Kulmbacher Team wird Vizemeister in Vierer-Zeitfahren

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Nicht Berlin, sondern Kulmbach: zwei der vier frisch gebackenen Klapprad-Vizeweltmeister auf ihren betagten Gefährten. Volker Schröppel (vorne) auf seinem Victoria-Klapprad und Tobias Aurand mit der guten alten KTM-Tretmühle liefern sich für den Fotografen eine kleine Verfolgungsjagd. Foto: Jochen Nützel
Nicht Berlin, sondern Kulmbach: zwei der vier frisch gebackenen Klapprad-Vizeweltmeister auf ihren betagten Gefährten. Volker Schröppel (vorne) auf seinem Victoria-Klapprad und Tobias Aurand mit der guten alten KTM-Tretmühle liefern sich für den Fotografen eine kleine Verfolgungsjagd. Foto: Jochen Nützel
Was ist gewagter: der fahrbare Untersatz oder die Leibchen? Das Team des Kulmbacher Vizeweltmeisters mit (von links) Volker Schröppel (alias Dirty Dietmar), Andreas Eicher (Andy Cinzano), Dominik Hildner (Rolf Turbo) und Tobias Aurand (Toni ToBarto). Foto: privat
Was ist gewagter: der fahrbare Untersatz oder die Leibchen? Das Team des Kulmbacher Vizeweltmeisters mit (von links) Volker Schröppel (alias Dirty Dietmar), Andreas Eicher (Andy Cinzano), Dominik Hildner (Rolf Turbo) und Tobias Aurand (Toni ToBarto). Foto: privat
 
Zwei der vier Helden von Berlin: Volker Schröppel (links) und Tobias Araund mit dem Pokal inmitten der Auslage im "Multicycle" Foto: Jochen Nützel
Zwei der vier Helden von Berlin: Volker Schröppel (links) und Tobias Araund mit dem Pokal inmitten der Auslage im "Multicycle" Foto: Jochen Nützel
 
Das KTM-Modell von Tobias Aurand mit der besonderen Übersetzung
Das KTM-Modell von Tobias Aurand mit der besonderen Übersetzung
 
Der Pokal für die Zweitplatzierten
Der Pokal für die Zweitplatzierten
 

Das Kulmbacher Team "Feuer. Wasser. Blitz" wurde am Samstag beim Klapprad-Worldcup in Berlin Vizeweltmeister im Vierer-Zeitfahren. Startvoraussetzungen waren: ein Original-70er-Jahre-Rad - und Lippenbart.

Der Fuchsschwanz, sagt Tobias Aurand, der Fuchsschwanz war suboptimal. "So ein Nachgemachter aus einem Trödelladen, leider kein Original." Das fuchst den gebürtigen Heidelberger, denn so ein Schweif wie aus seligen Opel-Manta-Zeiten hätte seinem Klapprad, ein KTM-Modell aus den 1970ern, die höchste Retro-Weihe verliehen. Gut, dann eben mit Imitat am Sattel, denkt sich der 36-Jährige. Hauptsache, die Kriterien sind erfüllt, um in Berlin an der Klapprad-Weltmeisterschaft, dem "World Klapp", teilnehmen zu können.

Fürs Vierer-Zeitfahren haben sich Team-Captain Aurand und seine Mitradler Dominik Hildner, Volker Schröppel und Andreas Eicher unter dem Namen "Feuer. Wasser. Blitz" zunächst mit einem eigenen Video beworben und bekamen dadurch die Startfreigabe erteilt.

Drei Mal um die "Merkel-Raute"
Am Samstag, 17. Mai, geht es los, kurioserweise in der Straße des 17. Juni, vorbei an Brandenburger Tor, Reichstag und Platz der Republik. "Die Strecke ist in Form der Merkel-Raute angelegt", flachst Tobias Aurand. Auf dem 1,8 Kilometer langen Rundkurs sind drei Runden zu absolvieren. Die Mitglieder einer Mannschaft reihen sich dabei wie beim Bahnrad-Fahren hintereinander ein, der Ausnutzung des Windschattens wegen. Immer wieder wird sich in der Führungsarbeit abgewechselt.

