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Fränkischer Fußballverein will Spieler vor Abschiebung retten - dann kommt Wahrheit ans Licht


Autor: Ralf Welz, Manuel Dietz

Kulmbach, Montag, 22. April 2024

Im Raum Kulmbach wollte ein Fußballverein seinen Spieler vor dessen Abschiebung bewahren. Doch nun erklärt der Klub, der 24-Jährige habe "sein Bleiberecht in Deutschland selbst verwirkt". Was ist geschehen?
"Wir sind traurig über diese Entwicklung, die alle im Verein überrascht hat", hält der Fußballverein aus Oberfranken angesichts der unerwarteten Wende fest.


In einem öffentlichen Statement zeigte sich ein Fußballverein aus dem Landkreis Kulmbach bestürzt. Im Klub herrsche "Fassungslosigkeit", erklärten die Verantwortlichen. Auslöser waren die Geschehnisse rund um einen Spieler aus den eigenen Reihen. Wie man erfahren habe, sitze ein "Sportkamerad und aktives Mitglied" des Vereins "seit heute Morgen in Asylabschiebehaft", hieß es in dem am Donnerstag (18. April 2021) veröffentlichten Beitrag. "Der 24-Jährige, der aus dem kurdischen Teil des Iraks stammt, lebt seit 2015 in Deutschland." Doch jetzt soll der Spieler die Bundesrepublik verlassen.

Freunde und Mannschaftskollegen seien "geschockt über das Vorgehen der Behörden", betonte der Sportverein. Inzwischen sieht man den Fall allerdings in einem anderen Licht. "Wir sind traurig über diese Entwicklung, die alle im Verein überrascht hat", halten die Funktionäre nunmehr fest. Auch der Kulmbacher Landtagsabgeordnete Rainer Ludwig (Freie Wähler) zeigt sich perplex. "So einen außergewöhnlichen Fall, der sich so schnell ins Gegenteil gewandelt hat, habe ich in all den Jahren, die ich mittlerweile in der Politik tätig bin, noch nicht erlebt", betont er im Gespräch mit inFranken.de.

"Sofort stutzig gemacht": Abschiebung aus dem Nichts? Kulmbacher Politiker meldet Zweifel an

Zwischen der ursprünglichen Äußerung des oberfränkischen Fußballvereins und seiner erneuten Stellungnahme zu dem Fall liegen gerade einmal eineinhalb Tage. In seinem Ausgangsbeitrag schilderte der Klub, dass der "sympathische" junge Mann seit gut einem halben Jahr in Diensten des Fußballvereins stehe, wo er regelmäßig in der zweiten Mannschaft zum Einsatz komme. Der 24-Jährige spreche gut deutsch und sei zuletzt als Vorarbeiter bei einem Industriehersteller tätig gewesen. "Dort wurde ihm vor gut einem Jahr aus unbekannten Gründen die Arbeitserlaubnis entzogen, folglich ist er seitdem beschäftigungslos", erklärte der Verein.

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"Bis kommenden Mittwoch besteht die Möglichkeit, ein Umdenken zu bewirken", hieß es mit Blick auf die drohende Abschiebung. Dafür täten die Verantwortlichen des Sportvereins "alles Menschenmögliche", so der Fußballverein anfänglich. Mittlerweile beurteilt man die Angelegenheit aber vollkommen anders. Warum die plötzliche Kehrtwende? Was ist passiert? Politiker Rainer Ludwig äußert sich im Gespräch mit inFranken.de zu den Hintergründen. Von dem Fall habe er selbst durch Zufall aus den Medien erfahren, berichtet der Landtagsabgeordnete für die Region Wunsiedel/Kulmbach. Die Geschichte, von der der Fußballverein berichtet habe, habe auch ihn "emotional sehr berührt".

Dass es sich bei der besagten Abschiebung um "eine Art Nacht-und-Nebel-Aktion" handeln solle, habe ihn "aber auch sofort stutzig gemacht", sagt Ludwig. "Eine Abschiebung kommt nämlich nicht einfach aus dem Nichts." Dennoch habe er Kontakt mit dem betroffenen Verein aufgenommen, um zusammen mit dessen Verantwortlichen zu besprechen, wie die Abschiebung möglicherweise doch noch abgewendet werden könne. Auch dort habe er zugleich die Vermutung geäußert, "dass irgendetwas an der Sache nicht ganz stimmen konnte", erzählt der 62-Jährige. "Trotzdem haben wir sofort alle Hebel in Bewegung gesetzt."

