SPD spricht in Kronach über Ärztemangel

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Die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar (r.) gilt als Expertin für das Gesundheitswesen. Sie befasste sich zusammen mit Landratskandidat Norbert Gräbner und MdB Petra Ernstberger mit der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Foto: Marco Meißner
Die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar (r.) gilt als Expertin für das Gesundheitswesen. Sie befasste sich zusammen mit Landratskandidat Norbert Gräbner und MdB Petra Ernstberger mit der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Foto: Marco Meißner

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar sprach in Kronach über die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum.

"Ein Thema, das allen auf den Nägeln brennt", versprach SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Ernstberger bei der Diskussionsveranstaltung der Sozialdemokraten am Dienstagabend im Schützenhaus. "Hausarzt gesucht", hieß es da. Ernstberger sah eine politische Pflichtaufgabe darin, für eine wohnortnahe und angemessene Versorgung im medizinischen Bereich zu sorgen. Die Gespräche zeigten: Im ländlichen Raum ist das keine leichte Aufgabe.

Das sah auch SPD-Landratskandidat Norbert Gräbner so: "Es ist eine Herausforderung für alle Kommunen." Der Landkreis Kronach sei in zwei so genannte Planungsbereiche gegliedert, in denen rechnerisch wohl keine Unterversorgung an Ärzten herrsche. Ein Blick auf die Landkarte und die Anfahrtswege zeichne ein anderes Bild. "Man kann nicht von einer flächendeckenden Versorgung sprechen", unterstrich er. Eine Verbesserung erhofft er sich durch das neue Mobilitätskonzept des Landkreises.


Wachsende Schwierigkeiten erwartet Gräbner unterdessen dabei, die Ärzte in den Kommunen zu halten. "Hier müssen wir indirekte Anreize setzen", forderte er. Den Ausbau des Lucas-Cranach-Stipendiums, Hilfestellungen bei der Vermittlung attraktiver Praxisräume und gute Rahmenbedingungen für die Arztfamilien nannte er als Beispiele. Doch auch die Kassenärztliche Vereinigung müsse in die Pflicht genommen werden.

Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar (SPD) konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie in ihrem Referat auf eine Studie zu sprechen kam, die 451 Ärzte pro 100 000 Einwohner in Deutschland angab. Doppelt so viele, wie vor 25 Jahren. "Das ist alles Kokolores", schob sie solche Zahlenspiele zur Seite, die angesichts der heutigen Arbeitsumstände an der Realität vorbei gingen.


Zuschüsse und Projekte

Dittmar sah allerdings Möglichkeiten, die Situation im ländlichen Raum zu verbessern. So ging sie auf verschiedenen lukrative Fördermöglichkeiten für die Ansiedlung von Ärzten ein. Zuschüsse von 60 000 bis 100 000 Euro könnten beispielsweise bei einer Praxisgründung abgerufen werden, wurde sie konkret. "Es ist eine Menge passiert, was man an Vergütungsanreizen setzen kann", erklärte sie.

Für Sektor übergreifende Versorgungsformen in der Medizin gebe es im Bund alljährlich einen Topf, der mit 225 Millionen Euro gefüllt sei. Der nütze aber nur etwas, wenn kreative Projektideen dafür einflössen. Dittmar appellierte ferner, den ambulanten und den stationären Bereich stärker zu vernetzen. Investitionen in die Aus- und Weiterbildung brauche es bei den Ärzten ebenso.

Die aktuelle, schon einmal überarbeitete Bedarfsplanung sei keine gute Grundlage für die ärztliche Versorgung, ging Dittmar auf einen Punkt ein, der im Landkreis immer wieder für Kritik sorgt. Deshalb wurde inzwischen der Auftrag gegeben, dieses Konzept nochmals unter die Lupe zu nehmen. Es soll kleinräumiger geplant werden, und neben der Demografie sollen auch sozioökonomische Faktoren einfließen, wie die Abgeordnete erläuterte. "Es passiert schon was", freute sich Dittmar. 2018 soll das Ergebnis vorliegen. Und das sei sehr wichtig, denn "wir brauchen eine gute Grundlage, welche die Versorgungsrealität widerspiegelt".

Kreisrat Oliver Skall (SPD) ging in seinen Forderungen einen Schritt weiter: "Die Bedarfsplanung versetzt keine Ärzte." Deshalb dürfe es nicht dabei bleiben, Verhältniszahlen zu berechnen. Die Verantwortlichen müssten Grundlagen schaffen, Ärzte in den ländlichen Raum zu locken. Seit Jahren herrsche im Landkreis eine deutliche Unterdeckung im Facharztbereich.

Thomas Ewert vom Kommunalbüro für ärztliche Versorgung im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wies darauf hin, dass es nicht nur um die Ärzte, sondern um die gesamte Infrastruktur gehe. "Es wollen immer weniger Leute auf dem Land leben - warum sollte das bei den Ärzten anders sein?", fragte er. Daher müssten die Vorteile der ländlichen Kommunen attraktiv präsentiert werden.


"Alles überreguliert"


In der Diskussion schimpfte der Kardiologe und Kreisrat Gerhard Brühl (CSU) über den Blick der Politik, der sich in den vergangenen Jahrzehnten in erster Linie auf die Kostenkontrolle gerichtet habe. "Heute ist alles überreguliert", sprach er abschreckende Zustände für junge Ärzte an. Der Bamberger Mediziner Ernst Trebin pflichtete ihm bei, dass man "die ambulante Medizin ziemlich ausgehungert und abgewürgt hat". Innerhalb immer kürzerer Zeit müssten immer mehr Menschen versorgt werden, stellte der Steinwiesener Hausarzt Robin Wernard fest. Diese hohe Patientenfrequenz - auf Grund von vielen Bagatellfällen auch im Notdienst - müsse gebremst werden.

Sabine Dittmar erklärte, dass manche Leute einfach Angst hätten und deshalb auch wegen Bagatellfällen den Arzt riefen. Zum Teil seien die Patienten für dieses Problem schwer zu sensibilisieren, zum anderen liege auch ein Problem im System, weil die Patienten zu teilweise unnötigen Routinebesuchen gezwungen würden. Zur Vergütung erklärte die Abgeordnete, dass die Politik diese Zahlen nicht festsetze. Sie pflichtete aber bei, dass die "sprechende Medizin" gegenüber der "Gerätemedizin" eine Aufwertung erfahren müsse. Was die Bürokratie betrifft, machte Dittmar die Probleme nicht nur im politischen Bereich aus, sondern auch bei der ärztlichen Selbstverwaltung.


Bedarfszahlen veraltet

Gerhard Brühl wies darauf hin, dass die Bedarfszahlen eigentlich aus den 1990er Jahren stammten. Der Wandel und Mehraufwand in der heutigen Medizin werde darin nicht berücksichtigt. Sabine Dittmar bestätigte ihm die umfangreiche Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich. Eike Dedow von der Frankenwald-Klinik forderte eine Stärkung des Einsatzes für den medizinischen Nachwuchs: "Was hier getan wird, reicht meines Erachtens noch nicht aus." Auch müsse die Bedarfsplanung auf die heute viel feingliedrigeren Facharzt-Unterteilungen Rücksicht nehmen.

Kreisrat Ralf Pohl (SPD) fragte nach guten Beispielen für den Kronacher Raum. Thomas Ewert nannte ein starkes Netz von sieben Ärzten mit einem Weiterbildungsangebot aus dem Bayerischen Wald. Das zeige, wie auch auf dem Land erfolgreich gearbeitet werden kann - vor allem durch Vernetzung.