100 Jahre lang pilgerten Promis zum Staffelberg

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Ernst P. Wagner blättert in den Abschriften, die er aus den 23 erhaltenen Fremdenbüchern des Staffelbergs handschriftlich anfertigte. Leider sind die Jahrgänge nicht vollzählig, so klafft zum Beispiel eine Lücke für die Zeit vor 100 Jahren. Der Band von Mai 1912 bis Januar 1914 fehlt. Fotos: Matthias Einwag
Ernst P. Wagner blättert in den Abschriften, die er aus den 23 erhaltenen Fremdenbüchern des Staffelbergs handschriftlich anfertigte. Leider sind die Jahrgänge nicht vollzählig, so klafft zum Beispiel eine Lücke für die Zeit vor 100 Jahren. Der Band von Mai 1912 bis Januar 1914 fehlt. Fotos: Matthias Einwag
Ernst Thälmann besuchte Pfingsten 1925 zusammen mit Jungkommunisten und Rotgardisten den Staffelberg. 1925 und 1932 kandidierte Thälmann für das Amt des Reichspräsidenten.
Ernst Thälmann besuchte Pfingsten 1925 zusammen mit Jungkommunisten und Rotgardisten den Staffelberg. 1925 und 1932 kandidierte Thälmann für das Amt des Reichspräsidenten.
 
Der Staffelsteiner Bezirksamtmann und Scheffel-Verehrer Philipp Badum (1845-1908) verzeichnete am 29. März 1903 stolz seinen 1000. Besuch auf dem Staffelberg.
Der Staffelsteiner Bezirksamtmann und Scheffel-Verehrer Philipp Badum (1845-1908) verzeichnete am 29. März 1903 stolz seinen 1000. Besuch auf dem Staffelberg.
 
Ein unbekannter Wanderer zeichnete 1932 ein Segelflugzeug neben die Adelgundiskapelle.
Ein unbekannter Wanderer zeichnete 1932 ein Segelflugzeug neben die Adelgundiskapelle.
 
Richard Strauss Componist aus München - diesen lapidaren Kommentar schrieb der damals 18-jährige Musiker am 31. August 1882 ins Fremdenbuch.
Richard Strauss Componist aus München - diesen lapidaren Kommentar schrieb der damals 18-jährige Musiker am 31. August 1882 ins Fremdenbuch.
 
Dieser Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Staffelberg-Klause zur Zeit, als sie noch von einem Eremiten bewohnt war.
Dieser Stich aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Staffelberg-Klause zur Zeit, als sie noch von einem Eremiten bewohnt war.
 
1909 verewigte sich der Kongress der Deutschen Landsmannschaften Coburg im Fremdenbuch.
1909 verewigte sich der Kongress der Deutschen Landsmannschaften Coburg im Fremdenbuch.
 

Die Fremdenbücher der Eremitenklause des Staffelbergs geben Auskunft, wer im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert den Berg erstieg. Eine illustre Runde kommt da zusammen, wie der Hobbyhistoriker Ernst Paul Wagner zu berichten weiß, der die Bücher gesichtet hat.

Vom Komponisten bis zum Kommunisten: Ein buntes Völkchen hat im Lauf der Jahrhunderte den Staffelberg. Viele Sommerfrischler und Ausflügler verewigten sich in den Fremdenbüchern, die ab 1881 bis 1939 regelmäßig geführt wurden und nach dem Krieg von 1952 bis 1970 fragmentarisch vorliegen.

Der Hobbyhistoriker Ernst P. Wagner (80), der heute in Bamberg lebt, hat 23 Fremdenbücher gesichtet, die einst vom Eremiten der Klause gehütet wurden. Er ist dabei auf illustre Namen gestoßen: Am 31. August 1882 machten etwa Franz und Richard Strauss nach einem Besuch in Bayreuth auf der Rückfahrt nach München Station in Staffelstein. Der Vater und sein 18-jähriger Sohn erstiegen den Staffelberg und trugen ihre Namen ins Fremdenbuch ein.

Ernst P. Wagner hat zu Bad Staffelstein einen ganz besonderen Bezug.
Rund 30 Jahre lebte er in der Stadt am Obermain als Direktor des Milchhofs - und mehr als 2000 Mal erstieg er selbst den Staffelberg.

