Es sind spezielle Tage für die Wiegand-Glas-Azubis. Sie haben sie eine Patenschaft übernommen für junge Männer aus Wales, die hier ein Praktikum machen.
Einer der Paten ist Marc Feuerpfeil. Eine Patenschaft bedeutet für den angehenden Elektroniker/Betriebstechnik, dass er - in seinem Fall - den englischen Gästen einen Einblick in seinen Berufsalltag gewährt. Dazu gehört unter anderem Fräsen, Schweißen, das Prüfen von System
und Sicherheitseinrichtungen, das Installieren von elektrischen Bauteilen und Anlagen in den Bereichen elektrische Energieversorgung, industrielle Betriebsanlagen oder moderne Gebäudesystem- und Automatisierungstechnik. Zudem ist es seine Aufgabe, diese regelmäßig
zu warten beziehungsweise zu reparieren.
Er und seine Azubi-Kollegen seien aufgeregt gewesen, als sie hörten, dass sie eine Patenschaft für die Waleser mit übernehmen sollten, sagt der 19-Jährige : "So etwas steht ja nicht im Ausbildungsplan". Blickt er jetzt auf die vergangenen zehn Tage zurück, so möchte er diese Zeit nicht missen.
Ein gewisser Stolz ist seiner Stimme zu entnehmen, wenn er davon spricht, dass er nicht nur seinen Paten einen Einblick in die Praxis vermitteln konnte, sondern dass der Kontakt ihn in seiner Persönlichkeit weitergebracht habe. Abgesehen, dass er täglich seine englischen Sprachkenntnisse vertiefen beziehungsweise erweitern konnte, habe er sich Wissenswertes über Wales mit seinen bergigen Nationalparks aneignen können.
Erfahren habe er aber auch, dass es in Wales kein duales Ausbildungssystem gibt, das praktische Kenntnisse in einem Ausbildungsbetrieb und theoretisches Wissen in einer Berufsschule vermittelt. Seine "Paten" absolvieren an einem College eine Ausbildung im technischen Bereich. Praktische Erfahrungen in einem Betrieb konnten sie bisher nicht sammeln. Den jungen Walieser ist bewusst, dass ihre beruflichen Perspektiven nach der Beendigung ihrer Schule in ihrer Heimat sehr gering sind. Trotzdem wollen sie eine technische Ausbildung absolvieren, zum einen weil sie die Technik fasziniert und weil sie wissen, dass es Unternehmen fern ihrer Heimat gibt, die Fachkräfte und Auszubildende suchen.
Auch für die Auszubildenden aus Wales ist der Aufenthalt mit viel Neuem verbunden. Abgesehen, dass es hier kein Meer, kein Wasser aber dafür viel Wald gibt, waren sie fasziniert von den beruflichen Möglichkeiten und der Technologie, die bei Wiegand-Glas für die Herstellung von Glasbehältern eingesetzt wird. "Es ist ein neuer Weg, um Fachkräfte für Wiegand-Glas zu rekrutieren", sagt Personalleiter Ingbert Löffler. Vor allem im gewerblich-technischen Bereich fehlen Nachwuchskräfte. "Die Zeiten, in denen sich die Bewerbungen auf dem Schreibtisch stapelten, sind vorbei!"
Wiegand-Glas ist das erste oberfränkische Unternehmen, das auf diesem Weg junge Leute für den Betrieb gewinnen will. Außerhalb der Arbeitszeiten wurde ein Programm zusammengestellt, das Ausflüge rund um Steinbach und Sport - wie Volleyball - beinhaltet.
Wie die Personalreferentin Christina Dotzauer erklärte, sind die 13 Jugendlichen im Alter von 17 und 20 Jahren sowie ein 47-Jähriger Umschüler in drei Gruppen aufgeteilt. Jeder Gruppe sind zwei Paten (Auszubildende im technischen Bereich) zugeteilt, die sich um die "Gäste" kümmern und ihnen einen Eindruck in ihren Berufsalltag gewähren. Bereits am ersten Tag haben die angehenden Techniker das Unternehmen im Rahmen eines Betriebsrundgangs kennengelernt.
Dass einige Walieser sich bereits jetzt schon vorstellen können, nach der Beendigung ihrer Ausbildung in
Steinbach am Wald ihren Lebensunterhalt zu verdienen, stimmt Dotzauer zuversichtlich.
Die junge Frau war und ist zusammen mit ihrer Kollegin Sabrina Günther für die Organisation und Betreuung der Auszubildenden aus Wales zuständig. "Es ist spannend!". Neu ist auch, dass sie nun täglich Konversation in englischer Sprache pflegen.
Beide haben versucht, bereits im Vorfeld den Praktikanten einen Eindruck über ihren Praktikumsort zu vermitteln. Sie haben eine Präsentation über das Unternehmen und über die Gemeinde erstellt, damit sie sich vor ihrer Reise nach Steinbach informieren konnten.
Und wie kam man bei Wiegand-Glas nun auf die Idee, auf diese Art und Weise den Versuch zu starten, Nachwuchskräfte zu gewinnen? Laut Christina Dotzauer kam der Kontakt durch eine Veranstaltung bei der IHK Oberfranken zustande, bei der der Personalleiter von Wiegand-Glas, Ingbert Löffler, anwesend war. Hier war auch Eucontact Limited aus England anwesend. Diese vermittelt Auszubildende, die eine technische Ausbildung an einem College in Wales absolvieren, an Unternehmen.
Mit diesem von Eucontact entwickelten Projektansatz im Rahmen des EU-Programms "Erasmus" sollen berufsspezifisch Potentiale des EU-Binnenmarktes, hier bei jungen Menschen mit einer schulischen beruflichen technischen Ausbildung aus UK/Wales, für eine grenzüberschreitende Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung in technischen Berufen, in diesem Fall für Wiegand-Glas, erschlossen werden.