Als der Vierer aus Kulmbach ins Ziel radelt, stehen 8:25 Minuten auf der Anzeigetafel. Nur eines von 32 Teams ist schneller. Der Vizeweltmeistertitel geht in die Bierstadt. Und das auch ohne echten Fuchsschwanz am Klappdraht-Esel!

Die körperliche Vorbereitung für das Rennen nimmt Monate in Anspruch. "Es geht ja darum, eine möglichst aerodynamische Haltung auf dem Rad einzunehmen", sagt der Kulmbacher und schreibt seine akuten Nackenschmerzen ganz klar der "Affe auf dem Schleifstein"-Position hinter dem Lenker zu. Immerhin: In dieser, die menschliche Evolution eher zurückdrehenden Stellung und dank einer 5:1-Übersetzung kommt der Rad-Vierer auf gerader Strecke zu einer Höchstgeschwindigkeit von 53 Stundenkilometern.

Das allein aber reicht nicht. Denn vor den Start beim "World Klapp" haben die Götter des Zweirad-Wettstreits weitere Hürden eingebaut. "Es dürfen nur Original-Klappräder teilnehmen, das heißt: Es muss ein Gefährt aus den Siebzigern sein, natürlich ohne Gangschaltung. Renn- oder Zeitfahrlenker sind ebenfalls verboten, dafür 20-Zoll-Räder hinten und vorne vorgeschrieben." Dafür nimmt ein eigens angeheuerter 20-Zoll-Inspekteur die Räder der Teilnehmer ab. "Getuned werden dürfen sie aber, wir haben neue Rennslicks aufgezogen", sagt Aurand.

Allerdings müssen auch die Fahrer eine besondere Eignung mitbringen: einen Bart. Genauer gesagt: Oberlippenbart, exakt genormt und getrimmt. "Normalerweise trage ich höchstens Drei-Tage-Bart", gesteht der Kulmbacher. Für den Wettbewerb lässt er das Rasierzeug für sechs Wochen in der Ecke und sich dafür eine Rotzbremse stehen, dass es Kommissar Horst "Schimmi" Schimanski zur Ehre gereicht hätte. "Ich bin nicht mit besonders stark sprießenden Stoppeln gesegnet, bei meinen Mitfahrern ging's da deutlich schneller. Aber es hat gereicht. Und dank Bartwichse klebt das Haar so im Gesicht, dass es einen kaum spürbar verlangsamt."

Stammesfürst vereidigt die Fahrer
Diese haarige Teilnahmebedingung geht übrigens zurück auf den Schirmherr der Veranstaltung: den ghanaischen Stammesfürsten König Céphas Bansah, der auch die Fahrer vor der Tour vereidigt. Seine Hoheit ist übrigens nicht nur Obermotz über zwölf Häuptlinge in Ober-Volta, sondern im weltlichen Leben Kfz-Meister in Ludwigshafen. Damit auch Frauen starten dürfen, gibt es die Möglichkeit, sich eine gesonderte "Bartwuchsunfähigkeitsbescheinigung" ausstellen zu lassen.

Tobias Aurand bleibt diese peinliche Entlastung erspart. Zum Leidwesen seiner Frau aber hat der Flaum nicht nur die - natürlich laut Reglement - 24 Stunden nach dem Rennen überlebt, sondern ziert, mehr oder weniger jedenfalls, immer noch den Raum zwischen Nase und Lippe. "Das geht wohl nicht mehr lange gut", orakelt Aurand und hat im Geiste schon den Schwingschleifer angesetzt.

Der Vizeweltmeister-Titel hat ihn und seine Kollegen ermutigt, es im nächsten Jahr noch besser zu machen. "Das Siegerteam war gerade mal sechs Sekunden schneller als wir, und die hatten zwei Ex-Profis dabei. Das sollte machbar sein." Bis dahin wollen Aurand, Schröppel, Eicher und Hildner aber sich nicht nur buchstäblich in die Pedale hängen, sondern auch einen Gang höher schalten, was die Optik ihrer Rennsemmeln angeht. "Von den Discokugeln am Rad haben wir Abstand genommen, das hätte uns den cw-Wert versaut." Übersetzt: den Strömungswiderstandskoeffizient. Aber so ein Fuchsschwanz, gewaschen und gebürstet in Stromlinienform...