Klinikum Kulmbach: Für Kranke gibt's kein Schema F

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Markus Ewald, Leitender Arzt am Klinikum Kulmbach, sieht im offenen Gespräch mit dem Patienten eine seiner wichtigsten Aufgaben. Foto: Dagmar Besand
Markus Ewald, Leitender Arzt am Klinikum Kulmbach, sieht im offenen Gespräch mit dem Patienten eine seiner wichtigsten Aufgaben. Foto: Dagmar Besand

Weg vom Organ, hin zum Patienten. Ist das in Zeiten knapper Kassen ein Luxus? Leitender Arzt Markus Ewald vom Klinikum spricht im zweiten Teil unser Serie über das Klinikum Kulmbach über die Bedeutung einer ganzheitlichen Sicht auf den Hilfesuchenden.

Niemand geht gern als Patient ins Krankenhaus. Schwere Krankheiten, Unfälle oder andauernde körperliche Beschwerden erzwingen den Aufenthalt. Aber selbstverständlich ist jeder Patient froh, wenn er in der Klinik seiner Wahl auf einen Spezialisten trifft, der ihm helfen kann.

Fortschrittliche Technik und die rasante Entwicklung der Fachgebiete haben zu einer starken Spezialisierung und Zersplitterung geführt, sagt Markus Ewald, Leitender Arzt am Klinikum Kulmbach und selbst Internist mit Schwerpunkt Gastroenterologie. Ein Trend, den der Mediziner durchaus mit gemischten Gefühlen betrachtet.

Team hat Allrounder abgelöst

Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten in Diagnostik und Behandlung ist Expertise in den einzelnen Fachgebieten so wichtig wie nie zuvor, "aber sie erschwert auch die Sortierung der Patienten", sagt Ewald.
Das Problem: "Der Patient kommt meistens mit einem Problem ins Krankenhaus, nicht mit einer spezifisch-klaren Diagnose." Die Ursachenforschung ist dann den Ärzten überlassen, die aber aufgrund ihrer Spezialisierung keine Allrounder mehr sein können. "Den Generalisten-Internisten oder -Chirurgen gibt es kaum noch, denn die Spezialisierung beginnt immer früher, schon in jungen Jahren." Der Allrounder von früher wurde durch ein Team abgelöst, das eng zusammenarbeiten muss, um die bestmögliche Lösung für den Patienten zu finden.

Unser Gesundheitssystem verstärkt den Trend zur Spezialisierung, denn es ist darauf ausgerichtet, möglichst effizient zu sein und "Fälle" präzise beim Namen zu nennen. "Doch viele Fälle sind zunächst nicht klar definiert. Bei unklaren Beschwerden oder Schmerzen müssen wir erst einmal herausfinden, was der Patient braucht. Das ist natürlich aufwendiger als am Organ X die Behandlung Z durchzuführen und dafür den Kostensatz X in Rechnung zu stellen."

Bezahlt werde im Krankenhauswesen zwar nach Fallpauschale, aber der Mensch als Patient dürfe nicht zum Fall werden. "Als Schwester, Pfleger, Arzt muss ich mich auf den Menschen einlassen und darf ihn nicht auf eine Diagnose reduzieren. Dafür ist es freilich auch nötig, sich ein Stück weit vom reinen Budget-Denken frei zu machen."

In der Praxis wende man viel Zeit für Gespräche zwischen den Beteiligten auf. "Ärzte und Pflegekräfte müssen besprechen, was für den einzelnen Patienten das Beste ist. Für Kranke gibt's kein Schema F. Jeder Fall ist anders. Was für den einen gut und richtig ist, muss für den anderen nicht passen."

Diesem Ziel dient beispielsweise die Tumorkonferenz, in der alle Krebsfälle besprochen werden. "Man kann nicht alles selbst wissen und muss im Interesse des Patienten respektieren, dass die Kollegen auch etwas wissen und Dinge anders sehen als man selbst."

Ebenso wichtig wie die Gespräche unter Kollegen seien die mit dem Patienten, ihm die Möglichkeiten aufzeigen, ohne ihm eine Entscheidung aufzuzwingen, auch wenn das ein Mehr an Zeit und Geduld erfordert. "Als Weißkittel kann man fast alle Patienten zu allem überreden, wenn man das will. Aber das ist ja nicht Sinn der Sache."
Wenig bis gar keinen Diskussionsbedarf gibt es bei eindeutigen akuten Fällen, bei denen die Spezialisierung ein Segen für den Patienten ist. "Bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall weiß man, was zu tun ist. Da gibt es klare Strukturen und ein hochspezialisiertes Team, bei dem jeder Handgriff sitzt. Für den Patienten ist das unglaublich wertvoll."

Komplexes Problem erfordert Zeit

Doch bei vielen Patienten ist die Situation komplexer. "Bei einer Tumordiagnose zum Beispiel braucht man auch als Arzt Bedenkzeit. Ich muss abwägen, ob eine intensive Therapie mit einem breiten Spektrum an Nebenwirkungen die erste Wahl ist oder ob vielleicht nur palliativ die Symptome behandelt werden sollten. Erst dann kann ich eine sinnvolle Empfehlung geben." Kein Arztgespräch sei lang genug, "aber wir versuchen, das Optimum zu erreichen und eine vernünftige und faire Medizin zu machen".

Markus Ewald ist die Arbeit im Team wichtig: "Ich muss die Kollegen fragen: Was könnt ihr für den Patienten tun, welche anderen Möglichkeiten gibt es?" Neben der Therapie brauche der Patient auch eine kompetente Pflege und Beratung.

Gute Medizin könne nur anbieten, wer alle Bedürfnisse des Patienten berücksichtige. "Das muss man als Krankenhaus für seine Patienten wollen, und wir in Kulmbach wollen das, auch wenn der höhere Aufwand nicht bezahlt wird."

Vertrauen sichert den Erfolg

Wird der ganzheitliche Blick auf den Patienten in Zeiten der knappen Kassen dadurch zum Luxus? "Es droht, ein Luxus zu werden", sagt Ewald, "aber es ist auch eine Herausforderung, das trotzdem zu gewährleisten." Das Klinikum Kulmbach verfolge in diesem Punkt eine klare Strategie und fordere das Miteinander alle Beschäftigten ein. "Wir wissen, dass nachhaltiger Erfolg wichtiger ist als kurzfristiger Gewinn." Diesen Erfolg sichert das Vertrauen von Patienten, die sich im Klinikum gut aufgehoben fühlen. "Das erreicht man mit Konstanz und einer ruhigen Hand, nicht indem man ökonomischen Einsparungen hinterher hechelt."

Das bedeutet freilich nicht, dass die Kostenseite keine Rolle spielt: "Als Krankenhausleitung muss man sich überlegen: Wie wollen wir im Vergleich dastehen? Wir dürfen natürlich keine Verluste machen und müssen wirtschaftlich bleiben. Aber es wäre schlechte Medizin, nur Standards abzuarbeiten."