Druckartikel: Mit dem Chef per Du: Baur-Group strukturiert Hierarchien um - Kronacher Unternehmer sind skeptisch

Mit dem Chef per Du: Baur-Group strukturiert Hierarchien um - Kronacher Unternehmer sind skeptisch


Autor: Teresa Hirschberg

Kronach, Freitag, 08. März 2019

Bei der Baur-Group sind Nachnamen zweitrangig: Mit dem "Kulturwandel" der Firma wurde 2016 das Duzen eingeführt. Die Teilnehmer des Kronacher IZK-Unternehmerfrühstücks waren bei so viel sprachlicher Kollegialität skeptisch.
Ein paar "Sies" sind Referent Stefan Gagel (Mitte) aus Versehen herausgerutscht: Beim IZK-Unternehmerfrühstück ging es in diesem Jahr um Anredeformen im Joballtag. Die Baur-Group schwört seit drei Jahren auf das Duzen unter Kollegen. Foto: Teresa Hirschberg


Als Herr Doktor Hillebrand plötzlich zu Rainer wurde, war der Schock groß. Am 18. Juni 2016 verschickte der Vorstand der Baur-Group eine interne Rundmail: Ab sofort sollten sich seine rund 4000 Mitarbeiter duzen, vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer und auf freiwilliger Basis.

Mancher Kollege bringe die zwei Buchstaben bis heute nicht über die Lippen, sagte Markenmanager Florian Hafermann-Josephus. Gemeinsam mit PR-Referent Stefan Gagel erklärte er den Teilnehmern des jährlichen Unternehmerfrühstücks des Innovations-Zentrums Kronach (IZK), wie die kumpelhafte Anrede ihres Chefs das Unternehmen dennoch verändert habe.

IZK-Vortrag: Duzen erleichtert die Arbeit

Fast zwei Jahre dauerte es, bis sich das Baur-Team ans Duzen gewöhnt hatte. Die Kollegen beim Vornamen zu nennen, habe allerdings Vorteile: "Wir tun uns leichter, uns bei Kleinigkeiten abzusprechen", erzählte Florian Hafermann-Josephus. "Jetzt können wir bei anderen Abteilungen ganz unverblümt etwas nachfragen." Der formelle Weg über höfliche "Sies" habe zu viel Zeit in Anspruch genommen. Ein persönliches "Du" verringere die Hemmschwelle, auf Vorgesetzte zuzugehen, bei denen man vorher mit eingezogenem Kopf herumgedruckst hätte. Bei der Baur-Group werde sogar im Bewerbungsgespräch geduzt. Das nehme den Druck aus der stressigen Situation.

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Matthias Rebhan vom Kronacher Werkzeugbau schien noch nicht überzeugt: "Stellt ihr euch den Kollegen nur mit Vornamen vor? Ein Nachname dient doch zur Differenzierung!" Bei mehreren Stefanies oder Christians im Unternehmen habe das Duzen tatsächlich schon zu Problemen geführt. Die Lösung sei ein gut gepflegter Mailverteiler mit ausführlichen Namen und Abteilungszuständigkeiten.

Du oder Sie: Mit dem Chef auf Kuschelkurs

Kristina Hofmann ist Geschäftsführerin der Marktrodacher Textilienfirma "Delfingen" - und hat bei Kollegen schon Du-Sie-Verwirrung ausgelöst. An einem der Unternehmensstandorte duze sie ihre Kollegen, am anderen nutze sie das formale Sie - Verwechslungen nicht ausgeschlossen. Das Thema des Vortrags habe sie zunächst skeptisch gesehen: "Eine Mail des Chefs soll genügen und schon sind alle im Unternehmen auf Kuschelkurs?", sagte Hofmann. "Ich habe jetzt aber verstanden, dass es ein langwieriger Prozess ist." Ob Mitarbeiter in Führungspositionen, die bereits jahrelang an ihrer Karriere gefeilt haben, plötzlich geduzt werden möchten, bezweifle sie aber.

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Ausgerechnet in Oberfranken, wo ein Georg Müller prinzipiell zum "Müllers Georg" werde, das Duzen einzuführen, findet Rolf Hering vom Kronacher Designbüro mutig. Doch wie soll die Anrede bei externen Gesprächspartnern funktionieren? "Kunden, mit denen wir Geld verdienen, duzen wir schon seit zwei Jahren", erklärte Hafermann-Josephus die Baur-Strategie.

Siezen in Schweden per Gesetz abgeschafft

Für viele der Teilnehmer ist das Duzen von Fremden ungewohnt, IZK-Geschäftsführer Hendrik Montag-Schwappacher kennt es nicht anders. In seinem Geburtsland Schweden wurde das "Sie" 1967 sogar per Reform abgeschafft. "In der schwedischen Sprache fühlt sich das Duzen ganz normal an", sagte Montag-Schwappacher. Welcher von zwei Gesprächspartnern sich zuerst an das "Du" wagen sollte, sei eine Frage der Intuition. "Man muss wahrnehmen, wie sich das Gegenüber fühlt. Für viele Leute ist das Siezen ein Schutz, den sie beanspruchen." Dass ein Gesprächspartner das Duzen kategorisch ablehnt, habe er auch schon erlebt. "Duzen kann eben schnell aufdringlich sein." Ein freundlich angebotenes "Du" abzuschlagen, würde dem IZK-Geschäftsführer aber niemals einfallen. "Nicht einmal bei der Queen."

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67 Mitglieder hat das IZK mittlerweile. Dazu gehören Unternehmen wie Brauereien, Textilfirmen oder Werkstätten aus dem Landkreis Kronach, aber auch aus dem Raum Kulmbach oder Burgkunstadt.

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