Grippewelle in Kronach: Haarscharf an der Belastungsgrenze

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Die Notaufnahme in der Helios Frankenwald-Klinik ist in der Grippesaison oft Anlaufstelle für "Laufkundschaft". Foto: Anna-Lena Deuerling
Die Notaufnahme in der Helios Frankenwald-Klinik ist in der Grippesaison oft Anlaufstelle für "Laufkundschaft". Foto: Anna-Lena Deuerling
 
 

Die Influenza hat den Landkreis in den letzten Wochen in Atem gehalten. Der Anstieg der Grippefälle im Vergleich zum Vorjahr war unverhältnismäßig.

Anzüge aus leichtem, gelbem Kunststoffmaterial, weiße, sterile Einweghandschuhe und ein spezieller Mundschutz - was Alexander Wollny bereithält, sind keineswegs Schutzmaßnahmen für eine Epidemie apokalyptischen Ausmaßes. Als Hygienefachkraft an der Helios-Frankenwaldklinik war seine erste Priorität in den letzten Wochen, die Auswirkungen der Grippewelle auf die Klinikabläufe so gering wie möglich zu halten. Nur in "voller Montur" haben Mitarbeiter Influenza-Patienten versorgen dürfen, um eine Ansteckung, soweit es eben geht, auszuschließen.


Deutlich mehr Grippefälle

Insgesamt 61 Patienten, bei denen der Influenzavirus nachgewiesen wurde, musste die Klinik in der Grippesaison 2017/2018 stationär aufnehmen, so Claudia Holland-Jopp, Referentin der Klinikgeschäftsführung. Erst durch den Vergleich zum Vorjahr zeigt diese Zahl ihre Wirkung - im vergangenen Jahr lag die Zahl der Grippepatienten bei drei. Im Landkreis Kronach wurden bisher 382 Influenzafälle gemeldet, so die offiziellen Zahlen des Gesundheitsamtes. Im Vorjahr seien im gleichen Zeitraum nur 103 Kronacher erkrankt. Die Dunkelziffer - also die Fälle, die nicht offiziell an das Amt gemeldet wurden - liege aber deutlich höher, so Amtsarzt Helmut Weiß bereits im Februar.

Eine Erklärung für diesen außerordentlichen Anstieg gibt Ralf Walper, Chefarzt des Fachbereichs Intensivmedizin: Die empfohlene Grippe-Impfung biete in der laufenden Saison nicht den optimalen Schutz. Im normalen Dreifach-Impfstoff wurde der betreffende Virusstamm nicht berücksichtigt, der 2017/2018 besonders häufig vorkommt. Erst relativ spät sei die offizielle Empfehlung für den Vierfach-Impfstoff gekommen. "Das erklärt das hohe Aufkommen", so Walper.


Personelle Engpässe

Den Mitarbeitern der Klinik habe man bereits im Herbst die Impfung mit dem Vierfach-Wirkstoff angeboten, erklärt Holland-Jopp. Die große Grippewelle blieb beim Personal aus. Auch deshalb konnte man verhindern, dass wie in anderen Kliniken OP abgesagt oder gar Stationen geschlossen werden mussten.

Zwar habe man, wie im Winter üblich, personelle Engpässe meistern müssen, die medizinische Versorgung sei aber jederzeit gewährleistet gewesen. Und vor allem konnte ein sogenannter Ausbruch - die Ansteckung von Patienten untereinander oder die eines Mitarbeiters - verhindert werden.

Bei Verdacht auf Influenza greifen an der Klinik sofort Isolierungsmaßnahmen. Der Patient wird mittels Schnelltest gescreent und bei Nachweis des Virus in ein Einzelzimmer verlegt. "Ein derartig hohes Patientenaufkommen wie in diesem Jahr bewältigt man dann nur durch Manövrieren und frühzeitiges Steuern", erklärt Holland-Jopp.

Durch geschicktes Bettenmanagement nutze man die Ressourcen ideal aus, wenn man zum Beispiel einen Influenza-Patienten in der ersten Nacht im Einzelzimmer behandelt, ihn später aber mit einem ebenfalls an der Virusgrippe Erkrankten zusammenlegt. "Das macht es auch für das Pflegepersonal einfacher. Für die Pfleger, die jedes Mal das "volle Kostüm" anlegen müssen, stellen die Schutzmaßnahmen natürliche eine Mehrbelastung dar", so Walper. Dreh- und Angelpunkt in solchen Hochphasen seien ohnehin Notfallambulanz und Intensivbereich. Habe man an diesem "Flaschenhals" Belegung und Patientenströme im Blick, könne man rechtzeitig reagieren und steuern - dafür müssen viele Teams interdisziplinär zusammenarbeiten. "Sonst ist eine solche Zeit nicht zu überstehen", so Holland-Jopp.


Laufkundschaft für Notaufnahme

Gerade die Notfallambulanz sei in der Grippesaison Anlaufstelle für "Laufkundschaft" - wie überall in Deutschland. Doch Walper hat durchaus Verständnis. "Die Masse an Patienten können die Hausärzte ja gar nicht abdecken", sagt der Mediziner. Und wenn die Praxen geschlossen hätten, die Patienten nicht wüssten, wohin, sei der Weg in die Notaufnahme der logische.

Gerade Patienten mit Sekundärkomplikationen, dazu zählen vor allem bakteriellen Erkrankungen wie Lungenentzündung, seien ohnehin besser im Krankenhaus aufgehoben. "Das kann schnell gefährlich werden", stellt Walper fest und spricht dabei vor allem vom klassischen Klientel der letzten Wochen: ältere Bürger über 60 mit mehreren Vorerkrankung wie Diabetes oder Herzinfarkt, bei denen das Immunsystem ohnehin geschwächt ist.

Dass die Notfallmedizin für Bagatellfälle ausgenutzt werden könnte, sieht er in Kronach nicht als Problem. "Jeder Patient hat das Anrecht darauf, gesehen und angehört zu werden - diesen Anspruch haben auch wir", so Walper. Was der einzelne als Notfall empfinde sei zudem äußert subjektiv.
"Die Tage war die Notaufnahme voll, aber wenn man ein Konzept hat, kriegt man das als Klinik bewältigt", ergänzt Holland-Jopp. Bei der Anmeldung werden die Patienten mittels Triage-System nach medizinischer Dringlichkeit kategorisiert. Da komme es natürlich auch vor, dass ein Patient mit Fieber länger warten muss, da andere Fälle vorgehen. "Da gibt es hin und wieder Murren, aber gerade in letzter Zeit auch viel Verständnis, weil die Menschen wissen, wie angespannt die Situation ist."