Zwei Jahre auf der Corona-Achterbahn

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Die Inzidenz im Landkreis war ein ständiges Auf und Ab, seit Dienstag ist der Wert auf einem neuen Höchststand. Grafik: Dagmar Klumb
Die Inzidenz im Landkreis war ein ständiges Auf und Ab, seit Dienstag ist der Wert auf einem neuen Höchststand. Grafik: Dagmar Klumb

Am 9. März 2020 gab es den ersten Verdacht in Kulmbach, drei Tage später den ersten bestätigten Fall. Die Pandemie im Zeitraffer.

Bei 1726,2 und damit auf einem neuen Höchstwert lag die Sieben-Tage-Inzidenz für den Landkreis am Dienstag, 348 neue Corona-Fälle wurden vom Landratsamt in seinem täglichen Update gemeldet. Zahlen, die wir zu Beginn der Pandemie für unvorstellbar gehalten hätten. Werte, bei denen wir aktuell zugleich über das Ende der Corona-Maßnahmen diskutieren, während wir am 22. März 2020 bei einer Inzidenz von 27,9 in den ersten Lockdown gingen. All das war und ist möglich in einer seit mittlerweile zwei Jahren dauernden Pandemie, die Wissenschaft, Politik und uns alle hat ständig dazulernen und umdenken lassen. Ein Rückblick auf eine Zeit, in der nicht nur der Inzidenzwert sondern auch unser aller Leben einer Achterbahnfahrt glich.

29. März 2020: der erste Tote

Am 9. März 2020 schlägt das Thema Corona im Landkreis Kulmbach auf. Es gibt den ersten Verdachtsfall, der sich aber nicht bestätigt. Drei Tage später wird der erste Corona-Fall in Kulmbach bestätigt; eine Lehrerin hatte sich im Skiurlaub in Südtirol angesteckt. Das Infektionsgeschehen nimmt rasch an Fahrt auf. Am 16. März wird in Bayern der Katastrophenfall ausgerufen, sechs Tage später geht das Land in den ersten Lockdown. Die erste Corona-Welle rollt auch in Kulmbach, bis Mitte Mai wird sie dauern. Am 29. März 2020 melden die Behörden den ersten Corona-Toten für Kulmbach. Bis Ende April steigt die Zahl auf neun. Im Sommer 2020 beruhigt sich die Lage, am 24. Juni teilt das Landratsamt mit, dass es aktuell keine positiven Fälle mehr gibt. Erst am 28. Juli werden wieder zwei positive Fälle bekannt. Die Zahlen steigen wieder.

November 2020: das gallische Dorf

In der vorletzten November-Woche 2020 sorgt der Landkreis Kulmbach als gallisches Dorf mit den niedrigsten Zahlen in ganz Bayern bundesweit für Schlagzeilen. Lang währt die Freude darüber nicht, denn im Dezember und Januar schlägt die zweite Welle mit voller Wucht in Kulmbach zu und trifft vor allem die Seniorenheime. In zahlreichen Einrichtungen gibt es Corona-Ausbrüche - mit fatalen Folgen. Binnen kurzer Zeit sterben viele ältere Menschen. Allein an einem Wochenende im Januar werden elf Corona-Tote gemeldet. Ihren Höchststand erreicht die Inzidenz in dieser zweiten Welle am 11. Januar mit 324,2.

28. Dezember 2020: Impfstart

Doch es gibt auch einen Hoffnungsschimmer in diesen düsteren Wochen, die Impfkampagne beginnt. Am 28. Dezember erhalten die ersten beiden Kulmbacher ihre erste Dosis im Impfzentrum im "Fritz", das sich zu diesem Zeitpunkt noch im vierten Obergeschoss befindet. Da noch zu wenig Serum verfügbar ist, werden die Impftermine priorisiert an die vulnerablen Gruppen und die im Gesundheitswesen Tätigen vergeben. Der Ansturm auf das Impfzentrum ist riesig, die Hotlines des Gesundheitsamtes dauerbesetzt.

Während der Impfbetrieb auf Hochtouren läuft, sorgt die britische Virus-Mutation, später wird sie Alpha heißen, im Frühjahr 2021 für die mittlerweile dritte Welle - auch im Landkreis. Bis Ende Mai wird sie in Kulmbach dauern, ihren Höchststand hat sie am 1. April mit einer Inzidenz von 346,5. Kaum ist sie abgeebbt, kommt mit der Delta-Variante, die Ende Juni erstmals bei infizierten Landkreis-Bewohnern nachgewiesen wird, die nächste Herausforderung auf den Corona-Krisenstab zu.

