Beim Stallgespräch auf seinem Hof im Kulmbacher Ortsteil Gößmannsreuth zeigt Gerhard Reif, wie seine Ferkel aufwachsen. Die Landwirte appellieren an die Verbraucher, sich beim Fleischkauf nicht nur am günstigsten Preis zu orientieren. Nur faire Preise garantieren die Zukunft der Bauern.
Die Tür geht auf. Im Aufzuchtstall wird es unruhig. Die Ferkel quietschen und springen herum. Vollerwerbslandwirt Gerhard Reif aus dem Kulmbacher Ortsteil Gößmannsreuth ist erleichtert: "Wenn die Jungtiere lebhaft sind, dann sind sie gesund." Seinen Tieren soll es gut gehen in seinem Stall. Umso mehr ärgert es ihn und Kreisobmann Wilfried Löwinger vom Bayerischen Bauernverband, wie in manchen Medien über die landwirtschaftliche Tierhaltung und Tierzucht berichtet wird. "Da werden schlagzeilenträchtig Halbwahrheiten in die Welt gesetzt", empört sich Löwinger.
Falsche Behauptungen Aus seiner Mappe zieht er einen Leserbrief aus einer Tageszeitung hervor. Darin wird behauptet, dass in der deutschen Schweinemast systematisch Hormone eingesetzt werden. "Wer Bronchitis habe, brauche kein Penicillin mehr zu schlucken, sondern nur noch Schweineschäufele essen.
Und Sportler, die sich dopen wollen? Sie können über ein Steak Wachstumshormone zu sich nehmen. Das ist der größte Krampf, den ich je gelesen habe. Und so etwas schreibt ein Sportmediziner", schimpft der Kreisobmann.
Dem Verfasser des Leserbriefes scheine entgangen zu sein, dass die Hormonbehandlung von Mastschweinen in der Landwirtschaft seit 2006 verboten ist. "Lediglich bei Jungtieren wird in der Zucht der Rauschezyklus, also die Tage, in der ein Schwein trächtig werden kann, mit Hilfe von Hormonen gesteuert", stellt Tierarzt Stefan Gedecke klar. Das werde allerdings nur einmal gemacht - und zwar dann, wenn die jungen Sauen zum ersten Mal besamt werden.
Eine solche Hormongabe in einem strikt eingegrenzten Bereich bringt nach Ansicht des Experten mehrere Vorteile mit sich: Jung- und Altsauen könnten gemeinsam Ferkel bekommen. Dadurch sei ein Wurfausgleich möglich, bei dem einzelne Ferkel an fremde Sauen versetzt werden.
Dies reduziere die Tierverluste, und es erhöhe den Gesundheitsstatus, wenn Tiere einer Altersklasse in einem Abteil miteinander lebten.
Hormone nur in Ausnahmefällen Wie hält es der Gößmannsreuther Landwirt, der 180 Zuchtsauen und 5000 Ferkel sein eigen nennt, mit der Hormonbehandlung von Jungtieren? "Nur in Ausnahmefällen setze ich sie ein." Mit gezielter Beobachtung erreiche man den gleichen Effekt. Das komme billiger, sei aber zeitaufwendiger, so der Bauer.
Auch ein anderes Thema wird beim Stallgespräch nicht unter den Teppich gekehrt: Die gestiegenen Anforderungen an die Tierhalter. Diese treiben laut Gedecke die Produktionskosten in die Höhe. Gleichzeitig wünsche sich der Verbraucher, getrieben von einer "Geiz-ist Geil-Mentalität", immer billigeres Fleisch.
"Eine Kostendeckung ist hier nicht mehr möglich", stellt Gedecke fest, der auf die schwierige Erlössituation in den vergangenen Jahren hinweist.
Ein Teufelskreis Dieser Teufelskreis, darin sind sich die Teilnehmer des Stallgespräches einig, senke die Investitionsbereitschaft und fördere den Strukturwandel. An die Verbraucher appellieren sie deshalb, ihr Kaufverhalten zu überdenken. "Denn damit bestimmen sie die Art der Produktion", macht der Tierarzt, der sich auf Schweine spezialisiert hat, deutlich. In regelmäßigen Abständen schaut er bei den Landwirten vorbei und begutachtet die Tiere. Eine solche Prophylaxe helfe, Kosten zu senken, so Gedecke.
Die Politik vertritt MdL Martin Schöffel. Der Landtagsabgeordnete teilt mit, dass Landwirtschaftsminister Brunner einen runden Tisch zur tiergerechten Haltung einrichten wolle: "44 Experten werden darüber diskutieren, wie man die Tierzucht noch stärker am Wohl des Tieres ausrichten könne."