Weißer Ring: Hrubesch & Co. spalten sich ab
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Mittwoch, 20. Januar 2016
Die Opferhilfeorganisation Weißer Ring verliert in Oberfranken viele bewährte Kräfte. Die Mitarbeiter in Kulmbach, Kronach und Lichtenfels haben sich nicht ohne Grund verabschiedet und einen neuen Verein gegründet.
Opferschutz und Prävention - keiner hat die Vereinsziele des Weißen Rings mehr verinnerlicht als Alfons Hrubesch. Man kennt ihn als Gesicht der Opferhilfeorganisation in unseren Breiten. Der pensionierte Polizeibeamte hat den Weißen Ring in den Kreisen Kulmbach, Kronach und Lichtenfels viele Jahre repräsentiert.
"Fahre auch zum Nordpol"
Sein Credo: "Wenn ein Opfer meine Hilfe braucht, bin ich da - auch mitten in der Nacht. Und wenn ich zum Nordpol fahren muss, dann fahre ich dahin." Mitarbeiter des Weißen Ring begleiten Opfer zur Polizei und zum Gericht oder sind einfach nur da, wenn jemand reden will.Was treibt ihn bei seinem aufwendigen Einsatz an? "Ich habe während meiner Dienstzeit bei der Polizei gesehen, dass die Opfer alleine dastehen und nirgendwo Hilfe kriegen." Das will er verändern.
Aber noch besser ist es, so Hrubesch, "wenn Menschen gar nicht erst Opfer werden".
Deshalb sind Aufklärung und Prävention sein großes Thema. "Meine beiden Filme über sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung sowie über Cyber-Mobbing sind tausendfach in Deutschland verbreitet", sagt der 70-Jährige, der aus Wirsberg stammt und schon lange in der Gemeinde Itzgrund lebt.
Hrubesch hätte allen Grund, zufrieden zu sein. Aber nun macht er Schluss beim Weißen Ring. Zum Jahresende hat der bisherige Außenstellenleiter in Kulmbach, Kronach und Lichtenfels seine Mitarbeit aufgekündigt. Und mit ihm weitere 15 ehrenamtliche Helfer.
Kritik an Staranwalt Schwenn
Hrubesch & Co. bleiben Mitglieder im Weißen Ring und setzen auch die laufende Opferarbeit fort.
So betreut der 70-Jährige im großen Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Bayreuth nach wie vor die Hauptbelastungszeugin, die ihren Vater der Vergewaltigung bezichtigt. Dass er dafür vom Hamburger Staranwalt Johann Schwenn, der ihm Einflussnahme auf den Prozess vorwirft, gescholten wird, trägt Hrubesch mit Fassung. Er kritisiert seinerseits den Verteidiger, der manche Zeugen so hart angehe, "dass sie Angst haben, vor Gericht auszusagen".Die Abtrünnigen stören sich daran, dass der Weiße Ring hohe Personalkosten in der Mainzer Verwaltung hat. Vier Millionen Euro jährlich für etwa 100 hauptamtliche Mitarbeiter. Das Geld solle besser vor Ort verwendet werden, meint Hrubesch. Ferner kritisiert er, dass der Landesverband Bayern-Nord "unsere Präventionsarbeit" nicht unterstützt. "Die warten, bis die Leute Opfer werden."
Landesverband stellt sich neu auf
Der Weiße-Ring-Landesverband hat bereits reagiert und sich in den genannten Landkreisen neu aufgestellt. Als Außenstellenleiter fungieren: Helmut Will (Telefon 09531/943516) für Kulmbach, Irene Dicker (0151/5516 4764) für Lichtenfels und Inge Schaller (09263/975910) für Kronach. "Damit haben wir gute und erfahrene Ansprechpartner für die Opfer von Straftaten vor Ort", sagt Landesvorsitzender Josef Wittmann aus Bayreuth.Zu den Vorwürfen von Hrubesch will er sich nicht äußern. "Das möchten wir in Absprache mit der Bundesgeschäftsstelle nicht kommentieren."
Der frühere Polizist und seine Mitstreiter haben ihrerseits einen neuen Verein gegründet: Opferhilfe Oberfranken. Hrubesch ist Vorsitzender, Stellvertreter Peter Bürgin, Kulmbach, und Cornelia Gebert-Scholl, Burgkunstadt, Schatzmeister Dieter Weith, Mainleus.
"Wir werden die Prävention verstärken und Aufklärungsarbeit in allen Bereichen leisten", erklärt Hrubesch. "Wenn es Opfer gibt, bieten wir Betreuung an - das volle Programm." Nordpol oder Mitternacht - Alfons Hrubesch (0171/3032 827) ist immer erreichbar.
Der Weiße Ring
Anfang Der gemeinnützige Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten wurde 1976 vom TV-Journalisten Eduard Zimmermann (1929 - 2009) gegründet.
Er war bis 1994 Vorsitzender der größten Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität in Deutschland.Organisation Der Verein unterhält ein Netz von rund 3200 ehrenamtlichen, professionell ausgebildeten Opferhelfern in bundesweit 420 Außenstellen. In 18 Landesverbänden zählt der Weiße Ring rund 50.000 Mitglieder.
Aktivität Der Weiße Ring ist ein sachkundiger und anerkannter Ansprechpartner für Politik, Justiz, Verwaltung, Wissenschaft und Medien in allen Fragen der Opferhilfe. Der Verein finanziert seine Tätigkeit aus Beiträgen, Spenden, testamentarischen Zuwendungen sowie Geldbußen.