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Umgehung Melkendorf: Projekt der Superlative


Autor: Katrin Geyer

Melkendorf, Dienstag, 20. November 2018

Mehr als 20 Jahre lang beschäftigte die Baumaßnahme der Ortsumgehung von Melkendorf nicht nur die Melkendorfer. Eine Chronologie.
Die Umgehung aus der Luft.Foto: Ingo Bär


Ein Generationenprojekt! Wenn das oft strapazierte Wort überhaupt einmal seine Richtigkeit hat, dann hier: Bei der Mega-Baustelle, der Dauerbaustelle, der umstrittenen Baustelle, der Baustelle, deren Ende viele herbeigesehnt haben.

In der Tat ist es mehr als 25 Jahre her, dass erste Forderungen nach einer Ortsumgehung für den Kulmbacher Stadtteil Melkendorf aufkamen. Der Ausbau der ehemaligen Bundesstraße 505 zur A 70 und damit verbunden die neue Anschluss-Stelle Schirradorf hatten zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen auf der Staatsstraße 2190 geführt: Zeitweise rollten Pkw und Lastwagen in langen Kolonnen durch Melkendorf.

Bürgerbefragung

1995 hatte sich der Kulmbacher Stadtrat dann für den Bau einer Ortsumgehung ausgesprochen. In der ersten Bürgerbefragung, die es in der Geschichte der Stadt überhaupt gab, stimmten 75 Prozent der Melkendorfer für das Projekt. 1999 genehmigte die oberste Baubehörde in München den Vorentwurf. Damals ging man noch von 4,7 Millionen Euro Kosten aus - eine Schätzung, die später nicht zu halten sein würde.

Allerdings, und das hatte schon die Bürgerbefragung gezeigt, stieß das gewaltige Projekt nicht nur auf Zustimmung. Mehrere Privatleute, eine Bürgerinitiative und der Bund Naturschutz klagten, verloren, strebten eine Berufung an, die aber abgelehnt wurde. Damit war für die Befürworter der Umgehung eine wesentliche Hürde gemeistert.

Andere Melkendorfer blieben skeptisch. Insbesondere in der Tankstelle und in der Bäckerei wird man gespannt beobachten, ob Kunden wegbleiben, wenn der Verkehr künftig nicht mehr durch den Ort rollt, sondern darum herum.

Offiziell grünes Licht für das Bauvorhaben gab es im Oktober 2011. Im Rahmen des 7. Ausbauplans für die Staatsstraßen stufte der Bayerische Landtag das mittlerweile auf 7,8 Millionen Euro veranschlagte Projekt in die oberste Priorität ein.

2014 fiel dann endgültig der Startschuss: Die Bauarbeiten für die von manchen heiß ersehnte, von anderen verteufelte Umgehung begannen mit der Verlegung des Proßer Baches auf dem Teilstück zwischen Katschenreuth und der Brücke über den Roten Main.

Ersatz für die alte Brücke

Diese alte Sandsteinbrücke wurde 2015 durch ein neues, gewaltiges Bauwerk ersetzt, über das seit Juni 2016 der Verkehr zweispurig rollte: das berüchtigte Nadelöhr war damit Vergangenheit. Geschichte war wenig später auch der steile kurze Anstieg vom Main hinauf zum Melkendorfer Sportplatz, ein Straßenabschnitt, der manchen verleitet hatte, seine Fahrkünste zu überschätzen - mit bösen Folgen. Der Verkehr wurde nun über die neue Trasse bis zum Baugebiet Am Siegberg und von dort auf die Ortsdurchfahrt geleitet.

Zu diesem Zeitpunkt wurden die Gesamtkosten für die komplette neue Trasse bereits auf elf Millionen Euro geschätzt.

Der Bau der Umgehung lieferte immer wieder aufs Neue Stoff für Diskussionen. Mal war es die Baustellen-Ampel, die vor allem Pendler im Berufsverkehr ausbremste. Mit einer Zeitanzeige, die die noch verbleibende Wartezeit anzeigte, versuchte man, für bessere Stimmung zu sorgen.

Wiederholt mussten Teilstücke der "alten" Staatsstraße 2190 gesperrt, die Baustelle großräumig umfahren werden. In jüngster Zeit sorgte die Sperrung der Theodor-Heuss-Allee, einer wichtigen Verbindung vom Kulmbacher Industriegebiet nach Melkendorf, für lange Staus und quälend lange Wartezeiten in der Melkendorfer Straße und auf der Schauer-Kreuzung.

Währenddessen nutzen Scherzbolde die neue Kreisverkehrs-Anlage für ihre Zwecke: Unbekannte, die sich in einem späteren "Bekennerbrief" als die "Unruhestifter" bezeichneten, montieren in der Kreiselmitte aus Holzbuchstaben das Wort "Bier". Ob der Kreisel tatsächlich, wie gemutmaßt wurde, als "Bierkreisel" in die Annalen eingehen wird, ist freilich fraglich.

