Innenstadt: Hindernis-Parcours für Rollstuhlfahrer

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Ein paar Zentimeter Bordsteinkante entscheiden darüber, ob Sven Werner eine Wegstrecke allein meistern kann oder Hilfe braucht. In der Negeleinstraße überwindet er die Barriere nur dank der Unterstützung von Dagmar Keis-Lechner. Fotos: Dagmar Besand
Ein paar Zentimeter Bordsteinkante entscheiden darüber, ob Sven Werner eine Wegstrecke allein meistern kann oder Hilfe braucht. In der Negeleinstraße überwindet er die Barriere nur dank der Unterstützung von Dagmar Keis-Lechner. Fotos: Dagmar Besand
Widersinnig: An der Parkplatzzufahrt in der Hardenbergstraße ist der Bordstein abgeflacht, am Fußgängerüberweg dafür extra hoch.
Widersinnig: An der Parkplatzzufahrt in der Hardenbergstraße ist der Bordstein abgeflacht, am Fußgängerüberweg dafür extra hoch.
 
Unbedacht parkender Autofahrer: Trotz abgeflachter Bordsteinkante ist hier für den Rollstuhlfahrer kein Weiterkommen.
Unbedacht parkender Autofahrer: Trotz abgeflachter Bordsteinkante ist hier für den Rollstuhlfahrer kein Weiterkommen.
 
Vom Rollstuhl hinters Steuer - für Sven Werner ein Kraftakt. Autofahren kann er dank Sonderausstattung selbst, um den Rollstuhl ein- und auszuladen braucht er jedoch Hilfe.
Vom Rollstuhl hinters Steuer - für Sven Werner ein Kraftakt. Autofahren kann er dank Sonderausstattung selbst, um den Rollstuhl ein- und auszuladen braucht er jedoch Hilfe.
 
Herta Grete ist 94 Jahre alt und mit Hilfe ihres Rollators noch gut zu Fuß. Wo es abgesenkte Bordsteinkanten gibt und ein relativ ebenes Pflaster, wie hier vor der Stadthalle, kommt sie ohne Hilfe zurecht.
Herta Grete ist 94 Jahre alt und mit Hilfe ihres Rollators noch gut zu Fuß. Wo es abgesenkte Bordsteinkanten gibt und ein relativ ebenes Pflaster, wie hier vor der Stadthalle, kommt sie ohne Hilfe zurecht.
 
Holprig, aber mit dem Rollator machbar: die Buchbindergasse.
Holprig, aber mit dem Rollator machbar: die Buchbindergasse.
 
Hindernisse auf dem Gehsteig erschweren das Vorwärtskommen.
Hindernisse auf dem Gehsteig erschweren das Vorwärtskommen.
 
Vorbildlich: Der Übergang zwischen Bordstein und Fußgängerüberweg vor der Stadthalle ist so flach, dass Herta Grete hier ohne Probleme gehen kann.
Vorbildlich: Der Übergang zwischen Bordstein und Fußgängerüberweg vor der Stadthalle ist so flach, dass Herta Grete hier ohne Probleme gehen kann.
 
 
Türen zu Geschäften zu öffnen, ist für Menschen mit Rollstuhl oder Rollator oft schwierig oder unmöglich. Doch die Kulmbacher helfen gern, freut sich Herta Grete.
Türen zu Geschäften zu öffnen, ist für Menschen mit Rollstuhl oder Rollator oft schwierig oder unmöglich. Doch die Kulmbacher helfen gern, freut sich Herta Grete.
 
Rillen und wechselndes Pflaster: Viele Stolperfallen für Gehbehinderte.
Rillen und wechselndes Pflaster: Viele Stolperfallen für Gehbehinderte.
 
Im Bereich des Busbahnhofs wurde an den Straßenübergängen an die Bedürfnisse der Rollstuhlfahrer gedacht.
Im Bereich des Busbahnhofs wurde an den Straßenübergängen an die Bedürfnisse der Rollstuhlfahrer gedacht.
 
Flacher Bordstein, breite Rillen im Gulli-Deckel. Wer hier mit dem Rollstuhl stecken bleibt, kommt allein nicht wieder heraus.
Flacher Bordstein, breite Rillen im Gulli-Deckel. Wer hier mit dem Rollstuhl stecken bleibt, kommt allein nicht wieder heraus.
 
Mühsamer Kraftakt für jeden, der einen Rollstuhl schiebt -und ein unkomfortabler Stoß für denjenigen, der im Rollstuhl sitzt.
Mühsamer Kraftakt für jeden, der einen Rollstuhl schiebt -und ein unkomfortabler Stoß für denjenigen, der im Rollstuhl sitzt.
 
