Wie ein Stalker das Leben seines Opfers ruinieren kann, hat eine Kulmbacherin am eigenen Leib erfahren. Ihr Exfreund versuchte Anna K. rund um die Uhr zu kontrollieren. Das ist lange her, aber unter den Folgen leidet sie bis heute.
Anna K. (Name von der Redaktion geändert) begegnet dem Mann, der ihr Leben auf den Kopf stellen wird, in einer Online-Partnerbörse. Sie hat gerade eine Trennung hinter sich und findet Klaus sehr sympathisch. Sie schreiben sich Mails und telefonieren. Bald wird mehr daraus: "Wir hatten dieselben Ideen und dieselben Träume."
Doch schon kurze Zeit später zeigt sich Klaus von einer ganz anderen Seite: Er lässt die Kulmbacherin, die damals in einer anderen Stadt lebt, nicht mehr aus den Augen, überwacht jeden ihrer Schritte, schreibt ihr im Minutentakt SMS oder ruft an, unterstellt, dass sie ihn betrügt.
Schon damals hätte sie die Beziehung beenden sollen, sagt sie rückblickend, "doch er erzählte mir immer wieder, er habe schlechte Erfahrungen gemacht, sei von Exfreundinnen belogen worden". Anna glaubt ihm und will beweisen, dass er ihr vertrauen kann.
Psychoterror
voller Eifersucht Aber der Psychoterror wird unerträglich. In jeder Minute will Klaus wissen, wo Anna ist und was sie macht. Er ist eifersüchtig auf jeden in ihrer Nähe, auch auf Nachbarn und Arbeitskollegen. Über jede SMS, jeden Anruf will er Bescheid wissen. Wenn er nicht bei ihr ist, zwingt er sie, das Handy eingeschaltet am Ohr zu lassen. Nach ein paar Wochen wird es Anna zu viel. Sie versucht, die Beziehung zu beenden.
Doch Klaus will nichts davon hören. Er behauptet, Anna sei selbst schuld an seiner Kontrollsucht. Am Ende glaubt sie das sogar selbst. "Mit ihm zu reden war wie Hirnwäsche", sagt sie.
Je länger die beiden zusammen sind, desto mehr Angst hat die 40-Jährige. Sie befürchtet, er könnte etwas entdecken, das ihm nicht passt, "denn dann konnte er richtig unangenehm werden". Eines Abends eskaliert die Situation.
Anna bricht mit massiven Magenschmerzen zusammen, bittet Klaus, einen Krankenwagen zu rufen. Er hilft ihr nicht. "Das für mich ein Tag, an dem ich mir tatsächlich das Leben nehmen wollte. Ich habe gedacht, ich halte das nicht mehr aus - die ständige Kontrolle, die Angst", sagt sie.
Anna geht zur Polizei, erzählt, was sie durchgemacht hat. Die Polizisten nehmen sie ernst, erklären ihr, dass sie Opfer eines Stalkers ist - und überreden sie, Anzeige zu erstatten. "Die haben mir damals das Leben gerettet."
Vorbei ist das Drama damit noch nicht, aber Anna hat den ersten Schritt getan, um wieder die Kontrolle über ihr Leben zu bekommen. Es stellt sich heraus, dass der Stalker ein langes Vorstrafenregister hat und Anna nicht sein erstes Opfer ist.
Den Mail-Account geknackt Doch so einfach wird sie Klaus nicht los.
Er ruft weiter jeden Tag an, auch am Arbeitsplatz, bombardiert sie mit Briefen und SMS. Sie schreibt ihm einen Brief, dass sie keinen Kontakt mehr will. Die Polizei hat ihr dazu geraten. Der Erfolg ist gleich null. Der Stalker steht plötzlich vor ihrer Tür, zwingt sie, die Anzeige zurückzunehmen. Mit Hilfe eines Hackers hat er inzwischen ihren E-Mail-Account geknackt. "Es ist schrecklich: Plötzlich begreifst du, dass du keine Privatsphäre mehr hast. Egal was du tust, er wird es immer mitkriegen."
Wegen der Vielzahl und Schwere der Delikte, wird die Justiz trotz der Rücknahme der Anzeige tätig. Gegen mehr als 60 Verfügungen hat Klaus schon verstoßen, ist schon einmal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er wird verhaftet, Anna und weitere Betroffene sagen als Zeuginnen aus.
Klaus wird zu einer Haftstrafe verurteilt - die allerdings wieder zur Bewährung ausgesetzt wird.
Anna kann nicht fassen, dass ihr Peiniger das Gericht als freier Mann verlässt. Sie zieht nach Kulmbach, um ihren Frieden zu finden. Ein paar Jahre ist das schon her, doch unter den Folgen des Stalkings leidet die Büroangestellte noch immer. Durch den psychischen Stress ist sie auch körperlich schwer krank geworden. Sie leidet an einer Autoimmunerkrankung, musste mehrfach operiert werden und kann nur noch in Teilzeit arbeiten.
Und es kommt noch schlimmer: Der Stalker ist kürzlich wieder aktiv geworden - seine Bewährung ist abgelaufen. Anna hat ihn wegen erneuter Belästigungen angezeigt. Polizeibeamte rieten ihr, Kulmbach zu verlassen, bis das Schlimmste vorbei ist. "Aber das mach' ich nicht", sagt sie mit Nachdruck.
"Ich lasse mir mein Leben nicht noch einmal wegnehmen!"
Zwölf Fälle wurden angezeigt Stalking ist kein neues kriminelles Problem, aber das Thema ist stärker im öffentlichen Bewusstsein, seit der Bundestag 2007 eine Gesetzesänderung zum Schutz von Stalking-Opfern verabschiedet hat. In Kulmbach gab es im Jahr 2013 insgesamt zwölf angezeigte Stalking-Fälle, die gleiche Anzahl wie im Vorjahr, so Gerhard Renk, Leiter der Polizeiinspektion Kulmbach. "Die Dunkelziffer ist dabei sicherlich nicht zu unterschätzen, denn nicht jeder geht zur Polizei und die Schmerzgrenze ist bei jedem Menschen unterschiedlich." Renk rät Menschen, die Opfer eines Stalkers werden, sich an die Polizei zu wenden.
Rat weiß bei der Kulmbacher Polizei Armin Rochholz, Sachbearbeiter für häusliche Gewalt.
Rechtliches, Schutz und Hilfe für Stalking-Opfer Stalking § 238 des Bürgerlichen Gesetzbuchs definiert den Straftatbestand zum Thema Nachstellung. Stalking bezeichnet das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, sodass dessen Sicherheit bedroht und seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt werden.
Hilfe Die Initiative "Gemeinsam gegen Stalking" unter dem Dach der gemeinnützigen Gesellschaft "Helfende Herzen und Hände" in Bayreuth kümmert sich um die Opfer. Umfassende Informationen und eine Kontaktadresse finden Stalking-Opfer im Internet auf
www.gemeinsamgegenstalking.de