Argumente für die Showbühne

1 Min
Die Kulmbacher Stadtratsfraktionen sind sich nicht einig in der Frage, was sich die Stadt leisten kann. Foto: imago/Archiv
Die Kulmbacher Stadtratsfraktionen sind sich nicht einig in der Frage, was sich die Stadt leisten kann. Foto: imago/Archiv

Sich produktiv zu streiten und gemeinsam die beste Lösung eines Problems zu suchen, ist die Königsdisziplin im politischen Tagesgeschäft. Am besten klappt das im kommunalpolitischen Bereich, weil die Parteipolitik sich dem Gemeinwohl unterordnet. Meistens.

Manchmal macht der gesunde Menschenverstand der gewählten Volksvertreter aber auch unerwartet Pause. So geschehen am Donnerstagabend in der Sitzung des Kulmbacher Stadtrats, wo sich Debatten an eigentlich nicht diskussionsfähigen Themen entzündeten.

Beispiel Ausbau Mangersreuther Straße und Straßenausbaubeitragssatzung: Wenn es nachweislich rechtswidrig ist, sie abzuschaffen, ist es schlicht Unsinn, es trotzdem zu fordern, wie dies Volker Wack von den Grünen und Ingo Lehmann von der SPD vehement taten.

Beispiel Parkgebühren: Wenn das Finanzamt auf die Parkeinnahmen Steuern erhebt, müssen diese an die Parkplatznutzer durchgereicht werden. Niemand käme auf die Idee, von der Stadt die Übernahme der Steuern fürs Benzin oder das Frühstücksbrötchen zu verlangen.

Beispiel Parkhaus am Klinikum: Dass es gebraucht wird, bezweifelt niemand.
Weil man es nicht in die Luft hängen kann, braucht es einen Standort. Der ist gefunden, und trotzdem wird statt über den Bauantrag abzustimmen, erst wieder über die Standortfrage diskutiert, weil zwei Nachbarn auch mit der neuen Lösung nicht einverstanden sind.

Wir brauchen eine gute politische Streitkultur. Widersprechen und In-Frage-Stellen gehören dazu. Auch die berechtigten Interessen einzelner Bürger sollen im Stadtrat gehört, besprochen und bewertet werden. Wer will schon ein Gremium voller Ja-Sager, die jeden Antrag einfach abnicken?

Fakten und geltendes Recht allerdings sollte jeder Stadtrat akzeptieren. Trotzig einen nicht haltbaren Standpunkt zu verteidigen, ist kindisch und Zeitverschwendung. Und es wird der Sache und damit den Interessen der Bürger nicht gerecht.

Man kann verstehen, wenn Eltern solche Ich-will-aber-trotzdem-Diskussionen mit Kleinkindern führen, aber nicht, dass ein Oberbürgermeister auf diesem Niveau mit gewählten Bürgervertretern debattieren muss, von denen man Sachverstand und eine gewisse Reife erwarten darf.

OB Henry Schramm trug's mit Fassung und mühte sich mit viel Geduld um Konsens. Allein: Es half nichts.
Warum? Es gab Publikum im Sitzungssaal. Anwohner der Mangersreuther Straße und der Blaich. Da ist die Versuchung besonders groß, entsprechend groß aufzusprechen und Forderungen zu stellen, die man nicht erfüllen, weil nicht bezahlen kann.

Freilich würden sich die Bürger freuen, wenn man überall umsonst parken könnte und die Straßen grundsätzlich zum Nulltarif in Schuss gehalten würden. Aber Tatsache ist: In allen Nachbarstädten sind die Parkgebühren deutlich höher. Und niemand wird der Einkaufsstadt Kulmbach den Rücken kehren, weil ein Zehnerle mehr fürs Parken fällig wird. Tatsache ist auch: Eine neue Straße gibt's nur, wenn die Anwohner sich beteiligen. Der Vorschlag des rot-grünen Lagers, alle Bürger über die Grundsteuer zur Kasse zu bitten, ist eine Argumentation für die Showbühne.
Jede Opposition tut sich in solchen Fällen vergleichsweise leicht. Sie kann bei Abstimmungen grundsätzlich dagegen sein und fantasievolle Lösungen vorschlagen, ohne dass es unmittelbare Konsequenzen hat. Schließlich kann sie sich darauf verlassen: Die Mehrheit entscheidet anders, die unrealistischen eigenen Vorschläge werden nie umgesetzt und müssen keiner kritischen Überprüfung standhalten.