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Amtsgericht Kulmbach: Geschäftsführer zahlt für Naivität


Autor: Andreas Schmitt

Kulmbach, Freitag, 06. Oktober 2017

Ein Firmenchef wurde verurteilt, weil er polnische Arbeiter schwarz beschäftigte und sich nicht an den Mindestlohn hielt.
Eine anonyme Anzeige machte den Zoll auf eine Baufirma im Kreis aufmerksam, bei der nicht alles gesetzeskonform ablief.  Foto: Ronald Rinklef


"Unwissenheit schützt vor Strafe nicht." Diese Floskel passt zu einem ungewöhnlichen Prozess am Amtsgericht. In den dreieinhalb Stunden ging es nicht um Schlägereien oder Diebstähle. Stattdessen gab es viel Rechnerei und jede Menge Zahlen und Paragrafen.

Und auch der Ton war anders als sonst. "Das war keine typische Verhandlung, sondern eher eine Diskussion und der Austausch von Argumenten", stellte auch Richterin Sieglinde Tettmann zum Abschluss fest.


Subunternehmer oder nicht?

Um was es ging: Dem Geschäftsführer einer Baufirma aus dem Landkreis wurde vorgeworfen, von April 2015 bis Februar 2016 zwei polnische Arbeiter beschäftigt zu haben, ohne sie bei den Sozialversicherungen zu melden. Zudem soll er die beiden und einen deutschen Mitarbeiter unter dem Facharbeiter-Mindestlohn bezahlt haben.

Der Geschäftsführer stritt die Vorwürfe ab. Er sagte, die beiden Polen hätten als Subunternehmer von ihm Aufträge erhalten. Und der deutsche Mitarbeiter sei von ihm unter dem Facharbeiter-Mindestlohn bezahlt worden, weil er nur als Hilfsarbeiter eingestellt worden sei.

Der Zoll, der durch eine anonyme Anzeige auf die mittlerweile insolvente Baufirma aufmerksam wurde, war anderer Meinung. "Es war alles irgendwie komisch", sagte ein geladener Beamter aus Bamberg über die Ermittlungen. Der Verdacht der Scheinselbstständigkeit habe sich schnell erhärtet.


Zoll: Polen waren eingegliedert

Die Indizien: Im Vertrag wurde kein Leistungsbereich genannt, es gab Weisungsbefugnis seitens des Chefs und einen festen Arbeitsbeginn. Bei Termindruck mussten die Polen außerdem auch auf anderen Baustellen ran. Der Zöllner: "Sie waren in den Betrieb eingegliedert, ihnen wurde Baumaterial gestellt, und bei Rechnungen an den Auftraggeber wurden sie als Facharbeiter ausgewiesen."

Ganz anders klang die Geschichte aus dem Mund des Angeklagten. Er betonte, dass die Polen selbstständiger gearbeitet hätten als die eigenen Mitarbeiter. "Sie haben sich nur gemeldet, wenn Schrauben und Kleber leer waren." Außerdem hätten die festen Bediensteten Arbeitskleidung gestellt bekommen, die Polen nicht. Ferner hätten Letztere ihr eigenes Werkzeug genutzt und seien mit ihrem eigenen Auto zu den Baustellen gefahren.

Die Arbeiter seien auch nicht kontinuierlich für die Firma im Einsatz, sondern teils wochenlang weg gewesen. "Da können sie auch woanders gearbeitet haben." Weiterhin hätten sie angegeben, in ihrem Heimatland sozialversichert zu sein, sagte der Geschäftsführer, der ihnen 10,50 Euro pro Stunde gezahlt hat. "Wir hatten ein gutes Verhältnis. In Polen ist das viel Geld."

Der Angeklagte betonte, dass er nicht bewusst betrogen habe. "Auch mein Steuerberater hat nichts beanstandet. Jetzt bin ich schlauer." Durch seine Fehler entstand ein Schaden von knapp 19 000 Euro. Die in der Anklage genannten 36 000 Euro lösten sich in Luft auf, als Richterin und Staatsanwalt mit Akribie Monatssummen und Gehälter gegeneinander rechneten. Ebenfalls große Geduld bewiesen sie bei der Befragung zweier ehemaliger Firmenmitarbeiter. Diese sollten erzählen, inwiefern die Arbeitsbereiche der festen Mitarbeiter und der angeblichen Subunternehmer getrennt waren. Das Ergebnis: Zwar kam es häufig vor, dass die Polen eigene Aufträge erhielten. Es gab aber auch Fälle, in denen die Arbeit Hand in Hand ging.


Gewährleistung durch den Chef

Und dann war da noch die Gewährleistungspflicht. Für sie fühlte sich nach eigener Aussage nur der Geschäftsführer verantwortlich - nicht die angeblichen Subunternehmer. Losert: "Untypisch für Selbstständige."

Ferner ging es um den Mindestlohn-Verstoß bei einem der Zeugen. Der Zöllner: "Wer 20 Jahre ohne Probleme in der Firma ist und teilweise eigenverantwortlich arbeitet, kann nicht mehr als Hilfsarbeiter gelten."

Hauptsächlich drehte sich die Verhandlung aber um die nicht gemeldeten Polen. "Da war ich wohl ein bisschen blauäugig und habe mich zu viel auf den Steuerberater verlassen", sagte der Geschäftsführer. "Ich habe das nicht mit Absicht gemacht."

Richterin Tettmann glaubte ihm und betonte: "Wir haben hier keinen klassischen Kriminellen sitzen, sondern einen, der seine Firma retten wollte und deswegen die Augen verschloss." Sie verurteilte den Geschäftsführer wegen Vorenthaltung und Veruntreuung in 22 Fällen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Er muss 2500 Euro an den Hospizverein und die Verfahrenskosten zahlen.

Die Richterin schloss sich damit der Forderung des Staatsanwalts an, der betonte, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und nur bedingt vorsätzlich gehandelt habe. Negativ wirke sich die Fallzahl aus. Staatsanwalt und Angeklagter erklärten Rechtsmittelverzicht; das Urteil ist damit rechtskräftig.