Die Geschichte vom dicken Kater Hinkebein

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Kater HinkebeinFoto:: Katrin Geyer
Kater HinkebeinFoto:: Katrin Geyer

Armer, schwarzer Kater? Nicht jeder Streuner braucht wirklich Mitleid.

Es war einmal eine Familie in unserer Nachbarschaft. Die hatte eine Wohnung voller Zeug, ein Kind und einen Kater. Eines Tages zog die Familie um. Ihr Zeug stellten die Leute einfach vors Haus, wo es ein Entrümpler einsammelte. Das Kind nahmen sie mit. Den Kater ließen sie da.

Fortan schlug sich der Kater als Streuner durch. Manchmal suchte er menschliche Nähe, strich den Menschen maunzend um die Beine. Auf zu viel Zuwendung allerdings reagierte er bisweilen barsch mit Kratzen und Fauchen.

Als bei uns im Haus vor eineinhalb Jahren zwei Katzenkinder einzogen, registrierte der Kater sofort, dass sich hier eine bequeme Nahrungsquelle auftat. Er drang - erst durch die im Sommer meist geöffnete Haustür, später auch durch die Katzenklappe - in unsere Wohnung ein, leerte gierig den Futternapf und ging wieder seines Wegs. Wir ließen ihn gewähren, weil uns der Streuner leid tat. Er hatte ja keinen, der ihn lieb hatte.

Dachten wir. Bis die Nachbarin von nebenan erzählte, dass sie den bedauernswerten Kerl auch immer füttere. Bis die Nachbarn von gegenüber berichteten, dass der arme Kater bei ihnen ebenfalls regelmäßig ein- und ausging, was sogar von der dortigen Familienkatze akzeptiert wurde. Drüben heißt der Kater "Hinkebein", weil er den linken Hinterlauf etwas nachzieht. Wir nennen ihn "Dicker" - weil er ausnehmend gut im Futter steht. Was uns mittlerweile nicht mehr wundert. Denn als "hinkender Harry" bedient er sich auch zwei Straßen weiter an fremden Näpfen.

Was lernen wir daraus? Nicht jeder, der uns bedauernswert erscheint, ist es auch. Nicht immer ist Mitleid angebracht. Respekt allerdings hat der hinkende Kater verdient. Charmanter hat sich wohl noch niemals jemand durchs Leben geschnorrt.