Kulmbacher helfen Flüchtlingen aus Syrien beim Neuanfang

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Sie haben viel Schlimmes erlebt und möchten in Kulmbach ein neues Leben beginnen: Yasser Mbaid und seine Frau Hayat Kharouf mit dem jüngsten Sohn Hassan (1 Jahr), Bahia (10), Fatimah Mansour, die ebenfalls aus Syrien stammt und die Familie unterstützt, Ahmad (7), Fatimah (9), Husam Drak Al Sibai und Fayez (5). Foto: Dagmar Besand
Sie haben viel Schlimmes erlebt und möchten in Kulmbach ein neues Leben beginnen: Yasser Mbaid und seine Frau Hayat Kharouf mit dem jüngsten Sohn Hassan (1 Jahr), Bahia (10), Fatimah Mansour, die ebenfalls aus Syrien stammt und die Familie unterstützt, Ahmad (7), Fatimah (9), Husam Drak Al Sibai und Fayez (5). Foto: Dagmar Besand

Die Familie Mbaid schöpft in Kulmbach neue Hoffnung auf ein glückliches Leben in Sicherheit. Vater Yasser, Mutter Hayat und ihre fünf Kinder - das sechste ist unterwegs - sind wegen des Bürgerkriegs aus Syrien geflohen und haben fast alles verloren. Viele Kulmbacher helfen beim Neuanfang.

Hayat Kharouf möchte tapfer sein. Die 37-jährige Syrerin versucht, nicht zu weinen, wenn sie von ihrer Heimat spricht. Doch oft gelingt ihr das einfach nicht. Zu stark sind Angst, Trauer und Sorgen um die Zukunft ihrer Familie.

Die fünffache Mutter, im fünften Monat schwanger, kam vor drei Wochen mit ihrem Mann Yasser Mbaid und ihren Kindern nach Kulmbach - entwurzelt, traumatisiert, mit wenigen Habseligkeiten den Bomben entkommen. Ihr Haus in Idlib, einer Stadt in einem der am stärksten umkämpften Gebiete nahe der türkischen Grenze, liegt in Trümmern, viele Freunde und Verwandte sind tot.

Hoffnung auf Rückkehr

Die siebenköpfige Familie hat sich retten können, zunächst in den Libanon. Zwei Jahre ist das schon her. "Zuerst hatten wir gehofft, wir könnten bald wieder zurück, aber das ist unmöglich. Es ist alles zerstört, überall wird gekämpft und geschossen", erzählt Yasser Mbaid. "Ich habe mich deshalb bei der UN gemeldet, denn auf Dauer konnten wir nicht im Libanon bleiben. Ich bin froh, dass wir ins Kontingent Deutschland gekommen sind."

Die Odyssee der Familie hat jetzt ein Ende. Nach einer Zwischenstation im Aufnahmelager Friedland wurden die Mbaids nach Kulmbach gebracht, bekamen eine der Wohnungen am Hundsanger zugewiesen. Die Einrichtung ist spartanisch, aber es ist warm, das Nötigste ist da: ein Bett für jeden, eng nebeneinander aufgereiht, ein Tisch, Stühle, Herd, ein Kühlschrank.

Ohne Dolmetscher geht nichts

Alles ist sauber und ordentlich, als Gast fühlt man sich in der Familie sehr willkommen. Schnell wird ein Stuhl geholt, der traditionelle Mokka gekocht. Es gäbe viel zu fragen und zu erzählen, aber Kommunikation ist ein echtes Problem für die Flüchtlinge. Sie sprechen noch kein Deutsch und sind auf Dolmetscher angewiesen.
Husam Drak Al Sibai und seine Mutter Fatimah Mansour helfen und übersetzen beim Gespräch. Sie stammen ebenfalls aus Syrien, sind seit Februar 2013 in Kulmbach. Mohamad Ghanem Drak Al Sibai ist als Arzt am Klinikum tätig. Die Familie kam also nicht hilfsbedürftig nach Kulmbach, floh aber ebenfalls vor dem Krieg.

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie das ist, dein Land verlassen zu müssen", sagt Fatimah Mansour. Sie habe geweint, als sie fortging. "Ich sehe noch immer vor mir, wie meine Mutter am Fenster stand und ihr die Tränen die Wangen herunterliefen, als sie uns nachblickte."

Die Familie Drak Al Sibai weiß, wie sich die Flüchtlinge fühlen, und so versuchen alle Familienmitglieder, den Neuankömmlingen zu helfen, vor allem mit ihren ausgezeichneten Sprachkenntnissen. Yasser und Hayat ist bewusst, dass die Sprache der Schlüssel zu einem guten Neuanfang ist, und sie wollen deshalb so schnell wie möglich Deutsch lernen. Bei der Caritas haben sie bereits mit einem Sprachkurs begonnen.