Anruf zeigt: Krimineller ist seit Jahren ausreisepflichtig - Kooperation mit Behörden verweigert

Am Freitag (19. April 2024) habe er dann einen Anruf aus dem vom Innenministerium erhalten, der seine Vermutungen bestätigt habe, berichtet Ludwig. "Mir wurde gesagt, dass der Betroffene eigentlich bereits seit 2019 zur Ausreise verpflichtet war." Er weigere sich seitdem, mit den Behörden zu kooperieren und bei einer Identitätsfeststellung mitzuwirken.

"Konkret heißt das, dass er wahrscheinlich keinen beziehungsweise einen falschen Pass hatte und auch nicht bereit dazu war, sich um die Beschaffung von Ersatzpapieren zu kümmern", konstatiert der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler. "Das war im Übrigen auch der Grund, warum ihm vor gut einem Jahr seine Arbeitserlaubnis entzogen wurde." Auch jenseits davon handelt es sich bei dem 24-jährigen Amateurfußballer in Polizeikreisen offenkundig um kein unbeschriebenes Blatt.

"Der Grund, warum diese ganze Geschichte überhaupt ins Rollen kam, ist, dass der junge Mann aufgrund von 13 Fällen des Betäubungsmittelhandels und Drogenbesitzes vorbestraft war und bereits zu einem Jahr Jugendstrafe verurteilt wurde", sagt Ludwig. Zuvor hatte er demnach im Rahmen des Asylverfahrens ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zugesprochen bekommen. "Durch sein Verhalten hat er sich das aber selbst verbaut, was ihm nun zum Verhängnis geworden ist", betont der Politiker. 

"Abschiebung kaum zu verhindern": 24-Jähriger soll noch diese Woche Deutschland verlassen

Die Vorzeichen des Falls haben sich dadurch augenfällig grundlegend verändert. "Unter diesen Aspekten ist eine Abschiebung kaum zu verhindern, da sind die deutschen Behörden rigoros", so Ludwig. "Da hat man auch bei allem Wohlwollen keine Chance. So wie es jetzt aussieht, wird er im Zuge einer Sammelabschiebung am 24. April in den Irak abgeschoben", hält der Abgeordnete in Bezug auf den 24-Jährigen fest. "Eine kleine Perspektive gibt es aber dennoch", sagt Ludwig.

"Wie mir das Innenministerium mitteilte, bestehe für ihn noch die Möglichkeit, freiwillig auszureisen, wie er es eigentlich bereits seit 2019 hätte tun müssen." In diesem Fall müsste er sich demnach selbst ein Ticket besorgen und zurück in den Irak fliegen. In seiner Heimat könnte er dann wieder ein Visum beantragen und anschließend erneut in Deutschland einen Asylantrag stellen.

Ludwig zufolge müsste dem allerdings zunächst die Regierung von Oberfranken zustimmen. "Nach meiner Einschätzung wird sie das aufgrund des vorliegenden Sachverhalts aber wohl kaum tun", vermutet der Abgeordnete.

"Bleiberecht selbst verwirkt": Fußballverein beendet Engagement "mit sofortiger Wirkung"

Der Fußballverein des 24-Jährigen hat indessen prompt auf die neue Ausgangslage reagiert. Der Klub stelle seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der Abschiebung des Spielers "mit sofortiger Wirkung" ein, verkündeten die Funktionäre am vergangenen Freitagnachmittag (19. April 2024) in einem neuerlichen öffentlichen Statement. "Nach gesicherten Erkenntnissen des Innenministeriums hat sich unser Aktiver mehrfach schwerwiegend fehlverhalten und somit sein Bleiberecht in Deutschland selbst verwirkt. Und das, obwohl er nach Abschluss des Asylverfahrens einen festen Aufenthaltstitel bekommen hätte", erklärt der Verein.

Hinsichtlich der unerwarteten Wende zeigen sich die Verantwortlichen merklich enttäuscht. An seiner ursprünglichen Intention hält der Klub gleichwohl fest. "Wir stehen aber zu unserem Handeln", betont der Verein. Hätte sich herausgestellt, dass der Spieler "eine weiße Weste hat und wir hätten von Vereinsseite aus nicht oder zu spät reagiert, wäre das unserem Anspruch" als Vereinsfamilie "nicht gerecht geworden", konstatiert der Fußballverein aus dem Landkreis Kulmbach.

Im Bamberger Ankerzentrum leben derweil aktuell so wenige Menschen wie lange nicht. "Zum ersten Mal seit langer Zeit" liege die Belegung wieder unter 1500, berichtet eine Sprecherin der Regierung von Oberfranken. In Deutschland ist die Anzahl der Asylanträge im ersten Quartal 2024 spürbar zurückgegangen. "Das zeigt, dass unser Handeln wirkt", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Weitere Nachrichten aus dem Kreis Kulmbach findet ihr hier.