Sommer 2021: Impfmüdigkeit

Während das erste Jahr mit dem Virus vor allem von Lockdown und Ausbruchsgeschehen geprägt war, geht es im zweiten Jahr mit der Pandemie vor allem um das Thema Impfen. Serum ist ab der Jahresmitte nun ausreichend vorhanden, die Priorisierung längst aufgehoben. Doch der große Ansturm ist vorbei. Angesichts einer sehr entspannten Lage - die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis ist im Juli zwischen null und vier - macht sich Impfmüdigkeit breit. Bis Ende Juli sind gut 50 Prozent der Landkreis-Bevölkerung vollständig geimpft, Ende August sind es 61,6 Prozent. Dann stagniert der Wert. Erst mit der Verschärfung der Einschränkungen für Ungeimpfte ab Herbst 2021 kommt ab Ende Oktober auch in Kulmbach wieder Bewegung in die Impfkampagne.

Das hat zur Folge, dass sich vor dem Impfzentrum, das Anfang Oktober ins "Fritz"-Erdgeschoss umgezogen ist, an vielen Tagen wieder lange Warteschlangen bilden. Begehrt ist auch die Auffrischungsimpfung (geboostert wird im Landkreis seit Ende August; bis gestern hatten 495 Landkreisbewohner sogar schon ihren zweiten Booster). Die Kinderimpfungen mit dem eigens dafür entwickelten Vakzin von Biontech starten im Kulmbacher Impfzentrum am 18. Dezember im Rahmen von Sonderaktionen.

Januar 2022: Die Zahlen explodieren

Die vierte Welle schwappt von Ende Oktober bis nach Weihnachten über Kulmbach hinweg. Wer denkt, dass der Höchststand der Inzidenz am 22. November mit 368,2 ein Rekordwert ist, muss sich spätestens ab Mitte Januar eines Besseren belehren lassen. Die nochmals ansteckendere Omikron-Variante - sie wurde in der Woche vor Weihnachten in Kulmbach bei zwei Fällen nachgewiesen - hat das Land und den Landkreis fest im Griff. Die Zahlen explodieren. Die täglichen Neu-Infektionen und damit auch die Inzidenz steigen in nie geahnte Höhen. Am 31. Januar knackt die Inzidenz die 1000er-Marke. 262 neue Fälle an einem Tag wie am 20. Februar sind keine Seltenheit mehr, das Gesundheitsamt kommt mit der Kontaktnachverfolgung an seine Kapazitätsgrenzen - und das obwohl das Amt seit geraumer Zeit von Bundeswehrsoldaten unterstützt wird.

In Panik versetzen diese Zahlen aber längst niemanden mehr. Zum einen ist die Impfquote im Landkreis (und damit auch der Schutz vor schweren Verläufen) mittlerweile passabel. Zum anderen zeigt sich, dass Omikron zwar hochansteckend ist, aber zumeist milde Symptome auslöst. Entsprechend entspannt bleibt die Lage im Klinikum trotz immens hoher Fallzahlen.

Zwei Jahre Corona-Pandemie mit den entsprechenden Maßnahmen und Diskussionen um eine Impfpflicht haben auch in Kulmbach eine Protest-Bewegung entstehen lassen. Die Mitglieder der "Bürgerbewegung 20plus1" demonstrieren jeden Montagabend auf dem Marktplatz gegen die "Plandemie" - mit zum Teil wilden Verschwörungstheorien und Reichsbürger-Gedankengut. Die schweigende Mehrheit, die die Corona-Maßnahmen mitträgt, will das ab Februar nicht mehr kommentarlos hinnehmen, es formiert sich Protest gegen den Protest.

2. März: bayernweite Novavax-Premiere

Als erster Landkreis in Bayern verimpft Kulmbach am 2. März bei einer Sonder-Impfaktion im "Kauernburger Schlössla" den von vielen Impfskeptikern herbeigesehnten Protein-Impfstoff von Novavax. Die bis dato 56 verabreichten Dosen muten überschaubar an. Eine Woche später ist es genau zwei Jahre her, dass Corona im Landkreis Kulmbach aufgeschlagen ist. Die vorläufige Bilanz seitdem: 13 702 (bestätigte) Infektionen insgesamt, 137 Verstorbene und 74,18 Prozent vollständig Geimpfte.