Die Pastoralreferentin Birgitta Staufer spricht am Donnerstag zum Thema "Die unsichtbare Buchhaltung in unseren Familien - verstehen - verarbeiten - versöhnen". Uns verrät sie vorab,w as sich dahinter verbirgt.
Der Hospizverein Kronach greift ein Thema auf, mit dem die Hospizbegleiter in der Sterbebegleitung immer wieder konfrontiert werden: Versöhnung mit den alten Eltern. Leider gibt es viel Unversöhnlichkeit und damit Schuldgefühle innerhalb der Familien. Oft besteht im Rückblick auf das gelebte Leben und die Beziehungen der Wunsch nach einer Versöhnung oder einer letzten Begegnung, um dann loslassen und sterben zu können. Wir haben uns mit Birgitta Staufer im Vorfeld ihres Vortrags über dieses Thema unterhalten.
Frau Staufer, wie entstand die Idee zu diesem Vortrag? Birgitta Staufer: Der Wunsch entstand beim Hospizverein Kronach, der in seiner Arbeit ganz häufig mit dem Wunsch nach Versöhnung gerade in der letzten Lebensphase eines Menschen zu tun hat.
Der Titel Ihres Vortrags lautet "Die unsichtbare Buchhaltung in unseren Familien
- verstehen - verarbeiten - versöhnen". Was verbirgt sich dahinter?Gerade in der letzten Lebensphase eines Menschen kommt in Familien oft die lebenslange "Buchhaltung" ins Spiel: Wer ist wem noch etwas schuldig? Wer hat mehr investiert? Wer hat von den "Zinsen" gelebt? Wer hat das Konto regelmäßig überzogen? Wenn Eltern alt werden oder gar das Sterben bevorsteht, bricht die Abrechnung oft auf - nicht nur mit den Eltern, sondern auch unter Geschwistern. Wer fühlt Verpflichtung den Eltern gegenüber? Wer hat sich schon immer rausgezogen und viele offene Rechnungen mehr?
Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?Ich habe mich eingelesen in dieses Thema, aber vor allem bin ich in meinen 13 Jahren Beratungsarbeit nicht selten mit diesen familiären Hinterlassenschaften konfrontiert worden.
In diesen Gesprächen hat sich oft gezeigt, wie schwer jemand an der Aussöhnung mit den Eltern ein Leben lang tragen kann.
Warum ist die Versöhnung mit den sterbenden Angehörigen für die Hinterbliebenen so wichtig? Es ist nicht nur für die Sterbenden wichtig, ihre Dinge noch zu erledigen. Es ist auch oder vielleicht sogar besonders für die Kinder wichtig, hier Abschied zu nehmen aus ihrem Kindsein und durch einen Aussöhnungsprozess ihren inneren Frieden und ein freies Leben zu finden. Man muss dazu sagen, das ist nicht immer möglich. Es gibt in Familien schlimme Erfahrungen, die so einfach nicht zu lösen sind.
Ist Versöhnung gleichbedeutend mit Verzeihen?Der Begriff "Vergebung" bedarf einer eingestandenen Reue des Gegenübers, während "Versöhnung" auch eine innere Haltung beschreiben kann - gerade wenn die Situation ein
gegenseitiges Verzeihen nicht mehr möglich macht, beispielsweise in einem Zustand der Demenz oder nach dem Tod.
Wie kann eine solche späte Versöhnung gelingen? Können Sie schildern, wie eine solche Versöhnung in der Praxis aussehen kann?Das ist nicht so einfach zu beantworten, aber es gibt ein paar Schritte, über die man nachdenken kann. Wir sollten erkennen, dass wir erwachsene Menschen sind, dass aber keiner sich seiner Kindheit, seiner Familie einfach entledigen kann. Es hilft, die Perspektive zu wechseln: Wer sind meine Eltern, was für ein Leben hat sie geprägt? Nachsicht zu üben, könnte eine Perspektive sein; sich auch vergegenwärtigen, was die guten Seiten meiner Kindheit waren. Respekt vor der Lebensleistung der Eltern zu entwickeln, aber auch zu erkennen, dass in einer Familie nicht alles durch Defizite erklärbar ist und so einfach vom Tisch gewischt werden kann.
Es gibt ganz schwere Verletzungen, an denen man ein Leben lang trägt, hier wird wohl professionelle Hilfe nötig sein. Ein Versöhnungsprozess braucht Partner, die sich versöhnen wollen, die ihr Konto soweit es möglich ist bereinigen wollen. Wo das nicht gelingt oder wo es eventuell zu spät ist, sollte nach Wegen gesucht werden, sich zu lösen, Abschied zu nehmen und den letzten Schritt zum Erwachsenwerden zu gehen.
Worum wird es an dem Abend nicht gehen?Es wird nicht um Missbrauchserfahrungen, den Holocaust oder um politischen Völkermord gehen. Das sind Themen, die den Rahmen sprengen, auch wenn es hier bewegende Erfahrungen gibt.
Termin Der Vortrag findet am Donnerstag, 11. Juni, um 19.30 Uhr im katholischen Pfarrzentrum statt.
Einladung Herzliche Einladung ergeht an alle Interessierten.