Steile Auffahrt: Hier käme Sven Werner ohne fremde Hilfe niemals alleine hoch. Die abgeflachte Bordsteinkante nützt da nichts.
Steile Auffahrt: Hier käme Sven Werner ohne fremde Hilfe niemals alleine hoch. Die abgeflachte Bordsteinkante nützt da nichts.
 
 
Endstation für Herta Grete: In der Buchbindergasse ist der Gehweg oft zugeparkt. Durch diese Lücke kann sie sich nicht zwängen.
Endstation für Herta Grete: In der Buchbindergasse ist der Gehweg oft zugeparkt. Durch diese Lücke kann sie sich nicht zwängen.
 
Auf dem Kopfsteinpflaster stellen sich am Bordstein die Lenkräder quer: Nichts geht mehr, der Gehwagen muss angehoben werden.
Auf dem Kopfsteinpflaster stellen sich am Bordstein die Lenkräder quer: Nichts geht mehr, der Gehwagen muss angehoben werden.
 
 
 

Sven Werner ist seit einem schweren Autounfall auf den Rollstuhl angewiesen. Bei einer Tour durch die Stadt zeigt er der BR, wie schwer es Gehbehinderte haben, aus eigener Kraft von A nach B zu kommen. In einigen Bereichen wurden Probleme bereits entschärft, aber es bleibt viel zu tun.

Als er noch gesund war, konnte Sven Werner tun, wozu er gerade Lust hatte. Doch dann kam der schwere Autounfall 1995, und seither ist er auf den Rollstuhl angewiesen - und in vielen Lebenssituationen auf fremde Hilfe. Gerne wäre der 36-Jährige öfter selbstständig in der Stadt unterwegs, doch obwohl er geschickt mit seinem Gefährt hantiert, stößt er schnell an unüberwindbare Grenzen.

Hohe Bordsteinkanten, Gulli-Deckel mit breiten Zwischenräumen, geneigte Gehsteige, Kopfsteinpflaster - was Gesunden kaum auffällt, ärgert Sven Werner, der dabei nicht nur an sich selbst denkt: "Wer mit dem Rollator unterwegs ist oder einen Kinderwagen schiebt, hat ganz ähnliche Probleme.
Deshalb wäre es schön, wenn man wenigstens einen Teil der Hindernisse beseitigen könnte."

Dem 36-Jährigen ist wichtig, das Bewusstsein für Probleme zu schärfen: "Dass nicht alle schwierigen Stellen beseitigt werden können, ist ja klar. Da müsste man für viel Geld vieles neu bauen. Ich wäre schon zufrieden, wenn man an besonders stark frequentierten Überwegen Verbesserungen schaffen würde und bei Baumaßnahmen auch an die Rollstuhl- und Rollatorfahrer denken würde."


Ohne Begleitung keine Chance

Zu diesen besonders frequentierten Stellen gehören außerhalb des Innenstadtbereichs die Kreuzungen beim Landratsamt und Albert-Ruckdeschel-Straße/Kronacher Straße: "Ich würde ab und zu gerne mal zum Media Markt oder in eins der Geschäfte gegenüber zum Einkaufen gehen, wenn ich wegen meiner Physiotherapie in der Ecke bin, aber ohne Begleitung habe ich keine Chance." In der Negeleinstraße und Bauhofstraße scheitert Sven Werner an den hohen Bordsteinkanten, im Kreuzungsbereich Albert-Ruckdeschel-Straße / Saalfelder Straße sind diese zwar abgesenkt, aber das Gefälle von der Straße zum Gehsteig ist zu steil, um es aus eigener Kraft zu überwinden.

Ein Grundproblem begegnet Sven Werner überall: "Die meisten Gehsteige sind leicht geneigt. Einem gesunden Fußgänger ist das egal, aber mit Rollstuhl oder Rollator braucht man viel Kraft, um nicht auf die Straße abzudriften."

Gemeinsam mit Freunden wie Dagmar Keis-Lechner, selbst Mutter einer schwerbehinderten Tochter, macht sich der 36-Jährige Gedanken, was man besser machen könnte. Schritt eins ist eine Liste mit einer Bestandsaufnahme der Problemstellen, Schritt zwei die Überprüfung, ob und mit welchen Kosten diese zu beheben wären. Damit wollen sich die Betroffenen dann auch an die Stadt wenden. Die ist für die Initiative sehr aufgeschlossen und wird sich mit allen Vorschlägen und Anregungen gründlich auseinander setzen, so Andrea Mandl von der Pressestelle. "Wir bemühen uns, Verbesserungen zu erreichen, wo immer es möglich ist."


