Fahrlässige Tötung: Verfahren gegen 24-jährigen Kronacher eingestellt

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Der Toyota des Angeklagten erfasste im Februar 2015 einen 68-Jährigen, der noch an der Unfallstelle verstarb, mit der rechten vorderen Stoßstange. Foto: Friedwald Schedel/Archiv
Der Toyota des Angeklagten erfasste im Februar 2015 einen 68-Jährigen, der noch an der Unfallstelle verstarb, mit der rechten vorderen Stoßstange. Foto: Friedwald Schedel/Archiv

Weil auch das Opfer den Unfall hätte verhindern können, verlässt der Angeklagte das Gericht ohne Vorstrafe.

Der Unfallhergang war weitestgehend klar, die Schuldfrage nicht: Insofern hatte es das Puzzle, das Hendrik Wich zu lösen hatte, in sich. Am Ende bildeten neben dem Angeklagten und einem Gutachter fünf Zeugen die einzelnen Teile, aus denen der Richter ein stimmiges Bild zusammensetzen musste. Dabei unterschieden sich die einzelnen Aussagen vor dem Kronacher Amtsgericht am gestrigen Donnerstag kaum - doch wenn es um Details ging, wurde es teilweise lückenhaft.

Wie dunkel war es zum Zeitpunkt des Unfalls? Wann und an welchem Wagen war die Warnblinkanlage eingeschaltet? Welche Fahrzeuge kamen entgegen? Hatten diese Fern- oder Abblendlicht an? Die Erinnerung wollte da nicht so recht mitspielen. Kein Wunder, schließlich sind seit dem Grund der Anklage und der Anklageverlesung zum Vorwurf der fahrlässigen Tötung inzwischen schon über zwei Jahre vergangen.


"Schwarzer Schatten"

Im Februar 2015 verletzte der inzwischen 24-jährige Angeklagte auf der Straße zwischen Friesen und Dörfles gegen 18.40 Uhr mit einem Toyota einen 68-Jährigen tödlich. Der Mann war mit einem Bekannten in einem Kleintransporter von Friesen in Richtung Kronach gefahren, um am Fahrzeug seiner Frau einen Reifen zu wechseln. Der Wagen der Frau stand etwa einen Kilometer hinter dem Kreisel in entgegengesetzter Richtung mit einem Platten.

Als der Reifen schließlich gewechselt und die Frau mit ihrem Wagen davongefahren war, wollten die beiden dunkel gekleideten Helfer zurück zu dem auf der anderen Straßenseite in einer Ausbuchtung abgestellten Kleintransporter. Während der Bekannte neben der Fahrbahn lief, ging der 68-Jährige laut des Gutachtens etwa 60 Zentimeter versetzt zur Straßenbegrenzungslinie, als der Toyota ihn mit dem vorderen rechten Eckbereich erfasste. Er wurde daraufhin nach rechts gegen den Kleintransporter geschleudert und blieb durch ein Polytrauma tödlich verletzt auf der Straße liegen. Obwohl ihn ein Helfer und ein Sanitäter versuchten zu reanimierten, starb er noch an der Unfallstelle.

Der Angeklagte fuhr zwar bei erlaubten 100 Stundenkilometern nur 60 bis 70 km/h, doch Staatsanwalt Timm Hain warf ihm vor, dass er den Unfall hätte verhindern können, wenn er seine Geschwindigkeit den Sichtverhältnissen angepasst hätte. "Es war für Sie vorhersehbar, dass durch das Überschreiten dieser Geschwindigkeit nicht mehr rechtzeitig auf den auf der Fahrbahn gehenden Fußgänger reagiert werden kann", so der Staatsanwalt.

Er habe einen "schwarzen Schatten wahrgenommen", sagte der Angeklagte. Eine Sekunde später ("wenn überhaupt") habe es dann gleich einen Schlag gegeben. "Ich hatte keine Chance mehr zu bremsen." Schon die erste Gelegenheit nutzte er, um sein Bedauern über den Unfall auszudrücken. "Es ist schlimm, dass ein Menschenleben ausgelöscht worden ist. Hätte ich eine Chance gehabt, das zu verhindern, hätte ich es gemacht", sagte der 24-Jährige.


Keine Vorstrafe

Als Zeuge sagte neben dem 67-jährigen Bekannten ("Ich habe vom Unfall nicht viel mitbekommen. Das ist alles hinter meinem Rücken passiert.") unter anderem auch der Neffe des Unfallopfers aus, der ebenfalls mit beim Reifenwechsel half. Er erklärte, dass an seinem Auto und dem seiner gerade davonfahrenden Tante noch das Warnblinklicht eingeschaltet gewesen sei.

Aufgrund dieser Zeugenaussage war der Staatsanwalt nicht sofort damit einverstanden, dem Vorschlag des Richters zuzustimmen, das Verfahren gegen die Zahlung von 700 Euro vorläufig einzustellen. Der Angeklagte habe so schließlich mitbekommen, dass an der späteren Unfallstelle etwas passiert sei und entsprechend sein Tempo drosseln müssen.

Das Gericht sah einen großen Teil der Schuld jedoch auch beim 67-Jährigen, da dieser dunkel gekleidet auf der falschen Fahrbahnseite außerorts lief und mit dem rechten Bein besagte 60 Zentimeter auf der stark befahrenen Straße stand. "Das hat alles mit zum Unfall beigetragen", sagte Wich, nachdem Dekra-Gutachter Stefan Luther seine Ergebnisse vorgetragen hatte. Dieser kam zu dem Schluss, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn der 68-Jährige "weiter rechts gelaufen wäre".

Der Angeklagte hätte seine Geschwindigkeit auf 27 bis 33 Stundenkilometer reduzieren müssen, um noch rechtzeitig reagieren zu können. Das läge auch an den Abblendlichtern der entgegenkommenden Autos. "Schon das mindert unsere Erkennbarkeit", erklärte der Gutachter.

Zahlt der Angeklagte die fünf Raten zu 140 Euro, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Vorbestraft ist er dadurch nicht.