"Wir müssen unsere Arbeit besser erklären"

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Grünfutter-Nachschub für die Mitarbeiterinnen: 120 Kühe in Weidehaltung versorgen Michael Sack und sein Vater Gerhard auf dem Maierhof in Ködnitz, unterstützt von zwei 450-Euro-Kräften. 2016 erfolgte die Umstellung auf Bio mit der Errichtung der F...
Grünfutter-Nachschub für die Mitarbeiterinnen: 120 Kühe in Weidehaltung versorgen Michael Sack und sein Vater Gerhard auf dem Maierhof in Ködnitz, unterstützt von zwei 450-Euro-Kräften ...
Grünfutter-Nachschub für die Mitarbeiterinnen: 120 Kühe in Weidehaltung versorgen Michael Sack und sein Vater Gerhard auf dem Maierhof in Ködnitz, unterstützt von zwei 450-Euro-Kräften. 2016 erfolgte die Umstellung auf Bio mit der Errichtung der F...
Jochen Nützel
Diese Statistik zeigt den Konsum von Trinkmilch in den vergangenen Jahren.
Diese Statistik zeigt den Konsum von Trinkmilch in den vergangenen Jahren.
Grafik Caron Neundorfer

Der deutsche Milchkonsum sinkt rapide. Woran das liegt? Wir haben bei Erzeuger Michael Sack in Ködnitz nachgefragt.

"Milch macht müde Männer munter" hieß ein Slogan in der Wirtschaftswunderzeit; die Schulmilch gehörte bei Generationen fast automatisch zur Pause dazu - als unverzichtbares Gut für die Gesundheit. Doch die Zeiten wandeln sich, der Verzehr des Tierproduktes geht seit Jahren kontinuierlich zurück - 2021 erlebte es ein historisches Tief. Macht's also die Milch nicht mehr? Das wollten wir vom Ködnitzer Bio-Milchbauern Michael Sack wissen.

Merken Sie in Ihrer Bilanz etwas von einem geringeren Milchverzehr?

Michael Sack: Im Biobereich spüren wir aktuell die Corona-Nachwehen. Die Menschen gehen wieder mehr in die Gaststätten und kaufen weniger selber ein. Das bringt einen gewissen Rückgang bei der Biomilch mit sich, denn die hat in der Gastronomie ganz klar nicht den Stellenwert, da rückt das günstigere konventionelle Produkt oft in den Fokus. Das ist schade, aber die Betreiber müssen logischerweise auch auf den Preis schauen. Und natürlich spielt auch die Inflation eine Rolle, alles wird teurer.

Ihre 120 Milchkühe stehen in Freilaufställen und können jederzeit raus auf die Weide. Ist diese Form der Weidehaltung, wie sie ursprünglich überall zu finden war, das Modell der Zukunft?

Ob es für alle taugt, weiß ich nicht. Mir jedenfalls ist es wichtig. Die Bio-Richtlinien hätte ich mit dem bestehenden Stall ohnehin nicht erfüllen können, daher war es logisch, den Schritt komplett zu vollziehen. Die Kühe holen sich je nach Bedarf das Gras selber, so soll es sein. Mir war nur klar: Die Milchviehhaltung wollte ich nicht aufgeben. Ich wollte schon früher auf Weidehaltung umstellen, aber da haben uns die drei Trockenjahre zwischen 2018 und 2020 dazwischengefunkt. Die Umsetzung ist auch noch nicht komplett abgeschlossen, da bin ich noch auf der Suche, auch bei anderen Betrieben, nach dem besten Modus. Weidehaltung in Franken ist leider in Vergessenheit geraten, es mangelt häufig an den nötigen Flächen um die Höfe herum. Die Struktur ist super als Naturraum, aber bei der Weidehaltung ist die Kleingliedrigkeit eher von Nachteil.

Wie steht es um die Branche?

Die Ställe wachsen, aber die Betriebe werden insgesamt drastisch weniger. Jedes Jahr verliert die Landwirtschaft rund zehn Prozent ihrer Milchviehhalter. Die Zahl der Tiere geht übrigens auch insgesamt sukzessive zurück.

Ein Bild hat sich vielen über die Jahrzehnte eingeprägt: Bauern stehen auf einem Platz und schütten aus Protest gegen die schlechten Preise vor laufenden Kameras die Milch in den Gully. Liefern die Kühe Ihnen heute ein auskömmliches Einkommen?