Unterstützung beim Lernen gibt's von den beiden Töchtern Bahia (10) und Fatimah (9), die nach zwei Jahren ohne Unterricht wieder zur Schule gehen dürfen. Auch für sie ist der Anfang schwer - die Kriegserlebnisse haben sie und ihre beiden jüngeren Brüder Ahmad (7) und Fayez (5) geprägt. Doch sie wollen lernen. Fatimah zählt stolz auf Deutsch von 1 bis 20. "Das habe ich heute gelernt", strahlt sie - und freut sich, dass sie verstanden wird.

Vater Yasser hat ein großes Ziel: "Ich möchte gut Deutsch lernen und denke, dass ich das schaffen kann. Dann kann ich arbeiten und selbst für meine Familie sorgen." Er sei der Stadt, der Caritas und allen Kulmbachern sehr dankbar für ihre Hilfe und die Spenden.

"Fühlen uns hier schon zu Hause"

Yasser und Hayat wünschen sich, dass ihre Familie in Kulmbach eine neue Heimat findet. Der Start war gut: "Die Kulmbacher sind sehr freundlich zu uns, haben uns viele Sachen geschenkt", erzählt Hayat mit einem dankbaren Lächeln. "Wir fühlen uns hier schon ein bisschen zu Hause."

Ein Kommentar von Dagmar Besand: Die Fremden brauchen Freunde

Das Willkommen ist herzlich. Die Familie Mbaid freut sich, dass ich mich für ihre Geschichte interessiere. Eng geht es zu im Wohn- und Schlafzimmer am Hundsanger, denn auch die Kinder wollen beim Interview dabei sein, betrachten neugierig die fremde Frau mit der Kamera.

Die Stimmung ist positiv, doch in den Gesichtern von Eltern und Kindern sehe ich die Spuren, die der Krieg hinterlassen hat. Traurige Augen, die viel Schlimmes gesehen haben.

Die Situation erinnert mich an die Geschichte meiner eigenen Familie. Ich selbst hatte das Glück, in Frieden und Freiheit aufwachsen zu dürfen. Ich musste nie um mein Leben rennen, hatte immer zu essen und ein Dach über dem Kopf.

Meine Mutter dagegen war ein Flüchtlingskind und hat als Zwölfjährige die Vertreibung aus dem Sudetenland erleben müssen. Abtransport im Viehwaggon, hunderte Menschen auf engstem Raum, oft hungrig, verzweifelte Versuche, an ein wenig Milch für die kleine Schwester zu kommen, kalte Nächte im Flüchtlingslager, die erste Wohnung in einem Dorf, in dem man sie spüren ließ: Ihr seid hier nicht willkommen!

Hunger, Kälte, Ablehnung - das müssen die syrischen Flüchtlinge bei uns glücklicherweise nicht erleben. Viele Kulmbacher spenden Hausrat, Kleidung, Spielsachen, begleiten die schwangere Hayat zum Arzt, ihren Mann zur "Tafel". Freundliche Gesten, die zeigen: Ihr seid nicht allein!

Dieses ehrenamtliche Engagement ist vorbildlich und hilft uns, die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft zu meistern. Die liegt nämlich nicht in der Befriedigung der Grundbedürfnisse, auch wenn Wohnraum und finanzielle Mittel natürlich endlich sind.

Die schwierigste und genauso wichtige Aufgabe ist die Integration. Dabei spielt die deutsche Sprache eine wichtige Rolle, und die lernt sich nicht von allein. Andere Schriftzeichen, ungewohnte Laute, völlig unterschiedliche Grammatik: Für Arabisch-Muttersprachler ist Deutsch schwer zu lernen.

Vielleicht hat ja der eine oder andere Kulmbacher Zeit und Lust, eine Familie unter seine Fittiche zu nehmen und beim Lernen zu helfen. Andrea Boujjia, Migrationsberaterin der Caritas, die sich um die Flüchtlinge kümmert, würde sich über diese Unterstützung ebenso freuen wie die Syrer selbst, die noch Orientierungshilfe brauchen, um sich in ihrer neuen Heimat zurecht zu finden. Es wäre zum Beispiel eine große Hilfe, wenn sich Kulmbacher bereit fänden, ihnen einmal die Stadt zu zeigen.

Angst vor Verständigungsschwierigkeiten? Überflüssig. Wo ein Wille ist, gibt's auch Kommunikation. Ich erinnere mich an meine erste Reise nach Syrien vor vielen Jahren, als ich locker zum Basar, aber leider nicht mehr zurück zum Hotel fand. Ich sprach eine Familie an, die zwar nicht meine Worte, aber mein Problem verstand. Die Kinder packten mich daraufhin einfach am Ärmel und begleiteten mich. So einfach kann es sein!