Kulmbachs Gymnasien-Chefs im Interview

6 Min
Fotos: Dagmar Besand
Fotos: Dagmar Besand
Der Direktor des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, Horst Pfadenhauer, im Gespräch mit...
Der Direktor des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, Horst Pfadenhauer, im Gespräch mit...
 
...seiner Kollegin Ulrike Endres, Direktorin des Caspar-Vischer-Gymnasiums. Fotos: Dagmar Besand
...seiner Kollegin Ulrike Endres, Direktorin des Caspar-Vischer-Gymnasiums. Fotos: Dagmar Besand
 

Ulrike Endres und Horst Pfadenhauer sind seit einem Jahr die Chefs der beiden Kulmbacher Gymnasien. Mit inFranken.de sprechen sie über die Herausforderungen des Bildungswesens und darüber, warum Lehrer der schönste Beruf der Welt ist.

Kulmbach als Bildungsstandort voranzubringen, das ist das erklärte Ziel der Chefs der beiden Kulmbacher Gymnasien. Ulrike Endres, Direktorin des Caspar-Vischer-Gymnasiums, und Horst Pfadenhauer, Direktor des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, folgten der Einladung der Bayerischen Rundschau zu einem Gespräch.

Bitte, Frau Endres, vervollständigen Sie doch einmal folgenden Satz: Wenn zwei Gymnasien in einer Stadt angesiedelt sind, ergibt sich automatisch...
Ulrike Endres: ...eine schöne Situation des Nebeneinanders, weil jede Schule ihre Stärken hat, und auch so manche Chance des Miteinanders.

Sehen Sie das auch so, Herr Pfadenhauer?
Horst Pfadenhauer: Kulmbach hat den großen Vorteil, dass es gleich zwei Gymnasien hat, die sich mit ihren unterschiedlichen Zweigen ideal ergänzen.
Endres: Es gibt mehr Verbindendes als Trennendes zwischen unseren beiden Schulen...
Pfadenhauer: ...und wir wollen ja beide den Bildungsstandort Kulmbach voranbringen.

Wie entwickeln sich denn die Schülerzahlen am MGF?
Pfadenhauer: Wie im vergangenen Jahr sind wir heuer mit insgesamt 760 Schülern unterhalb der 800-er Grenze. Im Vergleich zu anderen größeren Städten Oberfrankens haben wir aber - trotz des demographischen Wandels - hier in Kulmbach erfreulicherweise eine recht konstante Situation im Gymnasialbereich.

Wie viele Schüler hat das CVG?
Endres: Wir haben 14 Kinder mehr in der fünften Klasse als im Vorjahr. Insgesamt sind bei uns knapp über 900 Schüler.

Wenn Sie eine Bilanz Ihres ersten Jahres ziehen: Was hat sich an Ihrer Schule Wichtiges getan?
Endres: Wir hatten viele Projekte, haben unsere Zukunftswerkstatt CVG gegründet. Das CVG ist innovativ aus Tradition. Es geht dabei um die gemeinsame Weiterentwicklung der Schule in verschiedenen Arbeitsfeldern und konkreten Konzepten für eine umfassende Bildung. Eine sehr zeit- und arbeitsintensive Aktion - getragen von einem engagierten Lehrerteam - war sicherlich die "Abitura". Der große Erfolg der Premiere dieser Studien- und Berufsmesse an unserer Schule wäre ohne die Unterstützung aller - Schüler, Eltern, Lehrer - in der Organisation und am Tag selbst nicht möglich gewesen. Weiter ist die gebundene Ganztagsschule ausgebaut worden. Das "Wir am CVG" ist keine Phrase; alle - einschließlich der neuen Schulleiterin - werden und wurden mit offenen Armen empfangen, dieses Mit- und Füreinander, das diese Schule ausmacht, habe ich von Anfang an spüren können. Die ganze Schulfamilie ist daran interessiert, dass Schule gelingt und dass es dem Einzelnen dabei gut geht. Das entspricht meiner Vorstellung von Bildung und Erziehung.

