Die Bundes-SPD zerbröselt: Die Kulmbacher Genossen machen sich nach dem Nahles-Rücktritt Sorgen um die Zukunft ihrer Partei.
Die "taz" formulierte es wie gewohnt drastisch: "Scheißjob zu vergeben" titelte die Tageszeitung gestern - und meinte damit den oder die Nachfolger(in) von Andrea Nahles an der Spitze der SPD. Auch bei den Sozialdemokraten im Landkreis ist der Rückzug der 48-Jährigen von allen Partespitzenämtern (plus das Niederlegen ihres Bundestagsmandats) natürlich das Thema.
"Ein richtiger Schritt"
Für Volker Schmiechen, Untersteinachs Bürgermeister, war es "ein richtiger Schritt" von Nahles, sowohl den Partei- als auch den Fraktionsvorsitz aufzugeben. Und nun? "Auch wenn es lapidar klingt: Wir müssen als SPD zu unseren Wurzeln zurück." Und dazu gehört, eine Fortführung der Großen Koalition mit CDU und CSU zu überdenken. "Ich bin definitiv kein Freund der GroKo. Wir exerzieren das jetzt zum dritten Mal - und jedes Mal hat die SPD trotz guter Arbeit am Ende noch schlechter abgeschnitten. Offenbar verkaufen die Sozialdemokraten die Dinge, die gut laufen, zu schlecht. Und für die, die weniger gut laufen, bekommen allein wir den Denkzettel."
Das kommissarische Nachfolgetrio mit Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel hält er für eine Übergangslösung, der eine Kandidatin/ein Kandidat nachfolgen müsse, der/die nach außen hin tougher auftritt und offen sagt, was die politische Linie sein soll. Er selbst bleibe überzeugter Sozialdemokrat. Er als Club-Fan wisse, was Leidensfähigkeit bedeutet. "Da muss man stark sein und dazu stehen, auch wenn es manchmal schwer ist."
"Werte und Ziele sind verpufft"
Knud Espig, der Fraktionsvorsitzende der SPD/Offene Liste in Stadtsteinach, macht keinen Hehl daraus, dass er Nahles nie für die optimale Besetzung gehalten habe. "Ich bin mit dem gesamten Standing der Bundespartei nicht einverstanden." Die Sozialdemokratie sei in der GroKo zerrieben worden. "Unsere Werte und Ziele sind verpufft - der große Partner CDU/CSU heimste die Erfolge ein, und wir halten den Steigbügel."
Der Kommunalpolitiker erwartet nun eine "sozial-ökologische Transformation". "Wir müssen auf sozialer Ebene wieder ein eigenes Profil gewinnen und den Klimaschutz in ein tragfähiges Konzept einbinden. Ökologie sozial umsetzen: Diese Kombination ist für mich erfolgversprechend. Der ökologische Part allein wird ja von den Grünen abgedeckt, da wäre es daneben, auf diese Schiene einfach einzuschwenken." Die Dreier-Übergangslösung nennt er einen guten Weg. Und Nahles' Nachfolger? "Ich habe niemanden parat, von dem ich sagen würde, der wäre der richtige. Manuela Schwesig halte ich aber durchaus für passend: Sie ist eine relativ junge und frische Kraft, die auch jüngere Wähler begeistern kann."
"Mich hat Zeitpunkt überrascht"
"Mich hat der Zeitpunkt überrascht, denn Andrea Nahles ist als Kämpferin bekannt", sagt Werner Diersch. Für Trebgasts Bürgermeister ist der Entschluss aber verständlich. "Man kann es von außen nicht wirklich beurteilen, aber es schien so, als würde alles Schlechte auf die Vorsitzende fokussiert, wobei sie sicher ihren Anteil an manchen negativen Entwicklungen hat. Aber sie hat, das sollte man nicht vergessen, auch manches richtig gemacht. Und sie hat es vor allem mit Herzblut gemacht."
Die Bundespartei sei gut beraten, die Lage in Ruhe aufzuarbeiten, sich nicht jagen zu lassen. Diersch warnt davor, Zukunftsentscheidungen vom Tagesgeplänkel abhängig zu machen. "Es gibt keine einfache Lösungen, wenn die Fragen komplex sind." Zum prognostizierten Niedergang der Sozialdemokratie bekundet er: "Jeder sollte bedenken, was es heißt, wenn die SPD mit ihren sozialen Tugenden aus dem demokratischen Gefüge rausgekickt würde. Das Soziale in der Wirtschaft betonen - das wünschen sich doch viele, das wäre die Kernkompetenz der SPD." Zur Fortführung der GroKo sagt er: "Ich denke, es ist immer besser mitzugestalten. Aber ich sage: Wenn ich merke, dass diese Regierungsbeteiligung krank macht, dann muss ich mich davon befreien."