Probleme auf der Buckelpiste

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Pflastersteine sind für Rollstuhlfahrer immer ein Ärgernis, weil sie beim Darüberrollen immer kräftig durchgeschüttelt werden. Hier begutachten (von links) Manuela Ehrhardt, die sich die Füße am Rollstuhl festbinden lässt, um nicht abzurutschen, Michael Barnickel, Dagmar Keis-Lechner und Jürgen Tesarczyk die Situation am Holzmarkt. Fotos: Dagmar Besand
Pflastersteine sind für Rollstuhlfahrer immer ein Ärgernis, weil sie beim Darüberrollen immer kräftig durchgeschüttelt werden. Hier begutachten (von links) Manuela Ehrhardt, die sich die Füße am Rollstuhl festbinden lässt, um nicht abzurutschen, Michael Barnickel, Dagmar Keis-Lechner und Jürgen Tesarczyk die Situation am Holzmarkt. Fotos: Dagmar Besand
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Manuela Ehrhardt und Sven Werner sind Rollstuhlfahrer und hartnäckig, wenn es darum geht, in Kulmbach Hindernisse für Gehbehinderte aus dem Weg zu schaffen. Die Stadt will helfen, wo einfache Lösungen machbar sind.

Ihre Krankheit hat sie in den Rollstuhl gebracht: Vor 34 Jahren ist Manuela Ehrhardt an Multipler Sklerose erkrankt, seit 2008 kann sie nicht mehr gehen. Trotzdem versucht sie, so selbstständig wie möglich zu leben. Die 60-Jährige wohnt im Pflegeheim im Mainpark und ist dank ihres Elektro-Rollstuhls mobil.
Der Weg vom Mainpark in die Innenstadt ist kurz - einfach ist er für die Rollstuhlfahrerin aber nicht: "Überall lauern Hindernisse, über die sich die meisten Menschen gar keine Gedanken machen. Doch für mich entscheidet manchmal schon ein Zentimeter an einer Bordsteinkante, ob ich weiterfahren kann oder auf fremde Hilfe warten muss", sagt Ehrhardt.
Grund genug für die 60-Jährige, die sich auch als Vorsitzende der Bewohnervertretung des Mainparks engagiert, sich selbst um Verbesserungen zu kümmern. Sie hat Problemstellen fotografiert und die Bilder mit einem Brief an den Oberbürgermeister an die Stadt Kulmbach geschickt. Auch an die Sprecherin des Grünen-Kreisvorstands Dagmar Keis-Lechner hat sie sich gewandt. Die Mutter einer schwerbehinderten Tochter im Rollstuhl hat viel Erfahrung mit den Schwierigkeiten des Rolli-Alltags.
Um zu sehen, wo man im Einzelfall helfen könnte, traf sich Michael Barnickel, Leiter des städtischen Bauhofs, mit Manuela Ehrhardt, begleitet von Keis-Lechner, aber auch von Sven Werner, der mit seinem Rollstuhl ohne Elektroantrieb im Alltag noch mehr Probleme meistern muss, vor allem, wenn er niemanden dabei hat, der seinen Rolli schiebt.

Schüttelrunde durch den Grünzug
Der Park im Grünzug ist für die Bewohner des Mainparks Spazierweg und direkte Verbindung zu Stadthalle und Zentrum. Stein des Anstoßes im Wortsinn ist hier die Pflasterung der Wege. "Da wird man richtig durchgeschüttelt. Das ist sehr unangenehm", klagt Manuela Ehrhardt. Michael Barnickel darf es selbst probieren und wird mit einem Rollstuhl über die Buckelpiste geschoben."Könnte man hier nicht das Pflaster verfugen, um eine ebenere Oberfläche zu bekommen?" fragt die 60-Jährige. Das löst das Problem nicht, weiß der Bauhof-Chef. Das Granitpflaster, auf Splitt verlegt, hat sehr ungleichmäßige, unebene Strukturen. "Da bringt das Verfugen auch nichts." Gleichmäßiges Rollen würde nur auf einem Pflaster mit ebener Oberfläche funktionieren. Das ganze Pflaster im Grünzug auszutauschen, sei aber vorerst unrealistisch: "Das wäre schon eine große Investition."
Mit geringerem Aufwand lassen sich dagegen andere Probleme lösen. Beispiel Zentralparkplatz: Am Fußgängerüberweg in Höhe der "Feuerwache" wurde ein Stück der Bordsteinkante leicht angeschrägt. Minimaler Eingriff - große Wirkung, lobt Manuela Ehrhardt und wünscht sich mehr solcher "Teerwürstchen" für weichere Übergänge, zum Beispiel am Fußgängerüberweg am Schwedensteg Richtung Bahnhof.
Und dann gibt es da noch einige Gehsteig-Holperlöcher im Umfeld des Mainparks. Diese Schäden zu reparieren und auch den einen oder anderen "Teerwürstchen"-Wunsch zu erfüllen, sei ohne großen Aufwand machbar, meint Michael Barnickel und versprach, sich um dieses Anliegen zu kümmern.

Was ist gefährlich, was machbar?
Nicht überall, wo es im Stadtgebiet Probleme für Rollstuhlfahrer gibt, ist der Bauhof zuständig. Das wissen auch die Kämpfer für eine behindertengerechte Innenstadt. "Uns ist es wichtig, dass überall dort, wo neu geplant oder nachgebessert wird, an die Bedürfnisse der Gehbehinderten gedacht wird", sagt Dagmar Keis-Lechner. "Es ist schon klar, dass man nicht alles auf einmal machen kann. Es muss ja auch finanziert werden." Es sei aber notwendig, zu prüfen, wo es Gefahrenstellen gibt und was wünschenswert ist, damit Rollstuhlfahrer am Leben teilnehmen können. "Und dann muss man halt schauen, was machbar ist und ob wir uns das jetzt leisten können oder noch zwei Jahre sparen müssen."
Fakt ist, dass immer mehr Menschen auf Barrierefreiheit angewiesen sein werden, so die Grünen-Sprecherin, die bei ihren Aktionen auch von Jürgen Tesarczyk vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub unterstützt wird. Die Bedürfnisse von Radlern und Gehbehinderten sind zwar unterschiedlich, "aber gerade deshalb ist es wichtig, sich gemeinsam Gedanken zu machen, wie man Probleme lösen und allen Anliegen gerecht werden kann", sagt Tesarczyk. Straßenpflaster auszutauschen sei teuer, bei neuen Bauprojekten gleich einen ebenen Belag zu wählen dagegen meist kein Problem. "In Bayreuth und vielen anderen Städten geht das ja auch."

Interview mit der Rollstuhlfahrerin Manuela Ehrhardt
 Interview Rollstuhlfahrerin Manuela Ehrhardt by Infranken.de