Kaum sind die Corona-Beschränkungen gelockert, treffen sich Hunderte in der Oberen Stadt. Die Behörden dulden das zunächst noch, sind aber wachsam.
Dicht gedrängte Menschenmassen in der Oberen Stadt. Überwiegend junge Leute zieht es jetzt vor allem am Wochenende wieder an den beliebten Treffpunkt. Jeweils rund 300 sind es am vergangenen Wochenende an den Abenden. Man fühlt sich an den Heiligen Frühschoppen erinnert, im Juni statt im Dezember - und noch immer in Pandemie-Zeiten, auch wenn die niedrigen Inzidenzwerte inzwischen mehr Freiheit erlauben.
Doch ist das nicht schon zu sorglos? Autofahrer schlängeln sich im Schritttempo zwischen den Pulks hindurch, auch die Polizei, die Präsenz zeigt, aber bei diesen Personenzahlen nicht von jedem Personalien und Impfbescheinigungen abfragen kann. Zehn Personen aus beliebig vielen Haushalten dürfen sich ja ganz legal im Freien treffen, Genesene und Geimpfte nicht mitgerechnet. Wer da gerade mit wem unterwegs ist, das ist extrem schwer zu kontrollieren, sagt Klaus-Peter Lang, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Kulmbach.
Polizei appelliert an die Vernunft
Wohl ist ihm beim Anblick des abstandslosen Feierns in großen Gruppen nicht. Strenges Durchgreifen ist jedoch auch nicht seine Wunschvorstellung. Lang appelliert an die Vernunft jedes einzelnen. "Sinnhaftig ist das wahrlich nicht, jetzt so zu tun, als wäre Corona schon vorbei."
Natürlich habe die Polizei Verständnis dafür, dass die Menschen nach dem langen Lockdown wieder raus und sich mit anderen treffen möchten, allen voran die Jungen. Aber den Verstand dürfe man trotzdem nicht abschalten. "Wenn in so einer Menge zwei oder oder drei Corona-Positive dabei sind, schnellen die Fallzahlen in die Höhe. Dann ist es mit einem Schlag wieder vorbei mit den Freiheiten."
Unabhängig von der Pandemie gehe es auch um Rücksicht auf andere, nicht zuletzt auf die Menschen, die in der Oberen Stadt wohnen. Ein Unrechtsbewusstsein bei den Feiernden in der Oberen Stadt sei jedenfalls nicht zu spüren, sagt Lang. "Da erschrickt niemand und denkt: Huch, da ist die Polizei. Da sollten wir vielleicht etwas mehr Abstand halten."
Die Gaststätten entlang der Straße haben für die Außengastronomie Tische und Stühle zur Verfügung. Sie dürfen nur bewirten, wer einen Sitzplatz hat. Reingehen, sich etwas zu trinken holen, und draußen im Stehen konsumieren, das ist derzeit nicht erlaubt.
Die jungen Leuten auf der Straße wollen aber gar nicht in die Kneipe. Sie haben ihre Getränke in Rucksäcken dabei, manches Grüppchen hat gleich einen ganzen Bierkasten an einem unauffälligen Platz gebunkert, aus dem sie sich mit Nachschub versorgen. Die Hinterlassenschaften finden sich am nächsten Morgen auf der Straße. Die Scherben zerbrochener Flaschen sind für Fußgänger und Radler eine Gefahr.
Die Gastronomen im Umfeld der Straßenparty sehen die Entwicklung mit Bedenken. Zwar stören die friedlich Feiernden ihre Gäste nicht, aber Grund zur Sorge haben sie trotzdem. "Es geht wieder los wie im letzten Jahr", fürchtet Matthias Wuschek, Inhaber und Geschäftsführer des "Casablanca". "Damals hat sich das jede Woche gesteigert. Es wäre blöd, wenn sich das wiederholt. Die Zahl der um Mitternacht auf der Straße Feiernden hat seinerzeit mit jeder Woche zugenommen. Es wäre traurig, wenn sich das erneut so hochschaukelt und dann Maßnahmen ergriffen werden, die alle treffen, auch unbeteiligte Gastronomen und deren Gäste."
Er sei sehr froh, dass nun wieder eine Außenbewirtung der Gäste möglich sei: "Es ist total schön, nach sieben Monaten wieder Menschen im Casablanca zu sehen. Und es funktioniert auch gut. Unsere Gäste haben sich dran gewöhnt, dass draußen irgendwann halt Schluss sein muss und man aktuell drinnen noch nicht am Tresen weitermachen darf."
Lässt sich das Problem der abendlichen Straßenpartys lösen? "Nur wenn man die Bildung großer Gruppen auf der Straße frühzeitig am Abend unterbinden, bevor überhaupt so viele Leute zusammengekommen sind", sagt Wuschek. Das habe auch im vergangenen Jahr gut funktioniert." Der Gastronom gönnt allen jungen Leuten ihren Spaß. "Aber die Obere Stadt ist der unpassendste Ort dafür. Man muss sich doch nicht zu zweihundertst treffen. Kleinere Gruppen, die sich aufs Stadtgebiet verteilen, vom Entenweiher bis zum Stadtpark - das würde die Sache entspannen."
"Die Leute sind ausgehungert"
Was sagen die Behörden zu der Entwicklung? Das Landratsamt hat die Situation im Blick und ist dazu auch im steten Austausch mit Stadt und Polizei.
Bislang gab es aber keine größeren Probleme wie Randale, Sachbeschädigungen, Handgreiflichkeiten oder Ähnliches, so dass man das Ganze derzeit relativ entspannt sieht.
"Es ist ja verständlich, die Leute sind ausgehungert und wollen raus, und das Wetter spielt auch mit", so Oliver Hempfling, Leiter des Corona-Krisenstabs am Landratsamt. Trotzdem ist die Pandemie noch nicht vorbei, und es gibt immer noch Regeln, die man beachten muss. Aktuell dürfen sich zehn Leute ohne Abstand treffen. Solange der 7-Tage-Inzidenzwert stabil niedrig bleiben, ist auch das Feiern in der Oberen Stadt aus Sicht der Behörde noch okay.
"Wenn die Zahlen allerdings wieder steigen sollten, dann wird man sich genau anschauen müssen, wo das herkommt", sagt Oliver Hempfling. Und dann müsste man sich auch überlegen, wie man die Situation wieder in den Griff bekommt. Lokal begrenzte Maßnahmen, zum Beispiel eben Beschränkungen in der Oberen Stadt, würde die Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung in jedem Fall ermöglichen.
Jonas Gleich, Pressesprecher der Stadt, verweist darauf, dass es für die Obere Stadt - unabhängig von Corona-Maßnahmen - ein Alkoholverbot auf der Straße gibt. Das regelt die Innenstadtsatzung, die unter anderem Alkoholgenuss auf öffentlichen Plätzen im gesamten Zentrum untersagt. Außerdem ist darin ein Ausschank-Ende um 22 Uhr festgelegt. Auch wenn Lockerungen zur Fußball-Europameisterschaft einen Ausschank bis 23 Uhr oder länger erlauben, "hebt das nicht die geltenden Bestimmungen auf".
Von Anwohnern habe es bisher noch keine Beschwerden gegeben.