Lesen gegen das Vergessen

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In einer Lese-Gedenkveranstaltung gedachten (vordere Reihe von links) Ingo Cesaro, Armin Grötzner, Gisela Lang, Gisela Gülpen sowie (am Rednerpunkt) Odette Eisenträger-Sarter an die Bücherverbrennung vor 81 Jahren. Foto: Heike Schülein
In einer Lese-Gedenkveranstaltung gedachten (vordere Reihe von links) Ingo Cesaro, Armin Grötzner, Gisela Lang, Gisela Gülpen sowie (am Rednerpunkt) Odette Eisenträger-Sarter an die Bücherverbrennung vor 81 Jahren.  Foto: Heike Schülein
Ingo Cesaro hatte die Gedenkveranstaltung namens des Aktionskreises Kronacher Synagoge organisiert. Foto: Heike Schülein
Ingo Cesaro hatte die Gedenkveranstaltung namens des Aktionskreises Kronacher Synagoge organisiert. Foto: Heike Schülein
 

Der Aktionskreis Kronacher Synagoge erinnerte in einer Lesung an die Autoren verbrannter Werke.

"Wie haben sie mein Dasein ganz zerstört! Wie haben sie ein ganzes Volk zerstört! Wie haben sie die ganze Welt zerstört!" - Wie Peitschenhiebe klingen diese Sätze, die die beklemmende Stille der Kronacher Synagoge in Kronach durchdringen.

Armin Grötzner rezitierte am Donnerstagabend unter anderem das Gedicht "Die Zerstörung" von Max Herrmann-Neisse (1886 - 1941). 1933 fielen seine Werke wie die vieler anderer Autoren mit humanistischer, demokratischer und sozialkritischer Gesinnung der Bücherverbrennung der Nazis zum Opfer. Berühmte Namen finden sich auf der riesigen Liste , aber auch sehr viele Autoren, die heute völlig unbekannt sind.

Unter dem Heinrich-Heine-Motto "Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen" wurden in der Kronacher Synagoge auch heuer wieder einige dieser Werke ins Bewusstsein gerufen. Zum Gedenken an die Bücherverbrennungen lasen Armin Grötzner, Gisela Lang, Odette Eisenträger-Sarter, Gisela Gülpen sowie der Initiator Ingo Cesaro Texte von "verbrannten Dichtern". Alle Lesenden sind seit Anfang an bei der Gedenkveranstaltung dabei.

Sie stellten jeweils einen von der Bücherverbrennung betroffenen Autor vor, der es verdient, gelesen oder wiedergelesen zu werden. Den Informationen zu Leben und Werk folgte die Lesung eines ausgewählten Textes, dessen Inhalt sich gegen die Nazi-Diktatur richtete.

"Mein Zorn ist so groß"

"Ich bin heute schweren Herzens hier", begann Armin Grötzner und fuhr fort: "Ich dachte eigentlich, alles was wir hier tun, betrifft die Vergangenheit und ist längst vorbei." Nunmehr hänge nur rund 100 Meter von seinem Haus entfernt ein Wahlplakat, mit dem eine Bevölkerungsgruppe niedergemacht werde. "Mein Zorn ist so groß, dass es mir die Sprache verschlägt", erklärte er. Anderenorts seien solche Plakate abgenommen und per Gerichtsbeschluss wieder aufgehängt worden. "Was ist das für eine Justiz?", fragte er.

Der Studiendirektor i. R. las einige Gedichte des Schlesiers Max Herrmann-Neisse, der sich durch die Flucht aus Deutschland zu retten versuchte - so neben "Die Zerstörung" unter anderem auch "Ein deutscher Dichter bin ich einst gewesen" und "Ich möchte heim".

Odette Eisenträger-Sarter, Vorsitzende des Aktionskreises Kronacher Synagoge, hatte die Lesungen mit "Der Wendepunkt - Ein Lebensbericht" von Klaus Mann (1906 bis 1949) eröffnet. Manns Erinnerungsbuch - eine berührende Schilderung von Zeit- und Kulturgeschichte - gehört zu den wichtigsten Autobiographien des 20. Jahrhunderts.

Gisela Gülpen stellte Ausschnitte aus dem Buch der Roma-Zigeunerin Ceija Stojka "Wir leben im Verborgenen" vor. Sie ehrte damit die österreichische Schriftstellerin (1933 bis 2013), die als Kind drei Konzentrationslager überlebte.

Kämpferin gegen das Vergessen

Kreiskulturreferentin Gisela Lang hatte Textpassagen aus Oskar Marie Grafs (1894 bis 1967) "Die gezählten Jahre" ausgewählt. Der Zeitroman stammt aus dem Jahre 1936, die überarbeitete Fassung erschien 1976.
Beschlossen wurde der Abend von Ingo Cesaro, der den Anwesenden die Werke "Untergetaucht - Eine junge Frau überlebt in Berlin 1940 bis 1945" von Marie Jalowicz Simon sowie "Dank meiner Mutter" von Schoschana Raabinovici ans Herz legte.

Er entschied sich aber für das Buch von Esther Bejarano (geboren 1924) "Erinnerungen - Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts". Die Kämpferin gegen das Vergessen erzählt noch heute ihre Geschichte an Schulen und kämpft mit den Mitteln der Musik gegen jede Art von Intoleranz - so beispielsweise in einem gemeinsamen Konzert mit der Rap-Gruppe "Microphone Mafia".