Das letzte Fässla ist leer

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Monika Will trinkt zur Feier des Tages mit "ihren Jungs" mal ein Bier mit: Fünfzig Jahre lang haben Reinald Kolb und Franz Schübel in der Stadtsteinacher Wirtschaft jeden Freitag ein Fässla angestochen. Jetzt setzt sich die Wirtin zur Ruhe, damit ist auch die Stammtischtradition passé. Foto: Sonny Adam
Monika Will trinkt zur Feier des Tages mit "ihren Jungs" mal ein Bier mit: Fünfzig Jahre lang haben Reinald Kolb und Franz Schübel in der Stadtsteinacher Wirtschaft jeden Freitag ein Fässla angestochen. Jetzt setzt sich die Wirtin zur Ruhe, damit ist auch die Stammtischtradition passé. Foto: Sonny Adam
Gruppenbild mit Landrat, Wirtsehepaar Gerhard und Monika Will und Braumeister Jürgen Münch Foto: Sonny Adam
Gruppenbild mit Landrat, Wirtsehepaar Gerhard und Monika Will und Braumeister Jürgen Münch Foto: Sonny Adam
 
Zum letzten Mal haben Reinald Kolb und Franz Schübel ein Fässla geholt und es stilecht angezapft. Doch nach 50 Jahren löst sich der kleinste Stammtisch Deutschlands, der nur aus zwei Personen besteht, auf. Ihr Stammlokal hat geschlossen. Foto: Sonny Adam
Zum letzten Mal haben Reinald Kolb und Franz Schübel ein Fässla geholt und es stilecht angezapft. Doch nach 50 Jahren löst sich der kleinste Stammtisch Deutschlands, der nur aus zwei Personen besteht, auf. Ihr Stammlokal hat geschlossen. Foto: Sonny Adam
 
Das eigene Stammtischschild "Unser Fässla" erinnert an den legendären Stammtisch, der nur aus zwei Personen bestand
Das eigene Stammtischschild "Unser Fässla" erinnert an den legendären Stammtisch, der nur aus zwei Personen bestand
 

Freitag ist, wenn sich der kleinste Stammtisch Deutschlands im Gasthof "Zum Goldenen Hirschen" in Stadtsteinach trifft und wenn ein Fässla geleert wird. Nach 50 Jahren löst sich der Zwei-Mann-Stammtisch jetzt auf.

Eigentlich ist der Gasthof "Zum Goldenen Hirschen" schon zu. Doch für "ihren Stammtisch" öffneten die Wirtsleute Monika und Gerhard Will noch ein letztes Mal die gemütliche Gaststube. Denn schließlich gehörten Reinald Kolb (64) und Franz Schübel (72), besser bekannt als "der kleinste Stammtisch Deutschlands", zum Inventar. Seit 50 Jahren stachen die beiden, die den Stammtisch "Unser Fässla" formierten, jeden Freitagabend ein Holzfass an.

"Alles hat 1968 angefangen. Damals waren wir in der Leichtathletikabteilung. Nach dem Training gingen wir in den Goldenen Hirschen", erzählt Reinald Kolb, der damals eigentlich noch viel zu jung für Gasthausbesuche war. Doch nach dem Krafttraining, das damals in einem Gebäude, das heute die freikirchliche Gemeinde nutzt, stattfand, musste das ein oder andere Bier getrunken werden, um wieder zu Kräften zu kommen.

Acht Personen am Anfang

"Anfangs waren wir acht Personen. Aber die Anzahl der Stammtischler reduzierte sich durch Wegzüge wie die zehn kleinen Negerlein", erzählt Kolb. Schließlich blieben nur noch Franz Schübel und Reinald Kolb übrig. Beide machten den Stammtisch zum Kult. In Erinnerung an die schönen alten Zeiten hielten sie die Tradition aufrecht.

Die Stammtischzeremonie begann auf die gleiche Weise. Franz Schübel und Reinald Kolb holten aus der Brauerei ein Holzfässla ab. Transportiert wurde es in der Sporttasche bis zum Marktplatz. Je nach Durst griff man zu einem fünf oder manchmal auch zu einem 7,5-Liter-Fässla. "Einmal ist uns ein tragisches Unglück passiert. Da ist ein Henkel gerissen, das Fass fiel heraus", erinnert sich Kolb noch. "Aber es ist nicht den Berg runtergerollt. Wir haben es noch erwischt", lacht Franz Schübel.

Anfangs holten die Stammtischler immer die echten kleinen Holzfässchen ab. Sie waren eisenbereift, massiv. "Wir haben unser eigenes Fassbesteck bekommen - aus Messing", erzählt Kolb stolz. Inzwischen gibt es solche Fässla nicht mehr. Das Jubiläumsfass bestand aus Kunststoff.

Eigner Bock

In den ersten Jahren zapften die Stammtischler ihr Fässla immer auf der Eckbank an. "Aber dann wurde die. Bank gepolstert. Dann ging das nicht mehr", lachen beide. So bekamen sie ihren eigenen Fassbock - die Brauerei Schübel stiftete ihn. Jedes Jahr kauften sich die beiden Freunde fränkischer Bierspezialitäten ein neues Krügla. Denn natürlich schmeckte das Bier aus Holz, Ton, Glas, Porzellan oder Holz immer anders.

Und seit dem Jahr 2000 gingen die beiden Stammtischler auch auf Dienstreisen. Das heißt: Sie machten gemeinsam Ausflüge. "In manchen Jahren machten wir bis zu zehn Dienstreisen. Und wir haben viel gelacht und erlebt", erinnert sich Kolb. Einmal haben Reinald Kolb und Franz Schübel den damals amtierenden Ministerpräsidenten Günter Beckstein getroffen. Man plauderte - und eine Briefbekanntschaft entwickelte sich.

Zweiter Stammtisch

Vor neun Jahren gründeten Reinald Kolb dann einen zweiten Stammtisch. Titel: "Wer mooch, ko kumma". Dieser besteht natürlich weiter, trifft sich ab sofort ein Mal im Monat im Gasthof Reuther.

"Aber unser Stammtisch ,Unser Fässla‘ kann ohne Wirtschaft nicht weiter bestehen", sagt Kolb. Auch Wirtin Monika Will und ihr Mann Gerhard Will erinnern sich an so manche Anekdote mit dem Stammtisch. "Wir haben uns immer gut vertragen. Wir hatten immer Spaß. Aber am Anfang wurde es schon manchmal ganz schön lang. Da tagten sie bis 1 Uhr oder länger", erzählt Monika Will. Denn die Bierfreunde blieben immer so lange, bis das Fässla leer war. "Aber dann sind sie auch älter geworden und. Gingen früher nach Hause. Meistens um 22 Uhr", so die Wirtin.

"Ich mache jetzt den Sofatester", scherzt Franz Schübel. "Ich werde weiter Bergwandern und Radfahren", hat sich dagegen Reinald Kolb vorgenommen.

Zum 50. Jubiläum und zur gleichzeitigen Auflösung kamen auch Stadtsteinachs Bürgermeister Roland Wolfrum und Landrat Klaus Peter Söllner, die Wirtin tischte noch einmal ein Festmenü auf. "Traditionen sterben im Stillen. Erst wenn sie nicht mehr da sind, wird man sich an sie erinnern", sagte Reinald Kolb zum Abschied. Die Legende vom kleinsten Stammtisch Deutschlands allerdings bleibt. Die beiden Stammtischbrüder entschuldigten sich sogar bei der Wirtin, wenn sie mal nicht kommen konnten.