Bedürfnisse sehr unterschiedlich

Leider sei es oft so, dass man es nicht allen gleichzeitig recht machen könne. Während für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen absolut barrierefreie Wege der Wunschtraum wären, sind für Sehbehinderte gewisse Schwellen zusätzlich zu Ampeln mit akustischen Signalen wünschenswert, um sich im Straßenverkehr zu orientieren. "Einen guten Kompromiss haben wir beim neuen Fußgängerüberweg in der Pestalozzistraße gefunden: Da wurde der Bordstein flach abgesenkt und eine Ampel mit Akustiksignal für Gehbehinderte installiert."

Bei Neubauten und Sanierungen achte die Stadt immer auch auf die Bedürfnisse von Behinderten: "Das umgebaute Rathaus ist barrierefrei, ebenso der Zugang zum neuen Stadtwerkegebäude und zur Tourist-Info. Auch die behindertengerechte Toilette am Zentralparkplatz werde den speziellen Bedürfnissen gerecht. "Bei historischen Nebengebäuden tun wir uns freilich schwer, etwas zu verändern, und auch das Kopfsteinpflaster in der Altstadt muss man so akzeptieren, wie es ist."

Zu kämpfen haben damit vor allem viele Senioren, die in der Innenstadt wohnen. Herta Grete ist eine von ihnen. Die 94-Jährige lebt im Bürgerhospital und erledigt täglich kleine Besorgungen mit dem Rollator. Das kleine Gefährt gibt ihr Sicherheit beim Gehen, "aber auf den Pflastersteinen geht es sehr schlecht". Froh ist Herta Grete, dass zumindest in einigen Bereichen durch abgesenkte Bordsteinkanten und ebene Bodenbeläge Hindernisse aus dem Weg geräumt wurden. Vorbildlich findet sie den Fußgängerüberweg vor der Stadthalle: "Der ist schön eben." Schwierig dagegen Spitalgasse, Grabenstraße, Buchbindergasse und Marktplatz: "Das holpert gewaltig, und man bleibt mit den Rädern hängen."

Noch schlimmer aber findet sie Autos oder Lieferwagen, die auf den Gehwegen parken und so wenig Raum lassen, dass sie nicht mehr vorbei kommt.

Bei aller Kritik: Sowohl Herta Grete als auch Sven Werner haben auch Lob zu vergeben: Sie erkennen die Bemühungen der Stadt an, Probleme zu sehen und zu lösen, und sie sind dankbar für die Menschen, die spontan helfen - ob es nun ums Aufhalten einer Tür geht oder um ein paar zupackende Hände, wenn Rolla tor oder Rollstuhl einen Extra-Schubs brauchen.


Überall lauern Stolperfallen

Altstadt Kopfsteinpflaster ist der Alptraum jedes Gehbehinderten, ob er nun mit Gehstütze, Rollator oder Rollstuhl unterwegs ist. Die Buckelpiste kostet Kraft. "200 Meter empfindet man da schon als richtig weite Strecke", sagt Silvia Bauernfeind, Sozialpädagogin im Bürgerhospital, die immer wieder Bewohner auf diese Weise befördern muss. Der Rollstuhlfahrer selbst wird dabei ordentlich durchgeschüttelt. "Das ist sehr unangenehm", weiß Sven Werner. Herta Grete bleibt mit ihrem Rollator oft stecken, weil die Lenkräder blockieren.

Einkaufszentrum Fritz Der Zugang ist eben, die Türen gehen jedoch nach außen auf. Man muss Passanten bitten, die Tür aufzuhalten.

Vom "Fritz" Richtung Landratsamt oder Holzmarkt An mehreren Stellen ist die Bordsteinkante zwar abgesenkt, für Rollstuhlfahrer aber oft trotzdem noch zu hoch oder wegen des starken Gefälles nicht zu bewältigen. In der Hardenbergstraße gibt es Absenkungen für Autofahrer an allen Zufahrten zu Parkplätzen, am Fußgängerüberweg gegenüber der Stadtbücherei ist dagegen die Bordsteinkante extrem hoch.

Pestalozzistraße Vorbildlich ebener Übergang bei der Niko laikirche, doch im Gulli-Deckel bleibt der Rollstuhl stecken.