Ein Mitglied der Bewegung will Weltbilder erschüttern und spricht über die Gedankenwelt der Szene in Franken, die sich regelmäßig in Kulmbach trifft.
Unser Treffen ist konspirativ. Nicht in
Kulmbach. Ein Hotel in der Region soll es sein. Das Lokal schlägt der Informant vor. Der Mann, der in Oberfranken lebt und arbeitet, hat "eine Story" zu bieten - "über Reichsbürger, über die Hintergründe, Beweggründe und Gedankengänge. Ich versichere Ihnen, das wird auch Ihr Weltbild erschüttern."
Das Gespräch findet im Nebenzimmer statt. Außer uns ist der Raum, eingerichtet im Stil der achtziger Jahre, leer. Die Tür bleibt geschlossen. Der Mann - etwa 50 Jahre alt, wohlhabende Mittelschicht - ist in dem Hotel offenbar nicht unbekannt.
Ein Koffer voller Unterlagen
Seine Einschätzung, "dass wir nicht in einer Stunde fertig sein werden und uns etwas Zeit nehmen sollten", trifft zu. Er gibt sich gleich als "Reichsbürger" zu erkennen. Aber er sei nicht "rechtsextrem", und Gewalt lehne er ab. Er hat einen Koffer voller Unterlagen dabei. Auch seinen "gelben Schein" - jenen ominösen Staatsangehörigkeitsausweis, der in der Gedankenwelt der "Reichsbürger" so eine große Rolle spielt. Denn sie glauben, dass das Deutsche Reich weiterexistiert. Sie berufen sich auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 und lehnen die Bundesrepublik und ihre Staatsorgane ab. Der Informant nennt das jetzige Deutschland einen "Verein, der einen Teil des Deutschen Reichs verwaltet". Andere Teile stünden unter russischer und polnischer Verwaltung.
Diese Mischung aus staatsfeindlichen Gedanken, rechten Parolen, Verschwörungstheorien und juristischem Halbwissen existiert schon seit den achtziger Jahren. Ins
Visier der Sicherheitsbehörden und des Verfassungsschutzes sind die "Reichsbürger" durch die tödlichen Schüsse auf einen Polizisten vor fünf Wochen in Georgensgmünd (Landkreis Roth) geraten.
Rechtsextreme und Querulanten
Die Beobachtung der Szene ist kompliziert. Laut Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gibt es keine einheitliche Struktur und Hierarchie, sondern verschiedene Gruppen und Einzelpersonen mit unterschiedlichen Motiven. Er beschreibt die "Reichsbürger" so: teilweise Rechtsextremisten, die einen anderen Staat wollen; teilweise Geschäftemacher, die für 100 Euro Reisepässe des Deutschen Reichs verkaufen wollen; teilweise Spinner und nicht zurechnungsfähige Leute oder Querulanten.
Gibt es auch in Kulmbach "Reichsbürger"? Ja, sie sind mitten unter uns. In einer hiesigen Gastwirtschaft beobachtet ein Kulmbacher "sehr seltsame Leute". Ihm fallen Autokennzeichen von Fürth bis Kronach und von Bad Staffelstein bis Bayreuth auf. Und auf Nachfrage erfährt er, dass es sich um den Stammtisch "Der gelbe Schein" handelt, der sich jeden Montagabend trifft.
Kulmbach ist der Treffpunkt der fränkischen Szene
Ein Blick auf die einschlägigen Internetseiten beweist: Kulmbach ist der Treffpunkt der fränkischen Szene. In Nordbayern existiert sonst nur noch ein nicht zu lokalisierender Stammtisch "Oberfranken". Ansprechpartner in Kulmbach ist ein gewisser "Marco", der per E-Mail erreichbar ist.
Der Informant kennt den Kulmbacher Stammtisch. Er gehört selbst dazu. Es handele sich um eine Gruppe von bis zu 30 Personen, sagt er. Und: "Lauter normale Leute, die auch Steuern zahlen". Ihr Credo: dass in Deutschland immer noch die Gesetze der Besatzungsmächte gelten, dass es keinen Friedensvertrag gibt und keine Verfassung, über die das Volk abgestimmt hat. Es fehle also die Legitimation, Steuern und Abgaben von den Bürgern zu verlangen.
Dabei wird verkannt, dass das Grundgesetzt seit 1990 als Verfassung im wiedervereinigten Deutschland gilt. Und dass der Zwei-plus-Vier-Vertrag nichts anderes ist als eine Friedensregelung - anerkannt von den zwei deutschen Staaten und den vier Siegermächten.
