Die "Zunftstube" ist für viele Gäste ein Wohnzimmer. Siegfried Nitsche hat ein Buch über die Bierkneipe veröffentlicht. Er erinnert auch an die legendäre Wirtin Gretl Rochholz und Aktionen wie den Akt-Malwettbewerb der Stammtischler.
Es ist die urige und zugleich anheimelnde Atmosphäre, die die "Zunftstube" in der Oberen Stadt zu etwas Besonderem macht. Seit Generationen ist sie für viele ein zweites "Wohnzimmer". Um die Bierkneipe, auch "Lina" oder "Rochholza" genannt, ranken sich viele Geschichten, die Siegfried Nitsche in sein Buch "Die Zunftstube in Kulmbach" hat einfließen lassen. Ein Werk, in dem er neben Zahlen und Fakten heitere Anekdoten schildert, die mit originellen Wirtsleuten und Gästen zu tun haben.
Einst Bäckerei und Bierstube
"Ich will, dass die Geschichte rund um diese Institution der Nachwelt erhalten bleibt", sagt Nitsche, der an viele Gäste erinnert, die sich unter dem Gewölbe des im 18. Jahrhundert errichteten Gebäudes gut aufgehoben fühlten. Ein Haus, das lange Zeit Bäckerei und Bierstube zugleich war, in dem Andreas Werner im 19. Jahrhundert sogar selbst gebraut hat, ehe es vor 111 Jahren an die EKU überging.
Der Sauerkrautfaden im Bier
Breiten Raum widmet der Autor einer legendären Wirtin: Margarete Rochholz, Gretl genannt, die die "Zunftstube" 1957 mit ihrem Mann Georg übernommen hat. Sie war eine tüchtige Geschäftsfrau, die laut Nitsche zuweilen auch eine harte Schale hatte. Und das wird in dem Buch deutlich, so in einem Erlebnis, das Heinz Burger schildert. Der hatte einst bei der Gretl statt eines Seidla Biers eine Tasse Tee bestellt, in die sich dann ein Sauerkrautfaden verirrt hat. Zu einer Entschuldigung sah sich die Wirtin nicht genötigt. In bestem Kulmbacherisch soll Gretl Rochholz gesagt haben: "Ja mahnst du, für den Preis tu ich dä a Gögerla nei?"
Frauen waren nicht gern gesehen
Frauen waren bei ihr offenbar nicht gern gesehen - wohl auch deshalb weil, sie meist Wasser tranken. "Müsst ihr nix kochen deham?", soll sie zu weiblichen Gästen gesagt haben. Auch die Männer, gerade Jugendliche, hatten Respekt, wie Thomas Lange in seinem Vorwort schildert: "Wer sich nicht an die Anweisungen der ebenso gestrengen wie legendären Wirtin Gretl Rochholz hielt, der flog raus. Das wollte keiner riskieren. Deshalb waren wir brav."
Die Stammtisch-"Künstler"
Auch in der Zeit nach Gretl Rochholz - sie verstarb 1983 - hat sich aus der Bierlaune heraus so manch originelle Aktion ergeben. So erinnert Siegfried Nitsche an die "Zunft-Art-1998", ein Malevent, das die "kunstsinnige Bierdimpfel-Vereinigung" initiiert hat. Die Maler, allesamt Stammgäste, rückten mit Zeichenbrettern und Staffeleien an. Gezeichnet wurde ein Modell, das, so hieß es in der Ausschreibung, "bei einem Höchstalter von 45 Jahren üppig füllig und propsert " sein musste. Besagte Dame präsentierte sich auf einem Tisch. Als Unterlage dienten ihr Turnmatte und ein Tuch. Trocken ging es nicht zu. Mit dem Malen beginnen durften die "Künstler" erst, nachdem sie einige Seidla getrunken hatten.
Ein Stück Heimat
Die Kneipe, die auch für ihre gutbürgerliche, mit Kulmbacher Spezialitäten gespickte Küche bekannt ist, war und ist für viele ein Stück Heimat - ein Gefühl, das den Gästen auch die Wirte vermittelt haben, die auf Gretl Rochholz gefolgt sind. Das waren Brigitte Hempfling und Susi Taubenreuther (1983 bis 1986), Marga Müller (1986 bis 1993), Peter Stübinger (1993 bis 1998) sowie Rita und Gerald Hofmann (1998 bis 2013), die die Gaststätte heute mit Ritas Sohn Marcus Schulz betreiben. "Wir fühlen uns daheim", sagt Werner Friedlein, der in die "Zunftstube" schon als Schüler in den 70er Jahren eingekehrt ist und seit Mitte der 90er einer Kartrunde angehört. Was für ihn die Kneipe ist? "Eine Wohnzimmer."