Pfadenhauer: Ein neues Fahrtenkonzept wurde beschlossen; ebenso ein erweitertes Raumkonzept, das von Landkreis und Regierung unterstützt wird. Es gelang, die offene Ganztagsschule weiter auszubauen. Im Juni haben wir am MGF erstmals ein Alumni-Netz gegründet, bei dem "Ehemalige", die beruflich in der Region aktiv sind, als direkte Anlaufpartner für unsere Schüler fungieren können. Die Zertifizierung als MINT-Gymnasium wurde beantragt. All das ging nur wegen der hohen Identifikation der gesamten Schulfamilie mit dem MGF, eben echtem Korpsgeist.

Was ist für Sie persönlich als Schulleiter wichtig?
Pfadenhauer: Die positive Atmosphäre des Miteinanders, die ich vom ersten Augenblick vorgefunden habe, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Bei aller Modernität in der Ausstattung spürt man am MGF in unserer Schulgemeinschaft auch das Bewusstsein, dass wir auf eine lange Tradition zurückblicken. Wir feiern 2018 unser 625-jähriges Bestehen.
Endres: Ich sehe uns als Bildungsinstitution, die eine große Bandbreite an Angeboten hat, eine gute Allgemeinbildung und das Rüstzeug für das spätere Leben vermittelt. Mir ist aber auch wichtig, die Schule als Lebensraum weiterzuentwickeln, in der die Schüler Fähigkeiten erwerben, die sich nicht nur in Noten ausdrücken.

Frau Endres, gibt es Aufgaben, die Ihnen in Ihrer Position als Frau leichter fallen?
Endres: Ich bekomme als Frau eventuell leichter Dinge im zwischenmenschlichen Bereich anvertraut.

Und wie ist es bei einem Mann?
Pfadenhauer: Wenn man an der Spitze einer solchen Institution steht, spürt man einen erstaunlichen Vertrauensvorschuss. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Es wird oft von mir erwartet, dass ich Probleme löse, die nichts mit den Unterrichtsleistungen zu tun haben. Es ist aber wichtig, sich auch dafür Zeit zu nehmen.

Warum sind Sie Lehrer geworden?
Pfadenhauer: Lehrer zu sein, ist für mich der schönste Beruf der Welt. Ich stehe nach wie vor sehr gerne vor der Klasse. Die Schule ist ein positives Umfeld.
Endres: Es ist ein wunderbarer Beruf. Man bleibt jung im Kopf. Wir begleiten neugierige Kinder durch die Pubertät und verabschieden sie als junge Erwachsene. Es ist spannend, da dabei sein zu dürfen.

Die Kollegstufe wurde durch das G8 abgelöst. Hat das Ihrer Ansicht nach Auswirkungen auf die Bildungsqualität?
Pfadenhauer: Wir haben gehofft, dass bezüglich der öffentlichen Diskussion um das Gymnasium, endlich einmal Ruhe einkehrt, aber das ist leider nicht der Fall. Wir haben viel getan, um die Umbrüche, die uns das G8 auferlegt hat, schüler- und elternfreundlich zu gestalten. Natürlich müssen wir als Schulleiter das vollziehen, was uns vom Ministerium vorgegeben wird. Wenn Sie mich allerdings als Schülervater fragen, würde ich das G9 bevorzugen, denn gerade viele Jungs bräuchten - entwicklungspsychologisch betrachtet - dieses wichtige Jahr mehr.

Endres: Ein Zurück zum alten Modell wird es wohl nicht geben. Positiv ist, dass wir einen höheren Prozentsatz von Schülern haben, die Abitur machen. Die Bildungsgerechtigkeit ist größer geworden.

Wie schätzen Sie es ein, dass viele Abiturienten erst einmal ein Jahr Auszeit nehmen und der Zeitvorsprung gegenüber dem G9 dadurch wieder aufgebraucht wird?
Pfadenhauer: Wichtig für die jungen Leute ist die rechtzeitige Orientierung. Stichwort: Abitura oder frühzeitige Berufspraktika. Dazu kann auch eine mehrmonatige Auslandserfahrung, zum Beispiel nach dem Abitur, gehören. Es geht auch heute, genauso wie früher, nicht einfach nur um fachliche, sondern vor allem auch um geistige Reife!