Das Sichten der Fremdenbücher vom Staffelberg machte ihm besonders viel Freude, weil er sich mit diesem Kraft spendenden Berg verbunden fühlt. Auf zahllosen Seiten hat er die Einträge fixiert, sie aus der Sütterlinschrift zunächst handschriftlich übertragen, dann mit der Schreibmaschine gefasst - und eigentlich ist auch das schon wieder überholt, denn längst hat der Computer seinen Siegeszug angetreten.

Schüttelreime und Zeichnungen

Ernst P. Wagner hat die Exzerpte auf farbigen Blättern nach Themengebieten geordnet. Offiziere im Manöver, Studenten und Geistliche, Dichter und Musiker erklommen die Felsenklippe im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Viele von ihnen dokumentierten ihren Besuch in Reimen oder Schüttelversen, andere illustrierten den Ausflug mit Zeichnungen. "Beim Raufen mag der Flegel siegen, doch Kunst gehört zum Segelfliegen", schrieb ein Gast, der offenbar von der Fernsicht auf dem Bergplateau beeindruckt war, am 25. September 1925 in die Kladde. Sehr häufig finden sich Umdichtungen auf Scheffels Frankenlied und humorvolle Mehrzeiler.

Martin Nef schrieb am 8. Juni 1922: "Klar färbt der Wein, braun schäumt das Bier - stets hier zu sein, wie wohl wär' mir." Und Karl-August Dreispring dichtete am 10. Mai 1925: "Wer Äpfel schält und sie nicht ißt, bei Mädchen sitzt und sie nicht küßt, beim Weine sitzt und schenkt nicht ein, der muß ein dummer Teufel sein."

Überhaupt muss es eine weinselige Klientel gewesen sein, die sich bei den Eremiten labte. Fritz Weißerth aus Würzburg kritzelte am 19. März 1933 diesen Vers auf eine Seite: "Immer zufrieden, selten betrübt, öfters besoffen, ständig verliebt." Paul Haase, der sich selbst als Humoristen aus Chemnitz und Stuttgart bezeichnete, reimte am 22. August 1932: "Es lebe das Lachen, es regiere die Welt - wer lacht, ist ein Künstler, ein Philosoph und ein Held."

Spiegel der Zeitläufte

Die Bücher sind zugleich ein Spiegel der Zeiten. Ein anonymer Besucher schrieb am 30. Juni 1917 ins Fremdenbuch: "Es fiel der Sohn in schrecklicher Schlacht, die Feindeserde hält über ihn Wacht." Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten finden sich Einträge, die den Besuch der "HJ Lichtenfels, 19.3.33" dokumentieren sowie einschlägige Postulate wie jenes von Kreisleiter Walter Bo eck vom 8. November 1933: "Danzig bleibt Deutsch."

Hermann Blank und Walter Wengler fuhren am 2. April 1933 offenbar mit dem Auto auf den Gipfel, denn sie schrieben: "Wir haben ihn doch bezwungen, den viel umsungenen Staffelberg. Zum 1. Mal im Dritten Reich mit Opel 1,2 Liter."

Heute keine Gästebücher mehr

Viele Jahrzehnte lagen die Kladden bei Hitze, Feuchtigkeit und Kälte auf dem Dachboden der Klause, bis der Vater des heutigen Staffelbergwirts Gottfried Schmitt sie barg und sicherte. Inzwischen sind sie im Bamberger Diözesanarchiv wohl verwahrt.

Warum es heute keine Gästebücher mehr in der Klause gibt? Gottfried Schmitt winkt ab. Ja, antwortet er, den Versuch habe er unternommen, und bis Anfang der 1990er Jahre legte er welche aus. Dann habe er es aufgegeben, denn er sei es leid gewesen, dass immer wieder Seiten mit den Einträgen Prominenter herausgerissen wurden.

Auch Ernst P. Wagner findet es schade, dass heutige Besucher des Bergs nicht erfahren, wer vor ihnen schon alles hier gewesen ist. "Ein Buch müsste erscheinen", sinniert er, "oder eine Tafel mit den Namen der Prominenten könnte an der Klause angebracht werden". Darauf wären dann sicherlich Richard Strauss und Ernst Thälmann zu finden, vielleicht auch der Name des Orientalisten Georg Kampff meyer, der am 4. Oktober 1896 seinen Eintrag in arabischer Schrift in einem Fremdenbuch hinterließ.

Am Freitag, 22. Februar, wird Ernst P. Wagner im Ebensfelder Pfarrheim über die Fremdenbücher der Klause auf dem Staffelberg sprechen. Der Vortrag im Rahmen der Reihe des Geschichtsvereins Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW) beginnt um 19.30 Uhr.