Eine Reise durch Raum und Zeit unternommen
Autor: Heike Schülein
Rothenkirchen, Montag, 12. November 2012
Das Kreisauswahlorchester Kronach im Nordbayerischen Musikbund hatte am Samstag zu seinem Jahreskonzert eingeladen. Die Mitwirkenden boten ein Programm der Spitzenklasse.
Flirrende Hitze in weiter Prärie. Erwachende Blasinstrumente kündigen Wind an. Erst leise, dann immer lauter - wie im Sturm stimmen alle Instrumente des Orchesters in das Heer herannahender stampfender Pferdehufe ein. Wie in den Weiten und Städten des "Wilden Westens" fühlten sich die Gäste bei dem Werk "Moment für Morricone". Der "Wilde Westen" war aber nur ein "Zwischenstopp" bei der Reise durch Raum und Zeit, die das Kreisauswahlorchester in der Schulturnhalle Rothenkirchen mit den zahlreichen Gästen unternahm.
Schon allein der Blick auf die Bühne ließ dabei jedem Musikfreund das Herz aufgehen. 54 - größtenteils junge - Musiker und Musikerinnen aus 16 Vereinen gaben sich in ihren schmucken Trachten die Ehre. Jedes Mal, wenn Kreisdirigent Ulrich Bähr zum Taktstock griff, entlud sich die gespannte Stille in einem fulminanten Klangerlebnis.
60-jähriges Bestehen
Der Kreisverband Kronach besteht wie der Nordbayerische Musikbund selbst seit 60 Jahren. Und wie könnte man das Jubiläum besser feiern, als mit hervorragenden Akteuren, schöner konzertanter und traditioneller Blasmusik und nicht zuletzt natürlich mit Liebhabern guter Musik? Aus diesem Grund stellte man das nunmehr 18. Konzert des Kreisauswahlorchesters unter das Motto "60 Jahre NBMB - 60 Jahre Kreisverband Kronach im NBMB".
Bähr hatte mit den Mitwirkenden einen sehr stimmig zusammengestellten musikalischen Leckerbissen einstudiert. Durch den kurzweiligen Abend führten Holger Pohl und Anna Ringlstetter, die sich zu jedem Stück passende Requisiten ausgedacht hatten.
Großes Können
Die besten Aktiven im Landkreis präsentierte ihr großes musikalisches Können in ihrer ganzen Vielfalt und Schönheit. Zu hören waren im ersten Teil "Russische Ouvertüre", "The New Village", "Zeitenwende" und die "Tom Sawyer Suite". Nach der Pause ging es mit "Eine kleine Yiddische Ragmusik", "The Woman in White", "Moment for Morricone" und "The Ashokan Farewell" weiter. Das war aber noch nicht alles, denn das begeisterte Publikum "nötigte" den Mitwirkenden noch weitere Zugaben ab.
Zum Schluss gab es Standing Ovations für die strahlenden Musiker und Musikerinnen - und das völlig zu Recht. Das sehr anspruchsvolle Konzert hatte einmal mehr deutlich gemacht, wie ungemein frisch, modern und lebendig diese Art der Musik ist. Gleichzeitig zeigte es, wie glücklich sich der Landkreis Kronach schätzen darf, über solch talentierte junge Leute und Verantwortliche zu verfügen, die sich während des ganzen Jahres um deren Ausbildung kümmern.
Das musikalische Highlight des Jahres
So sahen dies auch die Ehrengäste. Pressigs Bürgermeister Hans Pietz (FW) bedankte sich für die wichtige Verbandsarbeit, die in den Vereinen geleistet werde. Landrat und Schirmherr Oswald Marr (SPD) war stolz und glücklich über die herausragende Leistung. "Ihr seid Spitze", rief er den Musikern zu. Neben dem Kreismusikfest sei für ihn das Konzert des Kreisauswahlorchesters das musikalische Highlight jedes Jahres.
NBMB-Bezirksvorsitzender Werner Pörner bezeichnete das Kronacher Kreisauswahlorchester als eines der drei besten in Oberfranken. Obwohl Kronach von den acht Kreisverbänden der kleinste sei, komme doch ein Viertel der Musikkapellen aus dem Kreis Kronach. "Dies kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis von hunderten Stunden permanenten Lernens", war er sich sicher. In den Vereinen lerne man den jungen Leuten nicht nur musikalisches Können, sondern man gebe ihnen auch ein Stück Herzensbildung mit auf den Weg.
Kreisvorsitzender Wolfgang Müller ging auf die Anfänge des 1952 gegründeten Kreisverbands ein - als Mitbegründer des damaligen Fränkischen Musikbundes, der 1958 in Nordbayerischer Musikbund umbenannt wurde.
Heuer erstmals dabei
"Ich bin heuer zum ersten Mal dabei", erzählt Lisa Geiger, die schon ein wenig stolz ist, es ihren Schwestern und Cousinen nun gleichtun zu dürfen. Schließlich sei es eine Ehre, bei solch guten Musikern wie im Kreisauswahlorchester mitzuspielen, sagt sie.
Die 14-Jährige hatte das Leistungsabzeichen D2-Silber auf dem Tenorhorn mit Erfolg bestanden - Voraussetzung, um im Kreisauswahlorchester mitwirken zu dürfen. Lisa hatte zuerst Trompete gelernt. Da sie sich dabei aber mit ihrer Zahnspange schwer tat, ist sie vor gut zwei Jahren auf das Tenorhorn umgestiegen, das ihr ebenfalls gut gefällt. "Mir macht Musik einfach Spaß. Meine Schwestern und ich sind ja schon mit der Musik aufgewachsen", verrät die Steinbergerin. Ihre Schwestern - das ist ihre Zwillingsschwester Nina, die am Flügelhorn zu finden ist, sowie ihre drei Jahre ältere Schwester Anna an der Trompete. "Unser Opa spielte schon im Musikverein Steinberg und unser Papa spielt auch dort, außerdem unser Cousin", verrät Nina, die zum zweiten Mal der Creme de la Creme angehört.
Anna ist schon das sechste Mal dabei. "Wir machen aber nicht nur wegen unserer Familie Musik, wir wollen das einfach", meint Anna. Auch die 18-jährige Johanna und die 23-jährige Maria Gerber, deren Eltern keine Musik machen, haben sich vom Musikvirus anstecken lassen. Johanna spielt Querflöte, Maria Flügelhorn. "Mir gefällt diese Art der Musik, ich höre aber auch andere Richtungen aus den Charts", meint Maria, die zum neunten Mal mitwirkt.
Vor dem Auftritt nervös
Alle geben zu, vor dem Auftritt nervös gewesen zu sein. "Ich glaube, dass man im Kreisauswahlorchester noch aufgeregter ist als sonst im Musikverein. Wir hatten ja nur wenige Probenwochenenden. Man musste da die Stücke selbst noch zu Hause üben", sagt Johanna, die zum fünften Mal das Orchester bereichert.
Das diesjährige Musikprogramm gefällt allen sehr gut. Es ist modern und abwechslungsreich", sagt Anna. Die fünf jungen Damen wollen auf jeden Fall dem Orchester treu bleiben. Wer sie demnächst erleben möchte, hat bereits am 15. Dezember beim Weihnachtskonzert des Musikvereins Steinberg in der Kronachtalhalle Gelegenheit - dann mit noch mehr Mitgliedern der Familien Geiger und Gerber.