Vier Stimmzettel bekommt jeder Wähler am Sonntag in die Hand gedrückt. Lange Namenslisten mit Menschen, die in ihrer Heimat politisch etwas bewegen wollen. Was geht's mich an? So denken manche Erstwähler, die glauben, dass wichtige Entscheidungen nur in Berlin und München getroffen werden.
Wie groß der Anteil der Kommunalpolitik an der Lebensqualität jedes Einzelnen ist, überraschte die Teilnehmer unserer Podiumsdiskussion gestern ganz offensichtlich. Da gab es die perfekte Gelegenheit, zwei prominente und auskunftswillige Lokalpolitiker mit Fragen zu löchern, und es kam - nichts! Chance vertan.
Wie kann das sein? Findet politische Bildung in der Schule nicht mehr statt? Es ist kaum zu glauben, dass in einem Saal voller junger Erwachsener kaum jemand weiß, wie die Kommunalwahl funktioniert.
Es gibt Dinge, die man für Prüfungen lernt, und welche, die man tatsächlich fürs Leben braucht. Politisches Verständnis gehört in letztere Kategorie. Deshalb müssen sich ehemalige und aktuelle Lehrer den Vorwurf gefallen lassen, ihre Schüler nicht vorbereitet zu haben - weder auf die Diskussion noch auf die Wahl.
Das ist peinlich.
Immerhin: Zumindest hatte die Berufsschule Interesse an der Veranstaltung, im Gegensatz zu den Gymnasien. Ob deren Schüler kluge Fragen hätten stellen können, wissen wir nicht. Wir hoffen es, denn eine ahnungslose Wähler-Generation bringt unsere Gesellschaft nicht voran.
Kurz vor Schluss gab's dann doch noch eine kleine Erlösung: zwei Fragen zur Briefwahl - nachdem Landrat Söllner dem ersten Mutigen ein Eis versprochen hatte.
Leider vermisse ich, dass Sie einige Jugendliche persönlich befragt haben. Deren Meinungen wären doch genauso interessant gewesen. Sonst kommen meistens die Leute in den Reportagen zu Wort, warum nicht auch hier?
Stattdessen schreiben Sie über die angeblich allesamt desinteressierten Jugendlichen - bis auf zwei, die nur Eis wollten(???)
Kurze Zwischenfrage: Haben diese zwei es im Anschluss an die Veranstaltung auch bekommen?
Vor allem werfen Sie alle Gäste in einen Topf. Die Berufsschule als Einrichtung selbst, deren Lehrer und die Schüler werden im Artikel und dem dazugehörigen Kommentar pauschal verurteilt.
Ach ja übrigens, da gibt es ja noch Gymnasien in Kulmbach, aber leider hatten die kein Interesse oder keine Zeit. Wie bitte? Könnte es nicht sein, dass der Hase da ganz woanders im Pfeffer lag?
Politische Bildung an sich fand aber auch während und durch die Veranstaltung selbst statt. Und zwar politische Bildung live!
Natürlich müssen auch Schulen dies im Unterricht übernehmen und die Lehrer an der Spitze, ganz klar! Dies ist der Bildungsauftrag im deutschen Schulsystem, und es wird auch umgesetzt in den meisten Klassen.
Meine Tochter, die selbst Besucherin der Veranstaltung war, meinte nach dem Lesen des BR-Artikels: " Wir Berufsschüler + tlw. auch die Lehrkräfte haben erst am heutigen Schultag von der Veranstaltung erfahren. Unmittelbar danach hat sie schon begonnen. Wir hatten keine Möglichkeit uns darauf vorzubereiten. Warum schimpft man über uns?"
Dies ist keine Ausrede dafür, dass es keine Fragen gäbe unter den Schülern. Der eine hat mehr und der andere weniger Fragen, so ist es eben nun mal. Fragen werden im Allgemeinen dort gestellt, wo es Dinge gibt, die man nicht verstanden hat. Glücklicherweise haben wenigstens der Kulmbacher Landrat und der Bürgermeister sowie insbesondere der BR-Chefredakteur ihre Hausaufgaben gut gemacht, sonst wären ja mehr Fragen gestellt worden. Doch wie heißt es so schön in einem Sprichwort: Nach der Wahl ist vor ...
Der Überschrift nach zu urteilen, würde ich es nicht als Bildungslücke bezeichnen.
Sondern vielmehr als Politikerverdrossenheit, was auch kein Wunder ist, nach dem was sich unsere Politiker, egal ob in Berlin oder hier bei uns in der Kleinstadt, alles für Schnitzer erlauben.
Da wird Politik gemacht, vorbei an den Interessen der Menschen. Wie soll da ein junger Erstwähler sich auch nur im Ansatz für Politik interessieren.