Druckartikel: Neues Konzept: Loewe in Kronach wetzt wieder die Krallen

Neues Konzept: Loewe in Kronach wetzt wieder die Krallen


Autor: Marco Meißner

Kronach, Donnerstag, 27. Februar 2020

Loewe steigt wieder in die Produktion ein. Vorausgegangen waren Unkenrufe über den neuen Investor und seinen Kurs. Aller Skepsis zum Trotz scheint das Kronacher Traditionsunternehmen jedoch Fahrt aufzunehmen.
Die neue Geschäftsführung glaubt fest daran, dass sich die dunklen Wolken über Loewe dauerhaft verziehen werden. Foto: Archiv/Marco Meißner


Die Anzahl der Autos auf dem Parkplatz ist überschaubar. Die Schranke an der Durchfahrt zum Firmengelände öffnet sich nur gelegentlich. Auch an der Pforte taucht bloß sporadisch jemand auf. Ein Bild, wie es bei Loewe seit der Insolvenz zur traurigen Normalität geworden ist. Und doch ist bei unserem Besuch dieses Mal etwas anders. Im positiven Sinn.

Schon bei der Anmeldung an der Pforte ist eine veränderte Atmosphäre spürbar. Von Aufbruchstimmung und neuer Motivation ist dort die Rede. Der neue Loewe-Besitzer, Aslan Khabliev, wird in höchsten Tönen gelobt. "Er reißt die Leute mit!", ist zu erfahren, dass offenbar ein Ruck durchs schon tot geglaubte Traditionsunternehmen geht.

Stimmungswandel

Dieser Eindruck setzt sich beim Treffen mit der Unternehmensführung fort. Im Hintergrund tönen treibende, jazzig-poppige Klänge. Die Großbildfernseher fluten den ebenso modern wie bequem eingerichteten Raum mit gestochen scharfen Bildern. Ein fester Händedruck, ein Lächeln. Der Empfang ist warm. Nichts ist mehr zu spüren von der Zeit der Hiobsbotschaften. Das Selbstbewusstsein meldet sich zurück.

Christian Alber (Operativer Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung) sowie Thomas Putz (Technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung) von der Loewe Technology GmbH passen ins Bild. Die beiden langjährigen Loewe-Mitarbeiter wirken dynamisch, freundlich und offen. Der Grund für ihre Zufriedenheit ist schnell benannt.

"Wir haben eine gute Lösung gefunden", erklärt Putz mit Blick auf die Firmenübernahme durch Khabliev und Skytec, warum das Lächeln in ihr Gesicht zurückgekehrt ist.

Alber geht sogar noch weiter: "Es war die bessere Lösung." Gemeint ist, dass Skytec den Zuschlag bekommen hat, nicht Mitbewerber Hisense. Ohne den chinesischen Konzern schlechtreden zu wollen, waren beide von Khablievs Auftreten und Vorstellungen von Anfang an überzeugt.

Erster Kontakt war gleich positiv

"Wir kannten ihn auch nicht", stellt Putz fest. Schließlich sei Khabliev verhältnismäßig spät in den Bieterprozess eingestiegen. Eine Zusammenkunft im November sollte ein erstes Bild des Investors liefern. "Das erste Treffen war sehr positiv." Die jetzigen Führungskräfte bescheinigen Khabliev eine sehr hohe soziale Verantwortung, Bodenständigkeit und einen wertschätzenden Umgang. Gerade in dieser Hinsicht sei der Öffentlichkeit und den Medien im Vorfeld von verschiedenen Seiten ein völlig falsches Bild vermittelt worden.

Doch kann er auch zum Dauerbrenner am Loewe-Steuer werden? Putz und Alber meinen ganz klar: Ja. Die wiederholt als Negativbeispiele aufgeführten, zeitlich begrenzten Geschäfte des Investors mit Sharp und Blaupunkt seien nicht vergleichbar, sagt Alber. Dabei habe es sich für Khabliev nur um Lizenzgeschäfte gehandelt. Jetzt sei er stolz, eine eigene Marke zu besitzen, diese verjüngen und neu am Markt etablieren zu können. Bei Loewe gebe Khabliev ein ganz klares Statement für Kronach, die Region und ein dauerhaftes Engagement. Von einem bloßen Markengeschäft könne nicht die Rede sein. "Er baut Loewe für seine Familie auf. Er möchte das Unternehmen stärken und mit der Marke in Familienhand behalten", unterstreicht Putz. Und wie der Vater, so sei auch die ganze Familie Khabliev sehr bodenständig.

Um zum Erfolg zu kommen, möchte der neue Besitzer die Marke anreichern und ausbauen. Dabei sollen auch neue Wege eingeschlagen werden, die das Produktportfolio erweitern und zusätzliche Standbeine schaffen.

