Rudolf Welscher ist kein Pater von der Stange
Autor: Marco Meißner
Kronach, Montag, 16. Dezember 2019
Im September wurde der 69-jährige Rudolf Welscher Rektor des Oblatenklosters in Kronach. Im Gespräch zeigt sich, dass er vor allem eines ist: ein Mensch, der im Leben steht.
Tiefernst? Ist er nicht. In sich gekehrt? Ist er nicht. Eine typische Amtsperson? Ist er schon gar nicht. Mit seinem ersten Lächeln wischt Pater Rudolf Welscher alle Klischees von einem Klosterrektor vom Tisch. Fragen beantwortet er, noch ehe sie gestellt sind. Gerne auch mit einem Augenzwinkern. Der neue Rektor des Kronacher Oblatenklosters lässt es "menscheln". Er wirkt ebenso geerdet wie weltoffen. Und doch verliert er im Gespräch nie seinen Glauben oder seine Grundsätze aus den Augen.
Im September wurde Pater Rudolf zum Rektor des Kronacher Klosters ernannt. Damit schloss sich für den 69-Jährigen nach 50 Jahren ein Kreis, der sich durch ganz Deutschland zog und ihm unterschiedlichste kulturelle wie kirchliche Erfahrungen sammeln ließ. 1950 wurde Welscher in Kulmbach geboren, die Mutter stammte aus Erlangen, der Vater aus Pressig. Der Frankenwald ist ihm aus der Jugend daher sehr vertraut.
Nach der Schulbank, die er zeitweise mit TV-Star Thomas Gottschalk gedrückt hat, und schließlich dem Abitur trieb ihn seine kirchliche Berufung in die Ferne. Über Aachen und Gelsenkirchen bis nach Zwickau. "50 Jahre Oblate, 43 Jahre Priester", fasst er seinen reichen Erfahrungsschatz zusammen. Und eine Aufgabe ließ ihn dabei besonders am Puls seiner Mitmenschen horchen. "Ich war fast 30 Jahre Volksmissionar. Das ist sozusagen eine Spezialität der Oblaten - nicht Pfarreien zu übernehmen."
Diese Wanderschaft und der enge Kontakt zu den Menschen erklärt auch, wieso er gesellschaftliche Entwicklungen genau und kritisch verfolgt - auch in der Kirche. "Ich habe den Grundsatz, nicht andere für mich denken zu lassen, sondern immer noch selber für mich zu denken", betont er. Wenn er zurückblicke, habe er sich nie verbogen. Auch zwölf Jahre als Gefängnispfarrer haben zu einer sehr objektiven Weltsicht beigetragen. "Diese Zeit hat meine ganze Theologie durcheinander gebracht", gesteht der Geistliche.
Vom Stadion in die Kirche
Denn was er stets tut, ist aus seinen Begegnungen zu lernen - wie verschieden die Menschen sind und wie unterschiedlich der Glaube gelebt wird. In Gelsenkirchen, scherzt er, sei ihm gleich erklärt worden: "Die einzige Religion ist Schalke!" Aber sehr zu seiner Erleichterung fand er auch Christen vor. Natürlich war der Pater selbst im Stadion. Dort erfuhr er, warum es in so mancher Pfarrei im Ruhrgebiet am Samstagnachmittag selten Beichtgelegenheiten gab: "Weil eine ganze Reihe von Pfarrern auf Schalke war. Die hatten Dauerkarten."
Dass es ihn später ausgerechnet nach Zwickau verschlug, ringt ihm ein fast schon spitzbübisches Lächeln ab. "Das ist ja die Partnerstadt von Dortmund", erklärt er - wohlwissend um die fußballerische Erzrivalität der "Königsblauen" und der Borussia.
Bei allem Spaß, fokussiert sich der Geistliche jedoch schnell wieder auf das, worauf es ihm ankommt. Den Glauben und die Menschen. Erstaunlicherweise hat ihn da gerade die Station in Zwickau geprägt. "80 Prozent sind dort nicht getauft, das ist für uns eigentlich unvorstellbar. Nur knapp fünf Prozent sind Katholiken", erinnert sich Pater Rudolf an seine Jahre in der 1700 Mitglieder starken St.-Nepomuk-Gemeinde.