Affalterhof: Im hohen Gras lauert für Rehkitze der Tod

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Auf einer 2000 Quadratmeter großen Wiese lagen drei Rehkitze - zwei wurden bei den Mäharbeiten sofort getötet, ein drittes (vorne) quälte sich, weil der Landwirt es einfach liegen ließ. Foto: Sonja Adam
Auf einer 2000 Quadratmeter großen Wiese lagen drei Rehkitze - zwei wurden bei den Mäharbeiten sofort getötet, ein drittes (vorne) quälte sich, weil der Landwirt es einfach liegen ließ. Foto: Sonja Adam

Auf einer Wiese in der Nähe des Kulmbacher Stadtteils Affalterhof wurden drei Rehkitze regelrecht "zer-mäht". Zwei "Bambis" waren sofort tot, ein drittes verlor ein Bein. Es musste eingeschläfert werden.

Dass hin und wieder einmal ein Reh bei Mäharbeiten verletzt oder getötet werden kann, ist wohl unvermeidbar. Doch was kürzlich auf einer Wiese bei Affalterhof in Kulmbach passiert ist, hat mit Pech oder Zufall nichts zu tun. Es gleicht einem Massaker. Auf einer Fläche von nur 2000 Quadratmetern kamen drei Rehkitze zu Tode.


"Ganz eigenartig verhalten"


"Mein Mann hat mich angerufen, weil sich ein Mutterreh ganz eigenartig verhalten hat. Es ist immer wieder in die Wiese gelaufen, dann wieder in die Deckung", erzählt die Tierärztin Jutta Lindner. Wie sich herausstellte, waren zwei Rehkitze regelrecht zer-mäht worden. "Die waren sofort tot", so die Tierärztin. Das dritte verlor ein Bein. "Die Rehmutter ist immer wieder zu dem verletzten Kitz hin und hat es zu dem toten Zwilling gelegt." Obwohl Lindner an den Umgang mit Tieren gewohnt ist, hat ihr dieser Anblick schwer zugesetzt. "Es tut einem weh, wenn man sieht, was da passiert ist."

Nach Rücksprache mit dem Jagdpächter Rainer Trapper hat die Tierärztin das Rehkitz eingeschläfert. "Ich bin sonst nicht so, aber mir sind wirklich die Tränen gekommen. Das Kitz hätte sich noch stundenlang gequält."
Lindner ist schockiert. Sie will keine Schuldzuweisungen machen, betont aber, dass die Eigentümer die Pflicht haben, die Wiesen abzusuchen. "Man hätte Luftballons oder Blinklichter aufhängen oder einfach durchlaufen können", sagt die Tierärztin. Sie habe sogar einen Film gesehen, in dem versuchsweise Drohnen mit Wärmebildkameras die Wiesen vor dem Mähen abfliegen. "In Oberbayern hat man damit sehr gute Erfahrungen gemacht."


Die Natur stirbt stumm


Nicht nur Rehe und Hasen sind betroffen, sondern auch die Wiesenbrüter. Der deutsche Jagdverband geht davon aus, dass jährlich 100 000 Tiere Mäharbeiten zum Opfer fallen. "Die Natur stirbt stumm. Früher gab es hier Junghasen, Kiebitze und viele Rebhühner. Inzwischen sieht man Kiebitze gar nicht mehr, Rebhühner sind sehr selten geworden", sagt Lindner. "Es gibt noch einen alten Bauern, der mäht später. Aber wenn der mal nicht mehr ist, wird die Situation noch schlimmer."

Jagdpächter Rainer Trapper ist nicht so diplomatisch wie die Tierärztin. "Die Gleichgültigkeit der Landwirte erschreckt mich. Früher war das nicht so, die alten Bauern sind auch mal durch eine Wiese gelaufen, die jungen machen das nicht mehr", sagt er. Auch ein Anruf beim Jagdpächter hätte genügt. "Wenn ich Zeit gehabt hätte, wäre ich selber durch oder einer meiner beiden Jäger. Dann wäre gar nichts passiert."


Jagdpächter ist sauer


Der Jagdpächter kann auch nicht verstehen, dass man nicht merkt, wenn auf einer Fläche von 2000 Quadratmeter Rehkitze liegen. Dazu müsse man kein Jagdexperte sein muss. "Aber in Wahrheit sitzen die, die die Wiese mähen, in vollklimatisierten Traktoren und los geht's", ist Trapper sichtlich sauer. Das schwer verletzte Reh müsse sich bemerkbar gemacht haben. "Die schreien jämmerlich. Wenn man das merken will, dann kann man das merken. Ich will natürlich niemandem Vorsatz unterstellen, aber es gibt auch noch den Tierschutz. Das grundlose Töten von Wirbeltieren ist nun einmal verboten. Und es ist wirklich herzzerreißend, was da passiert ist", schimpft er.

Wilfried Löwinger vom Bauernverband bricht eine Lanze für die Landwirte: "Im Idealfall ist es so, dass der Landwirt sich mit dem Jagdpächter in Verbindung setzt und der dann etwas unternimmt." Bei Affalterhof sei wohl alles schief gelaufen. Manchmal sei es auch so, dass der Lohnunternehmer schon in der Nähe ist und die Wiese kurzfristig mitmäht - dann unterbleibe die Suche eben. "Ob derjenige, der gemäht hat, überhaupt irgend etwas mitbekommen hat, ist fraglich", sagt Löwinger und glaubt eher an eine Verkettung unglücklicher Umstände.