Die Präsidentin des BLLV, Simone Fleischmann, spricht über die Situation vor Ort und bayernweit.
Hohen Besuch hatte die Verbandsschule mit BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Sie diskutierte mit dem Lehrerkollegium über die aktuelle Bildungssituation. Bei der Podiumsdiskussion waren vor allem das gebundene und offene Ganztageskonzept zentrales Thema. Rektor Mathias Liebig erklärte die Geschichte der Grund- und Mittelschule Neuenmarkt-Wirsberg, die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiern kann.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann nahm zu Fragen sehr detailliert Stellung. Sie positionierte sich, was die Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit angeht, eindeutig auf Seiten des gebundenen Ganztagesunterrichts. Zur Frage des Verbandsvorsitzenden Hermann Anselstetter, wie der BLLV zur Einführung der Digitalisierung in den Schulen steht, stellte Fleischmann die Frage in den Raum: "Was ist denn up-to-date? Was ist denn die Medienkompetenz, die wir in fünf Jahren den Kindern beibringen sollen, die dann in zehn Jahren die Kompetenzen haben, die die Wirtschaft so gern hätte." Die Frage ist dabei auch, wie die Lehrer mit dieser ganzen Entwicklung überhaupt mitkämen.
Das Geld für diese Ausstattung und IT-Technik sei aber nach den Worten der BLLV-Präsidentin die Basis von allem: "Die Realität sieht anders aus, wenn die Kolleginnen und Kollegen nicht mitgenommen werden." Angemessene Digitalisierung funktioniere aber nur schulintern. Fleischmann warf auch die Frage auf: "Ist denn der Lehrer der beste, der die Medienschlacht macht? Ist denn Frontalunterricht total zu verurteilen? Ist es nicht wunderbar, ein super Tafelbild zu haben, bei dem die Lehrkraft nichts anderes braucht als die Kreide?"
Es gehe nicht darum, wie viele medientaugliche Geräte im Klassenzimmer stünden, sondern es gehe um die Menschen, die da agieren. Es gehe dabei auch um die Frage, wann der Lehrer sich das aneignen solle.
"Starkes Signal"
Schulverbandsvorsitzender Hermann Anselstetter wies daruf hin, dass sich Fleischmann schon zweimal auf den Weg in den Raum Neuenmarkt-Wirsberg gemacht hat: "Für uns ist das ein starkes Symbol." Er machte deutlich, dass man am Schulstandort Neuenmarkt-Wirsberg über eine bildungsoffensive Schule verfüge, aber auch Sorgen habe: Rückgang der Schülerzahlen, Schülergeschiebe im Schulverbund, Schrumpfen der gebundenen Ganztagsschule, der Kampf der Wirtschaftsschule um Zuspruch aus den 14 Verbundkommunen und die überbordende Belastung von Schulleitung und Verwaltung.
Studiendirektor Alexander Battistella, der Leiter des Beruflichen Schulzentrums, zeigte, dass die Staatliche Wirtschaftsschule im Schulhaus Neuenmarkt die Schüler schon ab der 7. Klasse beruflich abhole: "Die Wirtschaftsschule ist ein wichtiges Puzzlestück innerhalb unseres Beruflichen Schulzentrums."
Interview mit Simone Fleischmann
Welches Fazit ziehen Sie heute nach dem Besuch und den Gesprächen an der Verbandsschule Neuenmarkt?Simone Fleischmann: Für mich war eindeutig, was uns auch in Zukunft bildungspolitisch beschäftigen muss, Bayern ist in allen Regionen ganz unterschiedlich. Jede Region hat ihr Profil und so braucht auch jede Schule ihr Profil. Und wenn jede Schule ihr Profil braucht, müssen wir aufhören, mit dieser Budgetierung und die Zuweisung von Lehrerstunden auf das ganze Land mit der Gießkanne vorzunehmen, sondern wir müssen jede Einzelschule anschauen.
Das deckt sich sehr mit unserer Programmatik, die heißt eigenverantwortliche Schule. Und eigenverantwortliche Schule heißt, ich mache ein Programm an meiner Schule und alle haben den gleichen Lehrplan, das ist nicht das Problem.
Eigenverantwortlich heißt auch, ich habe ein ganz bestimmtes Klientel und das eine Klientel braucht ganz viel ganztagsgebunden, die anderen mögen nur Mittagsbetreuung, die anderen brauchen einen M-Kurs und die anderen keinen. Die einen machen das Projekt mit der Kooperation mit der Wirtschaftsschule, die anderen nicht. Ich glaube, genau das wäre die Zukunft: die Eigenverantwortlichkeit der Schule und dabei ist auch regional zu denken. Es ist ja ein tolles Modell mit der gebundenen Ganztagesschule und jetzt wollen es die Eltern nicht.
Worin sehen Sie die Ursachen der ablehnenden Haltung vieler Eltern an der Grundsschule Neuenmarkt-Wirsberg gegenüber der gebundenen Ganztagesschule?Ich glaube, der Grund liegt hier darin, wenn die Schülerzahlen zurückgehen und die Angebote zunehmen, dann wird das nicht funktionieren. Ich fand es vom Schulleiter sehr gut, denn er macht Angebote, um Kinder zu bekommen. Die, die da sind, brauchen ein gutes Angebot. Ich fand auch den Bustourismus ganz spannend. Wir geben das Geld den Busunternehmern, aber das Geld gehört an die Kinder.
Gibt es schon Patentrezepte in der Schublade des Kultusministeriums, um der demografischen Entwicklung entgegenzusteuern?Also ich glaube, dass wir demografische Entwicklungen ganzheitlich betrachten müssen. Das hat nicht nur mit der Schule zu tun, wobei ich schon den Bürgermeister verstehe, der die Schule am Ort einfach behalten will.
Denn wenn einmal die Schule an meinem Ort weg ist, dann ist das Leben weg und dann zieht auch keiner mehr her. Ich glaube, dass die Aufgabenstellung für die Demografie ist, bayernweit zu schauen und dass wird ja schon ein Stück weit mit der Behördenverlagerung gemacht. Die Frage ist, wie kann ich für ganz Bayern, wenn ich das Ziel Bildungsgerechtigkeit habe, die Regionen so versorgen, dass zumindest im Grundsatz Gerechtigkeit herrscht. Aber ganz wird es die nie geben. Ich muss an die Fakten denken und ich muss vielleicht eine Region, in der die Steuerkraft so gering ist, anders ausstatten als die, in der sie hoch ist. Und da muss ich vielleicht auch andere Modelle in der Finanzierung der einzelnen Kommunen und Landkreise andenken.
Und was mir noch ganz wichtig ist, ist diese Flexibilität im Sinne, wie werden Lehrer in Bayern verteilt. Es geht auch darum, wie ein Staatsapparat auf die Notsituationen reagiert.
Das Gespräch führte unser
Mitarbeiter Werner Reißaus