Eine Lockerung der Corona-Maßnahmen trotz täglich neuer Rekordzahlen: Das sagen Vertreter von Krisenstab und Klinikum dazu.
Seit dem Ende der Faschingsferien gehen die Corona-Fallzahlen und damit der Sieben-Tage-Inzidenzwert im Landkreis Kulmbach wie in ganz Bayern durch die Decke. Gleichzeitig sollen ab 20. März die meisten Corona-Beschränkungen bundesweit aufgehoben werden. Die Bayerische Rundschau hat beim Krisenstab des Landkreises und im Klinikum nachgefragt, wie sich die aktuelle Situation darstellt und wie man dort die anstehenden Lockerungen einschätzt.
Die aktuelle Infektionslage
Bei 2429 lag der Sieben-Tage-Inzidenzwert für den Landkreis am Montagabend. Schaut man sich den Wert aufgeteilt nach Alter an, fallen derzeit vor allem zwei Altersgruppen mit Inzidenzen von jeweils weit über 3000 auf: die der 0- bis 19-Jährigen und die der 20- bis 29-Jährigen. Praktisch mit dem Ferienende sind deren zwei Fallzahlkurven nach oben geschossen, weiß der Leiter des Krisenstabs am Landratsamt, Oliver Hempfling. "Das deutet natürlich schon darauf hin, dass man gewisse Freiheiten, die man ab dem ersten März-Wochenende wieder hatte, in Anspruch genommen hat", so Hempfling. Zwar könne man nicht generell sagen, dass Clubs und Discos Superspreader seien oder dort alles schief laufe, aber es sei eine logische Konsequenz, dass mehr Nähe und Enge eben auch mehr Infektionen bedeuten.
Viele Fälle am Klinikum
Die explodierenden Corona-Zahlen machen auch dem Klinikum zunehmend zu schaffen. "Die Covid-Station ist gut voll, die Zahlen sind hoch", sagt Geschäftsführerin Brigitte Angermann. Jeden Tag kämen viele neue Corona-Patienten dazu, zunehmend auch ältere Menschen und aus allen Fachabteilungen. "Da sind auch viele Zufallsbefunde dabei." Jeder bestätigte Fall müsse auf die Isolierstation, der Aufwand sei enorm. Einen Aufnahmestopp gebe es allerdings nicht, betont Angermann, die von einer "riesen Kraftanstrengung" spricht. Man agiere aktuell von Tag zu Tag und bemühe sich, die Neuaufnahmen durch Patienten-Entlassungen auszugleichen. "Es ist nicht so, dass wir eine zweite Covid-Station aufmachen müssen", so Angermann. Das dürfte nicht zuletzt aus personellen Gründen schwierig sein, denn auch bei den Angestellten des Klinikums gibt es quarantänebedingt nach wie vor viele Ausfälle. Die Dienstplanung funktioniere gerade so, "ohne dass wir ganze Stationen schließen müssen".
Ein organisatorisches Problem
Corona sei für das Klinikum momentan weniger ein medizinisches als vielmehr ein organisatorisches Problem, erläutert der Pandemiebeauftragte des Hauses, leitender Arzt Dr. Thomas Banse. Weiterhin sei der größere Anteil der Patienten auf der Corona-Station nicht wegen einer Covid-Erkrankung, sondern wegen eines anderen Befundes und eines zusätzlichen positiven Testergebnisses dort. Der Patient liegt dann nicht in der entsprechenden Fachabteilung, sondern die Fachärzte müssen auf die Corona-Station kommen - mit allen nötigen Hygienemaßnahmen. Die Schwere der eigentlichen Covid-19-Erkrankungen sei niedriger als in den vorausgegangenen Wellen. Aktuell gibt es keinen beatmeten Corona-Patienten am Klinikum.
Geplante Lockerungen
Ab nächster Woche sollen fast alle Corona-Schutzmaßnahmen wegfallen. Viele Menschen haben dabei angesichts der explodierenden Fallzahlen ein ungutes Gefühl. Und auch Krisenstabschef Oliver Hempfling meint: "Den Wegfall der Maskenpflicht halte ich für falsch." Man habe in den vergangenen zwei Jahren gelernt, dass dies ein einfaches wie effektives Mittel sei, sich selbst und andere zu schützen. Andererseits sei ihm auch bewusst, dass es Schülern schwierig zu vermitteln sei, sechs Stunden mit Maske im Unterricht zu sitzen, während es gleichzeitig ausgelassene Partybilder aus den Clubs gebe.
Für fokussierte Maßnahmen
Für eine pragmatische Herangehensweise bei den Lockerungen plädiert der Pandemie-Beauftragte des Klinikums. Es solle nicht mit der Gießkanne sondern selektiv geöffnet werden. "Große Verordnungen über die ganze Bevölkerung zu ziehen - die Zeit ist vorbei", sagt Thomas Banse. Stattdessen solle man sich auf die gefährdeten Gruppen fokussieren und für medizinische Bereiche und Pflegeeinrichtungen strengere Maßnahmen vorgeben. So wird zum Beispiel auch am Klinikum die Maskenpflicht auf jeden Fall bestehen bleiben. Für die breite Masse, für Junge, Gesunde und Geboosterte allerdings müssten Test- und Quarantänekonzepte überarbeitet werden. "Wir müssen uns davon verabschieden, dass wir Menschen ohne Symptome ständig testen und in Quarantäne schicken", so Banse.
Inzidenz noch sinnvoll?
Wie sinnvoll und aussagekräftig ist in der derzeitigen Situation überhaupt noch der Sieben-Tage-Inzidenzwert? Rechtliche Auswirkungen ab einer bestimmten Höhe hat er (im Moment) nicht. Es gibt aber Überlegungen, dass die Länder im Gegenzug zu den geplanten Lockerungen in "Hotspots" weiter strenge Regeln umsetzen können. Ganz aufgeben will man den Blick auf den Inzidenzwert auch im Landratsamt nicht. "Er ist im besten Fall noch eine Annäherung an das aktuelle Infektionsgeschehen", so Hempfling. Der Wert gebe im Zusammenspiel mit anderen Daten wie zum Beispiel der Hospitalisierungsrate einen Überblick über die Lage.