Koch.
60 Bewerber waren noch unversorgt.
IHK Die IHK für Oberfranken Bayreuth hat 3472 neue Ausbildungsverträge registriert - ein Plus von 0,5 Prozent zum Vorjahr. Im Kreis Lichtenfels gibt es 257 neue Azubis.
HWK 1679 Jugendliche haben im oberfränkischen Handwerk einen Ausbildungsvertrag unterschrieben - ein Plus von 1,7 Prozent zum Vorjahr. Im Kreis Lichtenfels sind es 159 Azubis. (Daten: 30. August)