In jedem Fall, dazu trägt auch der momentan gute Preis von knapp 60 Cent pro Liter sein Scherflein bei. Der Preis musste aber auch steigen, denn nicht nur der Dieselkraftstoff wird teurer, auch die Zukäufe für Getreide gehen stark ins Geld. Dazu kommen Auflagen zum Tierwohl, die ich gerne erfülle, aber die eben nicht zum Selbstkostenpreis zu haben sind. So ehrlich muss man sich vor allem gegenüber dem Verbraucher schon machen.

Honoriert das der Verbraucher?

Beim Thema Tierwohl gehe ich keinen Kompromiss ein. Entweder der Verbraucher honoriert diese hohen Umwelt- und Tierschutzstandards - oder es gibt keine Kühe mehr auf dem Maierhof.

Es gibt zu Ihrer Weidehaltung das andere Extrem: Da werden die Tiere ganzjährig im Stall angebunden, und dafür gibt es langjährige Übergangszeiten.

Da verstehe ich unsere Branche nicht, dass es da nicht mehr Diskussionen gab. Es kann nicht sein, dass solche Modelle unterm Strich den gleichen Milchpreis erzielt haben, das fand ich nicht in Ordnung. Die einen investieren krass und setzen sich dem unternehmerischen Risiko aus - und müssen das gleiche akzeptieren wie die jene, die sich allen Anforderungen verweigern. Klar: Das Produkt Milch ist unterm Strich das gleiche, aber wir können nicht mehr ewig auf diesem Level von vorgestern hantieren, das bringt uns in der öffentlichen Meinung dann auch durchaus zurecht Kritik ein. Dabei fallen all jene runter, die umdenken und umsteuern wollen, die klasse Ideen haben - und das sind viele.

Fühlen sie sich zu Unrecht in der öffentlichen Debatte an den Pranger gestellt?

Manchmal schon, ja. Zugegeben, wir bieten mitunter auch Angriffspunkte. Ich habe es immer gern gesehen, wenn mich Leute fragen, warum wir machen, was wir machen. Vielleicht haben wir unsere Arbeit zu lange nicht gut genug erklärt, ähnlich wie in der Politik. Aber manche Kritik entbehrt auch wirklich jeder Grundlage, da kommen dann ein paar pauschale Schlagwörter und das war's, eine ernsthafte Auseinandersetzung ist leider nicht möglich. Die Leute sollen sich selber ein Bild machen, ich lade jeden ein. Und man wird sehen: Es hat schon vieles Sinn, was geschieht. Aber auch wir lernen täglich dazu.

Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen: Kuhmilch ist Babynahrung einer artfremden Spezies und für den Menschen Unsinn, ja vielleicht sogar schädlich?

Wenn das seine Meinung ist, darf er die haben. Ich achte auch Menschen, die eine vegane Ernährung ohne jegliches tierische Produkt bevorzugen. Ich persönlich denke gerne in geschlossenen Kreisläufen. Das Gras draußen kann ich als Mensch nicht verwerten, dafür frisst es die Kuh - und ich wiederum kann die Produkte aus dem Tier nutzen, also Milch und Fleisch. Und die Gülle ist toller Dünger. Insofern ist für mich das System in sich stimmig.

Die Deutschen und ihre Milch

Statistik Der Verzehr von Kuhmilch ist nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gesunken, in 50 Jahren hat er sich demnach fast halbiert. In der alten Bundesrepublik nahm 1971 durchschnittlich jeder Bürger noch bei 87 Kilogramm Trinkmilch (Vollmilch, entrahmte, teilentrahmte sowie Vorzugsmilch) im Jahr zu sich, 2021 sank dieser Wert auf 47,8. Gelistet wurde der Pro-Kopf-Verbrauch aller Sorten Kuhmilch. Das ist übrigens auch der niedrigste Milchverbrauch, seit es die gesamtdeutsche Statistik gibt (1991).

Ursache Als möglicher Grund für den Abwärtstrend bei der Milch heißt es in der Erhebung, dass Verbraucher stärker zu pflanzlichen Alternativen griffen wie Hafer-, Soja- und Mandeldrinks. 2021 wurden, so das Statistische Bundesamt, 296 Millionen Liter Milchersatzgetränke nach Deutschland importiert, 42 Prozent mehr als im Vorjahr. 27 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen drei Monaten beispielsweise Hafermilch konsumiert zu haben. Für ebenso viele Menschen spielt zudem das Tierwohl eine immer stärkere Rolle - und das sei mit den Haltungsformen in der Landwirtschaft nicht vereinbar.