Wirtshaussterben: In Tennach gehen die Uhren anders
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Donnerstag, 12. März 2015
Bio und bodenständig: Während andernorts Wirtshäuser zumachen, hat der Rangabauer vor zwölf Jahren eines neu aufgemacht. Der Betrieb läuft gut, aber Dieter Eschenbacher bedauert, dass ihm nicht alles gelungen ist.
Die fränkischen Wirtshäuser - besonders auf dem Land - haben's heutzutage schwer. Gastwirt Helmuth Heller aus Lösau kann davon ein Lied singen. Denn mit den Wirtshäusern stirbt auch das Dorfleben, meint er. Und mit seiner Meinung steht er nicht allein, sondern mit dem Thema befassen sich jetzt auch Experten (Interview mit Wolfram Brehm von der IHK).
Dass ein Wirtshaus zumacht, ist keine Besonderheit. Dass eines neu aufgemacht wird, aber schon. Der Tennacher Bauer Dieter Eschenbacher (71) hat es vor zwölf Jahren gewagt - und alles richtig gemacht.
Die Wirtschaft geht gut, aber da will er nicht groß drüber reden. Er ist Bauer und stolz auf diese Bezeichnung: "So haben sie schon immer zu mir gesagt." Deshalb hat er auch nicht lange nach einem Namen suchen müssen. Sein Hof, auf der Höhe zwischen Kulmbach und Trebgast, liegt auf dem Rangen, wie die Ködnitzer sagen - also: Wirtshof zum Rangabauern.
Eigene Philosophie
Wichtig ist ihm die eigene Philosophie. Bio und bodenständig. "Wir halten nichts vom Massentourismus. Wir kümmern uns um Familien mit Kindern, um Wanderer und gesellige Leut'. Wir wollen zeigen, welche Qualität das dörfliche Leben hat."
Das Fundament der Gastwirtschaft ist der Bauernhof, den Eschenbacher vor 25 Jahren auf Bio-Landwirtschaft mit Getreide- und Kartoffelanbau, eigenen Rindern und Schweinen ("Für Gäste ist die Stalltür immer offen") umgestellt hat. "Wir haben dann gemerkt, dass wir einen Hofladen und eine Brotzeitstube brauchen, um unsere eigenen Produkte zu vermarkten."
Statt Garagen und Austragsstübla für den Senior und seine Frau wird ein Wirtshaus mit Nebenzimmer, Küche, Hofladen und Metzgerei gebaut - alles bio-zertifiziert. Eschenbacher, der den Betrieb inzwischen an seinen Sohn Frank übergeben hat, legt auch seine Prüfung als Metzger ab und wird Wirt.
Sonntags der Mittagstisch, Geburtstage, Familienfeiern oder Veranstaltungen wie das Kartoffelgraben - "der Zuspruch war von Anfang an groß", sagt Eschenbacher. Dabei lebt die Wirtschaft vor allem von Gästen aus Kulmbach oder Bayreuth, von Wanderern und Naturliebhabern.
"Unsere Gastronomie wird überwiegend von Gruppen genutzt. Es kommen viele Kulmbacher, die über den Buchwald oder den Rehberg nach Tennach laufen", erläutert Eschenbacher, der die gute Zusammenarbeit mit der Stadt und besonders mit Stadtförsterin Carmen Hombach hervorhebt. Der neue kinderwagenfreundliche Forstweg am Rehberg sei ideal für einen Familienausflug mit Kindern.
Ein guter Tipp
Als einen "wichtigen Bestandteil in unserem gastronomischen Angebot" bezeichnet Tourismus-Chef Helmut Völkl von der Stadt Kulmbach den Ranga bauern. "Wir haben sehr viele Gäste, die gerne wandern. Wenn die Tipps wollen, bietet sich der Rangabauer an. Die Lage passt und sein Bio-Angebot auch", meint Völkl.
Hilmar Lederer aus Kulmbach gehört zu denen, die dem Rangabauern von Anfang an die Treue halten. "Wir machen immer samstags eine Art Sternwanderung nach Tennach", sagt er. Ihm und seinen Freunden - der Stammtisch "Laafn und waafn" - gefallen der Weg durch den Wald sowie anschließend die Geselligkeit und die Brotzeit. Lederer weiter: "Und wenn's passt, spielen wir als Rehberg-Musik auch schon mal fränkische Volksmusik."
Die Ranga-Zither-Gruppe, die Wirtshausmusik "Gsunga und gspielt" oder der Heinersreuther Gesangverein haben in der "einzigen privat geführten Gastwirtschaft in der Gemeinde Ködnitz" eine Heimat gefunden. Doch sehr zu seinem Bedauern, ist Eschenbacher eines nicht gelungen: Ein Dorfwirtshaus wie früher ist sein Brotzeitstübla nicht geworden.
Gerne erinnert er sich an die geselligen Runden im "Waldschlössa" oder beim Hübner in Heinersreuth. "Stammtische, Schafkopfrunden und Treffen von Vereinen hat es damals jede Menge gegeben. Und allen hat's gefallen. Heute muss man am Sonntagabend die Rentner extra zusammenrufen, dass noch ein Schafkopf zusammengeht", bedauert er.
"Gesellschaftspolitisch wichtig"
Dabei wäre es für Tennach, Heinersreuth, Spitzeichen und die vielen Einzelhöfe am Rangen "gesellschaftspolitisch wichtig, dass man regelmäßig zusammenkommt und bespricht, was im Dorf passiert". Doch der Zusammenhalt habe nachgelassen. "Und die Zugezogenen und die Häuslebauer in den Neubaugebieten bringen kaum was für die Dorfgemeinschaft", meint Eschenbacher. Auch er fürchtet, dass das Dorfleben und das dörfliche Kulturgut kaputtgehen.
Bei solchen Gedanken vergisst der Rangabauer fast den alltäglichen Ärger, den er hat: mit der ausufernden Bürokratie und neuerdings mit dem Mindestlohn und der Dokumentationspflicht. "Das macht uns ganz schön zu schaffen Es ist eine turbulente Zeit."