Ideal wäre für Thorsten M. eine Ausbildung zum Demenzhelfer gewesen. Dass daraus nichts wird, liegt daran, dass er als Alleinstehender davon nicht leben könnte. Es gibt keine Vollzeitstellen in diesem Bereich, der Stundenlohn ist niedrig.
Neuer Opimismus für die Zukunft
Gemeinsam mit Agathe Wachter hat er nun entdeckt und auf den Weg gebracht, was mit ein wenig Glück und Selbstvertrauen seine neue berufliche Zukunft werden kann: Er bildet sich zum mobilen Hauswirtschafter weiter. "Ich mag Haushaltsarbeiten, und ich bin gerne mit älteren Menschen zusammen." Von überholten Rollenklischees hält der 53-Jährige ebenso wenig wie von den pauschalen Vorurteilen, mit denen er sich als Arbeitsloser immer wieder konfrontiert sieht. "Ich kann putzen, waschen, kochen - kein Problem." Der nötige Praktikumsplatz ist gefunden, die Kurse beginnen bald.
Thorsten M. hat ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Gerecht ist eine Gesellschaft in seinen Augen dann, wenn sie jedem eine faire Chance gibt "und nicht alle Arbeitslosen pauschal unter den Generalverdacht stellt, Sozialschmarotzer zu sein". Dass es in jeder gesellschaftlichen Gruppe schwarze Schafe gibt, das ist auch dem 53-Jährigen bewusst. "Aber es tut weh, wenn man immer gern gearbeitet hat und das weiterhin tun möchte, aber trotzdem verächtlich von oben herab betrachtet wird, wenn es nicht klappt."
"Unsere Gesellschaft ist kälter geworden"
Manchmal sind es nur unbedachte Formulierungen, die Menschen ausgrenzen und Ungerechtigkeiten verstärken. "Man hört immer, der Mensch hat seine Arbeit verloren. Das klingt, als hätte er nicht aufgepasst. Kündigt der Arbeitgeber, redet man dagegen von Freistellen, als hätte man dem Mitarbeiter etwas geschenkt." Da fängt es für Agathe Wachter schon an mit der Ungerechtigkeit. Die Kulmbacher Sozialpädagogin ist bei der ökumenischen Beratungsstelle für Arbeitslose Ansprechpartnerin für Menschen auf der Suche - nach einer neuen Arbeitsstelle, nach Halt und Verständnis und nicht zuletzt ihrem Selbstwertgefühl.
Wer sucht, der findet - diese einfache Formel funktioniert für den Arbeitsmarkt nicht, weiß die 56-Jährige, die seit mehr als 30 Jahren arbeitslose Menschen in dieser schwierigen Lebensphase begleitet. "Nach meiner Erfahrung will der Großteil der Arbeitslosen wieder arbeiten. Die Aufgabe unserer Gesellschaft wäre es, diesen Menschen den Rücken zu stärken, damit sie wieder Selbstvertrauen gewinnen. Wir brauchen mehr Solidarität und Wertschätzung, statt Betroffenen das Gefühl zu geben, versagt zu haben." Das Gegenteil sei leider vielfach der Fall, bedauert Agathe Wachter: "Unsere Gesellschaft ist kälter geworden in den vergangenen Jahren."
"Das fällt uns auf die Füße"
Wie könnte sie gerechter werden? Der Hartz-IV-Regelsatz müsste aus Sicht der Beraterin angehoben werden. "Davon kann man nicht leben." Auch bei den Löhnen müsste man mal genauer hinsehen: "Der Niedriglohnsektor ist gewaltig gewachsen. Viele arbeiten Vollzeit, und der Lohn reicht trotzdem nicht mal für das Nötigste. Volkswirtschaftlich wird uns das bald auf die Füße fallen."
Kommentar: Gemeinsam verantwortlich
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Die Tüchtigen haben Erfolg, die anderen bemühen sich nicht genug. Leicht dahin gesagt und bequem, denn so können wir die Verantwortung den Betroffenen zuschieben. Wir können schließlich nichts dafür, wenn jemand Pech hat, keinen Job findet, von Hartz IV lebt ... Nicht unser Problem.
Es sollte aber unser Problem sein! Zumindest dann, wenn wir nicht nur meckern, sondern etwas zum Guten verändern wollen.
In dieser Woche widmen wir uns in der Bayerischen Rundschau intensiv dem Thema Gerechtigkeit. Es ist ein wichtiges Thema, das jeden von uns betrifft. Niemand ist gefeit vor Schicksalsschlägen. Angenommen, morgen trifft es uns: Was brauchen wir dann? Was wünschen wir uns?
Finanzielle Unterstützung ist nötig, keine Frage. Genauso wichtig aber ist ein partnerschaftlicher Umgang mit den Betroffenen, an ihrer Seite zu stehen, damit sie Chancen bekommen, um die Krise zu überwinden und ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Das funktioniert freilich nur mit anständigen Löhnen: Solange sogar Menschen mit fester Anstellung Überlebenshilfe vom Staat brauchen, sind wir weit weg von der Gerechtigkeit.
Sehr gut, dass sich inFranken des Themas Gerechtigkeit annimmt und dieses Thema damit mehr in das Bewusstsein der Menschen rückt. In unserer Gesellschaft, in der die in den letzten Jahren durch Egoismus, Profitgier, Rücksichtlosigkeit, Kälte und Hybris eine zunehmende Spaltung festzustellen ist und diejenigen, die sich für diese Gesellschaft einbringen belächelt oder sogar angegriffen werden, ist es dringend erforderlich, die sozialen Werte, ohne die eine Gesellschaft nicht funktionieren kann, in den Mittelpunkt zu stellen. Also, Danke dafür und bitte dran bleiben.