Das Kerngeschäft - hochwertige Fernseher - bleibt dabei eine tragende Säule der Produktion. Doch die Zeichen der Zeit wurden erkannt. Der TV-Markt ist schwierig, wie die beiden Führungskräfte schildern. Putz spricht von einem sehr starken Wettbewerbsdruck, vor allem aus Asien. "Von der Technik kommend, muss man ganz ehrlich sagen, gibt es eigentlich keine wirkliche TV-Wertschöpfung in Europa. Da ist man auf Partner angewiesen."

Kunde nicht nur auf der Couch

Diese Entwicklung gehe einher mit einem gesellschaftlichen Wandel und dadurch einem veränderten Nutzerverhalten. Der Kunde versinke heute nicht mehr auf der Couch, um sich berieseln zu lassen. Alber macht klar, dass Handy und Tablet bei der jüngeren Generation dem Fernseher ein Stück weit den Rang abgelaufen haben. "Es wird natürlich weiter TV-Geräte von Loewe geben", versichert Putz, aber die Schwerpunkte werden sich verlagern, weitere Produktkategorien hinzukommen. Er schränkt jedoch gleich ein: "Wir werden unsere Kernwerte Sehen und Hören nicht verlassen."

Ein Pluspunkt bei all diesen Bestrebungen sind laut Alber die Kontakte Khablievs. "Er hat weltweit ein riesiges Netzwerk und kommt aus der Branche", sagt der Operative Leiter. "Er bringt die nötigen Keyplayer zu uns." Damit sei auch das Wohl von Loewe im Vertrieb nicht mehr so stark an die Entwicklungen im deutschen Fachhandel gekettet. Das Unternehmen werde in seinem Handeln flexibler.

Der neue Kurs vermittle eine Aufbruchstimmung, die schon jetzt bei den aktuell 55 Mitarbeitern - Tendenz steigend - spürbar sei. Florian Richter (Managing Director bei Behle & Partner), der sich in die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens einbindet, spricht gar von "einem Start-up-Feeling", das er im Betrieb wahrnehme.

An der Pforte war diese Stimmung schon zu spüren. Und wenn alles nach Plan verläuft, wird dort schon bald nicht nur die Stimmung passen, sondern auch die Betriebsamkeit zunehmen.

Näheres zum Neustadt

Bei Loewe hat sich seit der Insolvenz Mitte 2019 und dem folgenden Verkauf des Unternehmens einiges getan. Die Firmenspitze erklärt im Gespräch mit dem Fränkischen Tag den Stand der Dinge. Produkte: Auch in Zukunft sollen Fernsehgeräte von Loewe auf den Markt kommen: die High-End-Produkte aus Kronacher Fabrikation, die Einstiegsgeräte werden - wie früher schon - von Partnern zugekauft. Daneben will sich Loewe breiter aufstellen. Im ersten Schritt soll dies das Audio-Segment betreffen. Dessen Produkte sollen nicht mehr zwingend mit einem Loewe-Fernseher in Verbindung stehen. Darüber hinaus laufen Untersuchungen zu hochwertigen Haushaltsgeräten, die aber immer in einer geeigneten Verbindung zur Marke stehen sollen. Alber lacht: "Also keine Wasserkocher!" Auch drehe es sich nicht um Weiße Ware, ergänzt Putz ("Es geht nicht um die Waschmaschine von Loewe"). Bei den Planungen wollen die Verantwortlichen aber auch Querdenker sein. So werde schon jetzt über Produktideen nachgedacht, die es auf dem Markt noch gar nicht gibt. Nachfrage: Die Verantwortlichen sind überzeugt, dass es einen Markt für die hochwertigen Loewe-Produkte gibt. Wichtig sei jedoch, die richtigen Vertriebskanäle zu wählen. Ressourcen: Aktuell läuft die Materialbeschaffung, um nach dem langen Stillstand der Produktion wieder Fahrt aufnehmen zu können. "Jetzt wieder hochzufahren, kostet erstmal Zeit", stellt Alber fest. Personal: Zwei Produktionslinien werden bei Loewe laufen. 35 Personen sollen in der Produktion ab April tätig sein. Zu diesem Zeitpunkt wird Loewe dann insgesamt etwa 85 Mitarbeiter beschäftigen.

Zum großen Teil stützt man sich bei den Einstellungen auf bewährte Loewe-Kräfte von früher, zu etwa einem Viertel jedoch auch auf neue Mitarbeiter, die frisches Blut mit ins Unternehmen bringen sollen. Laut Alber ist das entscheidende Kriterium beim Personal aber, "dass die Mitarbeiter an die Marke glauben". Löhne: Wer bei Loewe einsteige, dürfe sich weiter über eine ordentliche Bezahlung freuen, wie die Verantwortlichen zusichern. Putz erklärt: "Die Leute verdienen bei uns immer noch überdurchschnittlich."