Neue Wege auch für Radfahrer

Auch nach der offiziellen Freigabe der Umgehung am gestrigen Dienstag werden Restarbeiten im Umgriff der Straße zu erledigen sein. Letztendlich sollen im Umfeld von Melkendorf nicht nur geschätzte 64 Prozent des Durchgangsverkehrs über die neue Trasse geleitet werden. Auch der landwirtschaftliche Verkehr und die Radfahrer werden auf neuen Wegen unterwegs sein. So wurden beispielsweise die Verbindungsstraßen nach Unterkodach und nach Unter- und Oberzettlitz neu gestaltet.

Die Bayerische Rundschau übrigens widmete der Orstumgehung immer wieder umfangreiche Berichte. So zu Beispiel im Frühling 2005, als das Projekt zum "Thema der Woche" erklärt worden war. So in den Folgejahren, als wir der Straße immer wieder größere Beiträge widmeten.

Und so auch heute, mit einem üppig bebilderten Rückblick in unseren Print- und Online-Ausgaben auf die Mega-Baustelle, für die insgesamt 95 000 Kubikmeter Erdreich bewegt worden sind. Wir versprechen: Wir bleiben dran! Und werden künftig zum Beispiel genau beobachten, ob die Straße den Melkendorfern die gewünschte Entlastung bringt - und die 15,6 Millionen Euro, die das Projekt letztlich verschlungen hat, auch wirklich gut angelegt sind.

Den Bericht von der offiziellen Freigabe lesen Sie hier.

Von großen Plänen bis zur Großbaustelle: Chronologie der Ortsumfahrung Melkendorf

1992 Nach der Inbetriebnahme der Autobahnanschlussstelle in Schirradorf nimmt der Verkehr in Melkendorf erheblich zu. Erstmals wird eine Umgehung gefordert.

1993 Planungsbeginn für eine Umgehungsstraße, mit der der Verkehr auf der Staatsstraße 2190 um Melkendorf herumgeführt werden soll.

1998 Mit dem Vorentwurf für eine Umgehung für Melkendorf wird die planerische Grundlage für das Projekt gelegt.Geschätzte Gesamtkosten damals: umgerechnet 4,7 Millionen Euro.

2002 wird der Antrag auf Eröffnung eines Planfeststellungsverfahrens gestellt.

2005 Im Mai erfolgt die Anhörung zur Planfeststellung. Es zeichnet sich ab, dass Melkendorf in zwei Lager gespalten ist. Während sich die Anlieger der Hauptstraße eine Entlastung des Ortskerns erwarten, befürchten die Gegner, die in der Nähe der neuen Trasse wohnen, eine Beeinträchtigung ihres Lebensumfeldes. Zu diesem Zeitpunkt werden auf der Ortsdurchfahrt durchschnittlich 8426 Fahrzeuge pro Tag gezählt. Der bayerische Durchschnitt liegt nur bei 3760 Fahrzeugen.

2006 Abschluss des Planfeststellungsverfahrens.

2009 Neun Privatleute und der Bund Naturschutz klagen. Sie befürchten Beeinträchtigungen in ihrer Lebensqualität - und sehen seltene Tierarten bedroht. Vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth wird die Klage abgewiesen.

2010 Der Bund Naturschutz kündigt Revision gegen dieses Urteil an.

2011 Nach Abschluss des Klageverfahrens wird das Baurecht im April rechtskräftig. Der Bayerische Landtag beschließt, die Ortsumgehung von Melkendorf in die erste Priorität einzustufen und gibt damit grünes Licht für einen baldigen Baubeginn. Einen Termin dafür gibt es allerdings noch nicht.

2013 Mit dem Bau der Radwegeunterführung im Bereich der Zettlitzer Straße beginnen die Arbeiten an der Umgehung.

2014 Jetzt wird es ernst: Mit der Verlegung des Proßer Baches bei Katschenreuth beginnen die Arbeiten entlang der "alten Staatsstraße 2190".

2014 Der erste Bauabschnitt von Katschenreuth bis zur Mainbrücke wird für den Verkehr freigegeben.

2015 Die neue Brücke über den Roten Main wird erstellt.

2016 Die neue Brücke wird freigegeben. Lange Staus an der Baustellenampel sind Vergangenheit.

2016 Östlich von Melkendorf entstehen gewaltige Bauwerke: Eine Brücke für die Anbindung der Straße nach Unter- und Oberzettlitz und ein Kreisverkehr.

2018 Die Bauarbeiten gehen in eine letzte, heiße Phase: Der Lückenschluss südlich von Melkendorf macht großräumige Umleitungen nötig. Für einige Wochen ist die Staatsstraße 2190 zwischen Kulmbach und Melkendorf komplett für den gesamten Verkehr gesperrt.

2018 Im Sommer wird das Teilstück zwischen der Mainbrücke und Melkendorf freigegeben.

20. November 2018 Es ist vollbracht! Die neue Ortsumgehung Melkendorf wird für den Verkehr freigegeben.red