Obwohl die kritischen Stimmen aus der Bevölkerung immer lauter werden, beschließt Kronachs Stadtrat im Dezember 2008, den Aufzug bereits im kommenden Jahr zu bauen.
Das wollen die Aufzugsgegner nicht akzeptieren und mobilisieren die Bevölkerung. Was in den darauffolgenden Wochen passiert, gibt es sonst eigentlich nur im Wahlkampf. Mit Plakaten, Postwurfsendungen in jeden Briefkasten, Info-Ständen am Marienplatz sowie Podiumsdiskussionen und sogar einem Redaktionsgespräch beim Fränkischen Tag verdeutlicht die Bürgerinitiative "Kein Aufzug zur Oberen Stadt" ihren Standpunkt.
Und sie hat Erfolg: Die Unterschriftenlisten werden förmlich gestürmt. Einen Monat nach dem Ratsbeschluss für den Aufzugbau übergibt die Initiative knapp 200 Listen mit insgesamt 3120 Unterschriften von Bürgern, die keinen Aufzug in der Oberen Stadt haben wollen, an Kronachs Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein.
Die Verwaltung erkennt 2925 der Unterschriften als gültig an. "Die Bürger haben schon lange auf ein Ventil gewartet, um sich gegen den Aufzug aussprechen zu können", begründet Walter Schinzel-Lang von der Initiative die rege Teilnahme der Kronacher.
Volk kippt den Ratsbeschluss
Die gesammelten Unterschriften genügen nach der bayerischen Gemeindeordnung, um das Bürgerbegehren auf die Tagesordnung des Stadtrats zu setzen. Der muss nun entscheiden, ob er dem Votum von über 20 Prozent Wahlberechtigten folgt und den Beschluss kippt oder jedem Kronacher die Chance gibt, für oder gegen den Aufzug abstimmen.
Die Ratsleute entscheiden sich für Letzteres: Am 7. Juni 2009, dem Tag der Europawahl, stimmen die Bürger in den Wahllokalen gleichzeitig über den Aufzug ab. Das Votum fällt eindeutig aus: 76,49 Prozent der Wähler sprechen sich gegen das Bauvorhaben aus. Die Wahlbeteiligung liegt an diesem Tag bei 49,83 Prozent.
Damit hat das Volk den Ratsbeschluss gekippt. Der Aufzug in die Obere Stadt ist vom Tisch. Bis zum heutigen Tag wurde er nicht gebaut, wenngleich es seit dieser historischen Entscheidung immer wieder Überlegungen in diese Richtung gegeben hat. "Die Bürger haben damals verstanden, dass es vordringlichere Aufgaben gab, als einen Aufzug zu bauen", resümiert Kronachs Bürgermeister knapp elf Jahre später. "Bis heute bin ich der Meinung, dass es die richtige Entscheidung war, dem Willen der Bürger zu folgen." Ein Aufzug hätte aus seiner Sicht das Anbindungsproblem nicht gelöst. "Dann können gehbehinderte Menschen zwar nach oben fahren. Aber dann stehen sie da und kommen trotzdem nicht weiter."
Mit Blick auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und die autonom fahrenden Bussen, die bald in Kronach unterwegs sind, glaubt Beiergrößlein, dass es inzwischen sinnvollere Alternativen gibt, die Obere Stadt besser erreichbar zu machen. "Vielleicht lässt sich das Problem heute ganz anders lösen."
Wann immer die Bürger das Gefühl haben, sie wären gegen die Politik machtlos, sollten sie sich daran erinnern, wie eine Horde kleiner Davide Goliats Pläne verhinderte.