"Der nervt": CSU von Aiwanger angefressen - Söder kämpft um die Bauern-Gunst
Autor: Agentur dpa
Bad Staffelstein, Mittwoch, 17. Januar 2024
Eigentlich scheint alles in bester Ordnung bei der CSU. Doch im Hintergrund brodelt es kräftig - ein Grund ist Hubert Aiwanger. Immerhin kann Markus Söder in Bad Staffelstein vor Landwirten brillieren.
Es ist schon dunkel geworden, da müssen Ministerpräsident Markus Söder, Fraktionschef Klaus Holetschek, Agrarministerin Michaela Kaniber und die CSU-Landtagsabgeordneten die Banzer Klostermauern kurz verlassen. Draußen haben sich Landwirte aufgestellt, mit mehr als 300 Traktoren sind sie gekommen, um gegen die Agrarpolitik und Berliner Subventionskürzungen zu protestieren.
Und auch wenn Söder am Nachmittag noch gesagt hatte, die CSU sei "keine Protestpartei": Jetzt steht er hier unten und sichert den Demonstranten Unterstützung zu. Kritik an der CSU-Agrarpolitik gibt es wenig, den lautesten Applaus der Bauern dagegen, als er - wieder einmal - eine möglichst rasche Neuwahl des Bundestags fordert. "Die Ampel muss weg", skandieren die Bauern. Söder sagt mit anderen Worten dasselbe. "All die Maßnahmen, die einseitigen Belastungen müssen vom Tisch, es braucht endlich eine Entschuldigung der Bundesregierung für diese einseitige Belastung und es braucht nicht nur die Rücknahme der Maßnahmen, sondern endlich einen fairen Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft in Deutschland", so Söder.
Hubert Aiwanger beschäftigt CSU in Bad Staffelstein - harter Kampf um Beliebtheit bei Bauern
Der Jahreswechsel und die ersten Tage 2024 haben zudem gezeigt: Eine der zentralen Herausforderungen für Söder sitzt höchstpersönlich am Kabinettstisch: Hubert Aiwanger. Dass sich der Freie-Wähler-Chef und bayerische Wirtschaftsminister quasi an die Spitze der Bauernproteste gestellt hat und der CSU in der öffentlichen Wahrnehmung hier mehr oder weniger den Rang abläuft, wird bei den Christsozialen mit einer Mischung aus Argwohn und wachsender Unruhe beobachtet. "Der nervt", so bringt es ein Fraktionsmitglied auf den Punkt. Es zeigt aber auch, wie schwierig der Spagat für Söder zwischen Klientelpolitik und Populismus angesichts der Konkurrenz von rechts geworden ist.
Tatsächlich betrachten CSU und Freie Wähler die Landwirtschaft als Kernklientel und Kernwählerschaft. Aber mehr noch: Aiwanger nutzt den Bauernprotest, um sich als vermeintlicher Anführer der Bevölkerung auf dem Land zu profilieren und als Sprachrohr der "kleinen Leute". Klar, dass sich die CSU dies nicht gefallen lassen kann. Klar, dass etwa Holetschek nun gegen Aiwanger ätzt, dieser solle sich als Wirtschaftsminister auch mal um die bayerische Wirtschaft kümmern. Bei den Bauernprotesten in Nürnberg forderten gar Teile des Publikums Aiwanger statt Söder.
Söder selbst sagt, er wolle dies nicht überbewerten, man arbeite gut zusammen. Er spricht aber zwischen den Zeilen. Ein Parteichef könne sich natürlich zu allem äußern und überall hingehen. "Mein Plädoyer ist nur, dass jeder die Aufgaben auch macht, für die er zuständig ist und für die er auch üppig vom Steuerzahler unterstützt wird", sagt er. "Wenn die Wirtschafts- und Energiepolitik top unterwegs ist, dann ist sicher auch genügend Zeit, zu anderen Demonstrationen zu gehen." Es müsse aber alles stattfinden, betont Söder. "Wenn im Fußball jeder Mittelstürmer spielen will, dann geht es schlecht hinten aus."
Söder will Gangart gegen AfD verschärfen - "immer mehr Indizien" für Verfassungsfeindlichkeit
Wie hatte Holetschek zu Klausurbeginn gesagt: "Wenn der Wind so bläst in Banz, dann könnte man schon meinen, der Wind of Change ist unterwegs." Viele Dinge seien im Fluss und in Unordnung. Der Protest der Landwirte am Rande der Fraktionsklausur macht das sehr deutlich. Dabei ist die Lage für die CSU und Söder persönlich ja eigentlich ziemlich entspannt: Die Landtagswahl im vergangenen Jahr haben die Christsozialen, wenn auch mit einem kleinen prozentualen Minus, klar gewonnen. Die Koalition mit den Freien Wählern wurde - trotz mancher Verwerfungen im Wahlkampf - im Eiltempo neu aufgesetzt. Söder selbst genießt weiter die uneingeschränkte Rückendeckung in seiner Partei.
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Dennoch gibt es viele Probleme, Fragezeichen und Herausforderungen. Die Kriege und Krisen auf der Welt belasten auch Bayern und engen die finanziellen Spielräume ein. Vor allem aber wird die von rechts auftrumpfende AfD weithin als immer größere Gefahr wahrgenommen. Die Abgrenzung von den Rechtspopulisten ist für Söder und seine CSU ein Balanceakt. Söder muss klare Kante zeigen und die "Brandmauer" nach rechts halten. Andererseits überlappen sich die Sichtweisen auf wichtige Themen - die Bauernproteste sind ein solches, der Dauer-Knackpunkt Migration ein anderes. Söder will die Gangart gegenüber der AfD verschärfen. "Wir haben immer mehr Indizien dafür, dass die AfD verfassungsfeindlich ist", sagt Söder zum Klausurauftakt im Kloster Banz. Die Behörden müssten diese sammeln und bewerten.