Ministerpräsident Horst Seehofer ist unterwegs in einer Mission: Bayerns Bürger für Europa erwärmen - und die Europawahl am 25. Mai. Am Montagabend machte der Landesvater zusammen mit Oberfrankens Parlamentskandidatin Monika Hohlmeier Station in Kulmbach.
Ob er Bushido gehört hat auf der Fahrt nach Kulmbach? Horst Seehofer und Gangster-Rap: Klingt komisch, ist aber angeblich so. Der Ministerpräsident hat in einem Interview erwähnt, er ziehe sich bei seinem Sohn mitunter die Rap-Töne des Deutsch-Türken rein. Multi-Kulti und Seehofer? Spätestens jetzt, mitten im Europa-Wahlkampf, schließt sich das überhaupt nicht mehr aus.
Das betont der Landesvater auch, kurz nachdem er am Montagabend um 19 Uhr vor die Besucher in der Kulmbacher Stadthalle tritt. "Ich bekenne mich klar zu einem Europa der Vielfalt." Ganz staatsmännisch steht er vor dem illuminierten Tresen. "Seehofer direkt Europa" leuchtet auf, das Motto seiner Wahltour durch Bayern. Der Rücken ist durchgedrückt, kerzengerade. Manchmal im Wiegeschritt wippt der Landesvater über die Bühne, während er von der Arbeitnehmer-Freizügigkeit in der EU spricht.
Für die trete er ein, aber auch für die Bekämpfung von Missbrauch, wenn einer nur staatliche Leistungen einfordert, ohne selber leistungsbereit zu sein. Das Wort "Armutszuwanderung" fällt in dem Zusammenhang nicht.
Grundübel Jugendarbeitslosigkeit Betont langsam spricht Seehofer, murmelt bisweilen beschwörend, so beim Thema Beschäftigung. Als eine der größten Herausforderungen sehe er die hohe Jugendarbeitslosigkeit vor allem in den südlichen EU-Ländern. "Es muss auch im ureigenen Interesses Bayern liegen, diesen Menschen unter die Arme zu greifen. Wenn durch Beschäftigungsverlust ganze Märkte brach liegen, spürt das natürlich ganz unsere Exportwirtschaft."
Andererseits sei es "ein schlechter Treppenwitz aus Brüssel", wenn Deutschland für seine wirtschaftliche Stärke auch noch gerügt werde.
"Den schwachen Ländern ist nicht gedient, wenn die Starken künstlich geschwächt werden." Ernste Miene beim Ministerpräsidenten. Dann wieder begleitet ein Lächeln manche Äußerungen. Etwa die, dass er im Zuge der ganzen Energiewende-Diskussion gelernt hat, dass das, was die Sonne auf dem Hausdach einfängt, nicht Kollektor heißt, sondern Modul.
Erneutes Nein zur Stromtrasse Energiewende - in der Region bisweilen Reizthema nicht zuletzt wegen der als "Monstertrasse" verschrienen Stromautobahn direkt durch Oberfranken. Seehofer wiederholt sein Nein zu den Plänen des Netzbetreibers Amprion. "Wir schalten doch nicht die Atomkraftwerke ab, um als Ersatz dafür in giftigen Braunkohlestrom zu investieren. Ich will die Energiewende, aber nicht um jeden Preis.
Wir wollen unsere schöne Heimat bewahren." Beifall.
Applaus auch aus der ersten Reihe, in der CSU-Bezirksvorsitzender Hans-Peter Friedrich sitzt. Er hatte für Hausherr Henry Schramm die Begrüßung übernommen und vorab ein bisschen Stimmung gemacht gegen den "leicht Bärtigen von den Sozialisten". Gemeint ist Martin Schulz, Kandidat für den Vorsitz der EU-Kommission. "Die Vergemeinschaftung von Schulden über Eurobonds, wie Schulz und seine Parteikollegen propagieren, wird's mit uns nicht geben."
Seehofer nimmt den Ball auf. "Wir brauchen ein besseres Europa, was auch heißt: ein verlässlicheres für Bayern." Das steht auch als Slogan auf den Plakaten vor der Halle und in der Stadt.
Besser heißt für Seehofer: "Wir als CSU stehen für ein Europa der Regionen, die in ihrer Unabhängigkeit gestärkt werden müssen." Zentralismus und Regelungswut entfernten die Menschen von der Idee eines vereinten Europas und trieben sie nur den rechten Rattenfängern zu.
Brüssel müsse die Rahmenbedingungen vorgeben, wo es um die großen Zusammenhänge gehe: eine gemeinsame Friedenspolitik beispielsweise, eine Regelung der Flüchtlingsströme oder für alle verbindliche Vorgaben zum Klimaschutz.
Hände weg vom Trinkwasser! Die Abgeordnete Monika Hohlmeier pflichtet ihm bei: "Es gibt genügend Spielfelder, auf denen sich Brüssel tummeln kann.
Die funktionierende Trinkwasserversorgung hier zu Lande gehört definitiv nicht dazu." Wenn sich die Abgeordneten aber um einheitliche Größen von Baumkronen zankten (in Analogie zum Krümmungsgrad der Gurke), sei dem europäischen Gedanken ein Bärendienst erwiesen. "Wo wir die Stärken einer grenzüberschreitenden Kooperation sinnvoll ausspielen können, dann ist das bei der schwierigen Kriminalitätsbekämpfung", betont die Wahl-Staffelsteinerin. Wenn dem Crystal-Schmuggel aus Tschechien wirksam begegnet werden soll, funktioniere das nur über einheitliche Strafrahmen in den Mitgliedsstaaten und ein gemeinsames Beweissicherungsverfahren. Andererseits wiederum solle sich Brüssel hüten, Vorstöße etwa zur Gentechnik allen 27 Mitgliedern überzustülpen - noch dazu gegen den Willen der Bevölkerung.
Als die Abgeordnete dann ausführlicher über Paragrafen und Vorgaben referiert, haben manche in der Halle ihre Gähn-Technik nicht mehr ganz unter Kontrolle.
Überhaupt verliert sich das "Bürger fragen, Politiker antworten"-Spiel gelegentlich in zu viel persönlichen Befindlichkeiten. Sicherlich wichtig etwa das Anliegen des Wärmepumpenbauers, der Fachkräfte braucht. Oder der Berufsbetreuerin, die sich für eine europaweite Anerkennung bayerischer Bildungsabschlüsse einsetzt. Doch auf einen Fünf-Minuten-Monolog über den privaten Lebenslauf einer Waischenfelderin haben im Saal sicher nicht alle gewartet.
Wie viel Jahre Gymnasium? Schul-Bildung ist (neben der Aus-Bildung) übrigens auch Diskussionsstoff. Einer mit ganz konkretem Ausgang sogar. Als Seehofer im Saal abstimmen lässt: "Wer ist für G8 und wer für G9?", hält sich das Ergebnis die Waage. "Dacht' ich mir schon", sagt der Politiker lächelnd, "es bleibt eine schwierige Entscheidung." Nicht die einzige mit Blick auf 27 verschiedene Bildungssysteme in der EU.