Seine Wahrheit
Während unser Mann Mineralwasser trinkt und Kuchen isst, spricht er von "Volksverdummung" und sagt nicht ohne missionarischen Eifer: "Das System ist auf Lug und Trug aufgebaut." Nebulös wie seine Erklärung, warum er sich der Bewegung angeschlossen hat, bleibt auch seine Antwort auf die Frage, was sich für die Menschen ändern und verbessern würde, wenn die Forderungen der "Reichsbürger" erfüllt würden. Er meint: "Jetzt geht es uns noch gut. Aber wie lange noch?" Mehr als diese vage Vermutung einer Verschwörung gibt seine Wahrheit wohl nicht her.
Er hat sich neben dem "gelben Schein" auch für jede seiner Immobilien eine Apostille ausstellen lassen. Also eine Beglaubigungsurkunde, die international anerkannt wird und im Zuge der Globalisierung den weltweiten Rechtsverkehr vereinfacht. Er glaubt, damit sein Eigentum gegen den Zugriff irgendwelcher Mächte absichern zu können.
Willkommen am Stammtisch?
Jedenfalls will sich unsere Kontaktperson darum bemühen, ein Treffen mit dem Stammtisch zu arrangieren. Aber ein Journalist ist dort nicht willkommen. "Aus privaten Gründen", wie es ein paar Tage später in der schriftlichen Absage heißt. Die fränkischen "Reichsbürger" bleiben lieber unter sich.
Nach gut zwei Stunden räumen wir das Nebenzimmer des Hotels. Das Gespräch ist höflich und sachlich verlaufen. Der Insider bietet weitere Informationen an. "Sollten Sie noch Fragen haben ..." Ob er gemerkt hat, dass ein paar verschwurbelte Phrasen nicht ausreichen, um Weltbilder zu erschüttern?
mhmmm
Ich glaube dieser Beitrag wurde mit heißer Nadel und aufreißerisch gestrickt. Hier wird Stimmung gemacht.
@adolphcd liegt voll und ganz richtig
Die Staatsangehörigkeit wird zweifelsfrei nur durch den "Gelben Schein" belegt. Personalausweis und Reisepass, nachzulesen auf verschiedenen Seiten unserer Bundesländer, legen nur den Verdacht nahe, dass der Inhaber Deutscher ist. Und der Nachweis nach RuStaG 1913 ist das Sahnehäubchen der Nachweismöglichkeit.
"Grundgesetz FÜR die Bundesrepublik Deutschland", 1949 anhand Vorgaben der Siegermächte verfasst, mittlerweile x-mal geändert ist ein Ersatzwerk bis das Volk dem Staat eine Verfassung gibt. Eine Umbenennung des Grundgesetz... nach Verfassung... ist nie erfolgt und kann rechtlich auch nicht sein.
Friedensvertrag? - da müssen tolle Nachrichten an mir vorbei gegangen sein. Wir befinden uns nach wie vor im Kriegszustand, Besatzungsrecht und HLKO treffen überlagern unsere Gesetze. Wir zahlen jährlich horrende Summen für die Besatzungstruppen. Bei der UN sind wir als NGO (mittlerweile durch nichts ersetzt) geführt, wir sind ein Feindstaat.
Apostille für Immobilien - hier kann ich mir vorstellen, dass eine mögliche Beschlagnahmung erschwert/verhindert wird. Laut Sieger- und Besatzungsrecht, dem wir unterliegen, kann jederzeit ein jegliches Objekt beschlagnahmt werden. Durch die Apostille könnte die HLKO vorrangig sein und (so vermute ich) Beschlagnahmung ausschließen.
Aaaach ne... ein Reichsbürger in freier Wildbahn...
@Der Doktor
Wie kommen Sie darauf ich sei ein freilaufender Reichsbürger? Also ich fahre Bamberger Kennzeichen und habe auch keinen Reichsausweis. Es ging hier um den sogenannten "Gelben Schein" und dazu sind die Ausführungen von @adolphcd und meine zutreffend.
Da Sie scheins ungern recherchieren:"Deutschen kann auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsurkunde ausgestellt werden, mit der der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird" - siehe: https://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/92109883264
Wenn Sie mir einen Eintrag bei UNO/UN aufzeigen, der die BRD als Regierung bezeichnet will ich's glauben, ebenso hinsichtlich Friedensvertrag.
Hm, Sie machen sich die Argumentation der Reichsbürger zu Nutze, wollen aber keiner sein. Also was aussieht wie ein Zebra und läuft wie ein Zebra soll ein Elefant sein? Wunder über Wunder...
@ Der Doktor,
ich mache mir keine Argumente zu eigen, ich lese die Gesetze.
Wo bleiben Ihre Argumente?
Es grüßt der Zebraelefant