Kulmbacher Brandstifter: Gericht zieht die Notbremse
Autor: Stephan Tiroch
Kulmbach, Montag, 09. Oktober 2017
Feuer in der Sutte: Wie ein Feuerwehrmann Schlimmeres verhinderte und warum das Gericht nicht glaubte, dass Langeweile die Motivation des Täters war.
Es hätte schlimm ausgehen können: Der Mann, der am 21. Februar einen Kinderwagen angezündet und in einem Wohnhaus in der Innenstadt Feuer gelegt hat, spielte mit dem Leben von vielen Menschen. Jetzt wurde er von der Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth wegen Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt: zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der 21-Jährige wird in eine Entziehungsanstalt eingewiesen, um eine Alkoholtherapie zu machen. Das Gericht zog die Notbremse, denn unter Alkoholeinfluss neigt der Mann dazu, Straftaten zu begehen.
Mutiger Einsatz des Einsatzleiters
Dass an jenem Dienstagabend nicht mehr passierte, ist dem mutigen Einsatz von Michael Weich zu verdanken. Um 20.15 Uhr ging bei der Integrierten Leitstelle ein Notruf ein: Feuer in der Sutte. Stadtbrandmeister Weich rückte sofort aus. Der Einsatzleiter war als Erster am Brandort. "Er erkannte die Gefahr und ging mit dem großen Löscher rein", stellte Vorsitzender Richter Michael Eckstein fest.Weich machte dem Feuer den Garaus. Doch durch die brennende Polsterung des Kinderwagens war bereits das ganze Treppenhaus verqualmt. Die Feuerwehr drang mit Schwerem Atemschutz in das Gebäude ein und sorgte dafür, dass der Rauch abziehen konnte. Die Bewohner des Mehrfamilienhauses wurden evakuiert, vier erlitten eine Rauchvergiftung.
In den Bayreuther Richterspruch wurde ein Kulmbacher Urteil einbezogen: Das hiesige Amtsgericht hatte dem jungen Mann eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten aufgebrummt. Er hatte in Mainleus schon einmal einen Kinderwagen angezündet, damals aber vorher ins Freie geschoben. Er war mehrmals mit seinem Fahrrad betrunken im Straßenverkehr unterwegs - gemessener Spitzenwert: 1,93 Promille - und hatte in einem Supermarkt alkoholische Getränke im Wert von 7,22 Euro geklaut.
Nur eine Ausrede
Aber alles Kinkerlitzchen gegen die jüngste Straftat, deren Motiv in der Hauptverhandlung im Dunkeln blieb. Der Mann, der in dem Haus eine Bekannte besucht und dort Alkohol getrunken hatte, legte zwar ein Geständnis ab, gab aber nur an, dass er aus Langeweile gezündelt habe. "Wir haben nicht ergründen können, was über Sie gekommen ist", sagte Richter Eckstein. Er sprach von einer "Ausrede, um etwas anderes zu verdecken".Der Täter war schon in der Nacht im Umfeld des Tatorts festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Da in dem Mehrfamilienhaus auch Asylbewerber wohnten, gab es Spekulationen über einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat. Mutmaßungen, dass es sich um eine ausländerfeindlichen Anschlag handeln könnte, bestätigten sich vor Gericht nicht.
Warnung vor dem Teufelskreis
Als "unbedingt erforderlich" erachtete das Gericht die vom Gutachter empfohlene Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. "Nehmen Sie die Sache ernst", riet Eckstein. Es wäre dumm, bei der Alkoholtherapie im Bezirkskrankenhaus zu schludern. "Sonst fangen Sie wieder zu saufen an." Der Richter warnte vor dem Teufelskreis: Alkohol - Straftaten - Gefängnis. "So wie bisher kann es nicht weitergehen, sonst werden Sie - das prophezeie ich Ihnen - einen Großteil Ihres Lebens im Gefängnis verbringen", sagte der Vorsitzende. "Es liegt an Ihnen" - (laut) "nur an Ihnen!"
Angeklagter regungslos
Regungslos verfolgte der Angeklagte die Urteilsverkündung. Er nahm zur Kenntnis, dass der Haftbefehl in Kraft bleibt und ließ über seinen Verteidiger Frank Stübinger aus Kulmbach erklären, dass er das Urteil nicht anfechten wird. Der Rechtsanwalt hatte auf eine Strafe von zwei Jahren und neun Monaten plädiert. Er sehe nämlich keine gefährliche, sondern nur einfach Körperverletzung, da eine erhebliche Gesundheitsgefährdung nach den Aussagen der Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht vorlag. Allerdings, so Stübinger, sei hier nicht das Strafmaß entscheidend, sondern die Therapie.