Damals, in den 80ern, herrschte ein großer Andrang auf das Lehreramt, sodass der junge Fehn kurzfristig umplante. Aus dem Plan B wurde schnell eine Berufung - und das ist sie bis heute. "Ein Gerechtigkeitsmensch war ich schon immer. Aber ich wollte keinen reinen Schreibtischjob."
So verschlug es ihn - nach Stationen in einer Anwaltskanzlei ("Damals habe ich den Strafrichtern versucht, das Leben so schwer wie möglich zu machen"), bei der Staatsanwaltschaft Coburg sowie als Richter am Coburger Landgericht 2008 zurück in die Heimat.
Richter hinter der Glasvitrine
Wenngleich Recht zu sprechen die wahre Berufung des Amtsgerichtsdirektors ist: Die Schreibtischarbeit gehört dazu - vor allem in Corona-Zeiten. Juristerei und Behördenleitung waren in den vergangenen Monaten reines Krisenmanagement. Mittlerweile finden wieder Verhandlungen statt, jedoch auch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.
Der Direktor lässt es sich nicht nehmen, kurz vor der nächsten Sitzung im großen Verhandlungssaal vorbeizuschauen. Dort bringen Handwerker gerade Glastrennwände mit einer schmalen Durchreiche für Unterlagen an. "Wir haben eine breite Richterbank, an die problemlos vier Leute passen: der Vorsitzende, die Protokollführerin und eventuell die beiden Schöffen", erklärt der Mann des Gesetzes. Angeklagter und Verteidiger werden von einer Glasscheibe getrennt, der Staatsanwalt sitzt ebenfalls hinter einer durchsichtigen Wand. Bei Normalbetrieb finden ganze Schulklassen - maximal 70 Zuhörer - im großen Sitzungssaal Platz. Jetzt stehen dort noch ein Dutzend Stühle.
Der Platz in der Saalmitte bleibt frei. Dort sitzen die Zeugen, ohne deren Aussagen Fehn und seinen Kollegen nur schwer die Wahrheit herausfinden könnten. "Zeugenaussagen sind die unsichersten Beweismittel, doch wir sind auf sie angewiesen." Häufig könnten Augenzeugen Vorgänge nicht mehr exakt erinnern oder sie ziehen persönliche, jedoch falsche Schlussfolgerungen. "Viele Zeugen machen das gar nicht mit Absicht, doch vor allem, wenn sie noch nie vor Gericht waren, sind sie aufgeregt und wollen alles richtig machen."
Und natürlich kommt es nicht selten vor, dass Zeugen lügen. Dann kommt Fehn seine Menschenkenntnis zugute - und viel Erfahrung in Sachen Körpersprache und Mimik. Meist genügt schon die Androhung von Konsequenzen. "Wir wollen natürlich nicht noch zusätzliche Strafverfahren produzieren." Doch etwa zweimal im Jahr müssen Fehn und seine Kollegen Zeugen tatsächlich festnehmen, weil sie offensichtlich lügen. In der Regel haben sie ihre Meinung nach einer Nacht in Beugehaft dann doch geändert.
Wenig Verständnis hat Fehn für Angeklagte, die bei verhältnismäßig kleinen Vergehen lügen. "Junge Frauen, die zum Beispiel ein geparktes Auto anfahren und dann Unfallflucht begehen, weil sie Angst vorm Papa haben", nennt der Richter spontan einen der wenigen Delikte, bei denen Frauen klar in der Überzahl sind. "Die halten sich oft für besonders clever."
Die Erfindungskunst sei quasi unerschöpflich. Noch schlimmer: "Ich hatte schon junge Mädchen, die behauptet haben, vergewaltigt worden zu sein, weil sie zu spät nach Hause gekommen sind." Unter Umständen kommen dann noch Vortäuschung einer Straftat und falsche Verdächtigung hinzu. "Da greife ich dann tief in die Straftruhe."
Viele traurige Schicksale hat Fehn in seinem Gerichtssaal schon verhandelt. Ein Obdachloser, der immer im Spätherbst randaliert oder etwas stielt, um pünktlich zum Wintereinbruch hinter Gittern zu sitzen. "Der ist der glücklichste Mensch, wenn ich ihm verkünde, dass ich ihn für fünf Monate wegsperre, weil er dann in der kalten Jahreszeit ein Dach über dem Kopf hat." Auch in viele Abgründe musste der Strafrichter bereits blicken: "Gewalt und Sexualdelikte gegen Kinder sind die schlimmsten Fälle. Und trotzdem müssen wir objektiv bleiben."
Wie man das aushält? "Ich versuche, niemals meinen Humor zu verlieren", erklärt Fehn. "Und ich freue mich jedes Mal richtig, wenn ich merke, dass ein Jugendlicher nicht mehr wieder kommt." Doch es gibt auch diese ein Handvoll Intensivtäter, bei denen nur wegsperren hilft.