Endres: Es ist schön, sich diesen Freiraum zu schaffen. Das ermöglicht Erfahrungen, die man sonst nie mehr im Leben machen kann. Work and travel, ein Bufdi-Jahr, etwas für die Gesellschaft zu tun - diese Freiheit gibt man sich nach dem Studium nicht mehr.

Die Übertrittsquoten ans Gymnasium sind heute höher als früher. Besteht da nicht die Gefahr, dass viele Schüler an Ihre Schulen kommen, die dafür nicht geeignet sind und später frustriert in andere Schultypen wechseln?
Endres: Die Zahl der Schüler, die sich überfordert fühlen und dann einen anderen Weg wählen, ist gering. Und man muss auch sehen, dass viele Berufe höhere Qualifizierungen erfordern als früher. Da ist ein höherer Bildungsabschluss vorteilhaft. Das Gymnasium schult problemlösendes Denken. Wir wollen ja nicht nur Auswendiglerner.

Pfadenhauer: Ich kann nur immer wieder an die Eltern appellieren, die Kinder, die die schulische Qualifikation für das Gymnasium haben, auch konsequent auf diese Schulart von Anfang an zu schicken. Wir haben heute viele Möglichkeiten der Unterstützung im G8 und eine hohe Durchlässigkeit zwischen allen Schularten. Bei aller Basisförderung ist es aber auch zentrale Aufgabe des zeitgemäßen Gymnasiums, die Spitzenförderung von Begabten auszubauen.

Die Schüler heute sind selbstbewusster und kritischer als früher. Wie gehen Sie damit um?
Endres: Das sehe ich sehr positiv. Wir wollen ja das selbstständige Denken fördern, selbstbewusstes Auftreten und das Präsentieren eigener Arbeiten. Das ist es, was junge Leute heute können müssen. Und das ist etwas, worauf wir heute am Gymnasium Wert legen: zu versuchen, beim Wissenserwerb auch einen eigenständigen Zugang zu einer Sache zu finden, die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die Fähigkeit, Sachverhalte, Ideen und Meinungen überzeugend darstellen zu können. Deshalb ist es für alle zukünftigen Reformen auch wichtig, dass wir an den Schulen sowohl die Gestaltungsfreiräume und als auch die passenden Rahmenbedingungen erhalten, mit der wir unseren Schülern mit ihren individuellen Talenten, den heutigen Anforderungen für ihre Zukunft und zugleich einer breit angelegten Bildung gerecht werden können.

Pfadenhauer: Die neue Aufgabenkultur des G8 trägt dazu bei, dass die Schüler auf zeitgemäße Anforderungen vorbereitet werden. Was oft auf der Strecke bleibt, ist der Vertiefungsaspekt. Inselwissen steht stärker im Vordergrund. Aber man kann nicht beides haben. Wir vermitteln am Gymnasium Techniken und Grundkompetenzen, mit denen unsere Schüler weiterkommen.

Abschlussfrage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Schule?
Pfadenhauer: Ich wünsche mir, dass die gute Entwicklung, die unsere Schule genommen hat, weitergeht und wir nicht durch übereilte Reformen in unserer Dynamik neue gebremst werden. Ein großer Wunsch ist, dass zügig unsere Pausenhalle gebaut und die Ertüchtigung des Hauptbaus begonnen wird.
Endres: Ich wünsche mir, dass die vielen Stärken unserer Schule weiter ausgebaut werden und wir bei allem Unterricht nicht vergessen, dass die Schule ein schöner Lebensraum ist, der es jedem einzelnen Schüler ermöglicht, sich gut zu entwickeln und seine Talente zu entfalten.


Ulrike Endres (54) kam vor einem Jahr vom Meranier-Gymnasium-Lichtenfels, wo sie bereits der Schulleitung angehörte, nach Kulmbach. Sie löste den CVG-Schulleiter Klaus Gagel ab und unterrichtet die Fächer Deutsch und Englisch.

Horst Pfadenhauer (51) trat ebenfalls vor einem Jahr die Nachfolge des MGF-Schulleiters Hans-Werner Fischer an. Er war zuvor Mitglied in der Schulleitung am Kaspar-Zeuß-Gymnmasium Kronach und unterrichtet Deutsch, Geschichte und Geographie.