Der schleichende Niedergang von Loewe

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Foto: Marcus Führer, dpa
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TV-Gerätehersteller Loewe steht womöglich vor einem großen Stellenabbau. Es ist nicht die erste Krise, die die Kronacher Firma durchläuft. Und mehr und mehr verschwindet ein Stück fränkischer und auch deutscher Wirtschaftsgeschichte in der Bedeutungslosigkeit.

Am Marketing lag es nie. Auch nicht am Selbstbewusstsein. "Loewe is back! Zieht euch warm an", lautete vor genau fünf Jahren die Schlagzeile eines Branchenblattes, inspiriert von euphorischen Pressemitteilungen des Kronacher Fernsehgeräteherstellers. Es war die Zeit, als Loewe mit neuem Finanzinvestor "zu alter Stärke" zurückfinden wollte.

Warm anziehen müssen sich inzwischen vor allem die Mitarbeiter. Am verregneten Dienstagnachmittag gestern in Kronach hatten sie sich zu einer Betriebsversammlung getroffen. Loewe ist insolvent. Wieder einmal. Und wieder einmal wird ein Investor gesucht. Dass die Zahl der Beschäftigten wohl erneut sinken wird, ist auch jedem klar. Rund 460 arbeiten noch in Kronach. Der Großteil von ihnen rechnet mit einer Entlassung.

Menschenleere Hallen

Stellenstreichungen sind das eine, der Produktionsstandort das andere. Loewe - das steht für Fernseher "Made in Germany", für Montage in Franken, für Kronacher Qualitätskontrolle. Noch. Selbst Pläne, alle Loewe-Fernseher nicht mehr in Deutschland, sondern kostengünstiger im Ausland zu fertigen, machen inzwischen die Runde.

"Das wird nicht mehr so sein wie es war", sagt Heinz Kraus traurig. Der 72-jährige Diplom-Ingenieur war fast 40 Jahre lang Mitarbeiter von Loewe, hat manche Entwicklung entscheidend mitgeprägt. Noch heute schaut er regelmäßig in der Firma vorbei, auch, um für das Unternehmensmuseum historische Fernseher zu restaurieren. Die vergangenen Wochen waren besonders schwer. "Das geht einem schon an die Nieren, wenn man durch die menschenleeren Hallen geht", sagt er. In einem Satz fasst Kraus zusammen, was derzeit wohl alle Kronacher denken: "Ich war immer wieder zuversichtlich, aber man muss realistisch sein."

Bis zu 3000 Mitarbeiter in Kronach

Dass Loewe eines Tages zunehmend an Bedeutung verlieren würde, war bis zur Jahrtausendwende nicht abzusehen. Die Firma, 1923 von Siegmund Loewe in Berlin gegründet und seit 1948 in Kronach ansässig, war stets größter Arbeitgeber im Landkreis Kronach. In den 1960er Jahren arbeiten hier an die 3000 Menschen für den Hersteller für Unterhaltungselektronik im Premiumbereich. In den 1990ern und später waren es im Schnitt immer 1000. Das Unternehmen setzte weltweit Meilensteine. So entwickelte es 1987 das erste Fernsehgerät, das vollständig mit Digitaltechnologie ausgerüstet war: den Loewe Art 1 - bis heute ein Designklassiker unter den Fernsehern.

1999 ging Loewe an die Börse - und stand noch mehr im Blickfeld der Öffentlichkeit. 2003 kam sie dann, die erste große Krise. Bildröhren-Fernsehgeräte waren plötzlich nicht mehr gefragt, alle wollten die neuen Flachbildschirme. Die Kronacher hätten die Technologie zunächst verschlafen, hieß es in Branchenkreisen. Im Rückblick ist das nicht ganz richtig. Bereits 1998 hatte Loewe mit dem Spheros das flachste Plasma-TV der Welt im Angebot. Aber gegen die Billiggeräte der Asiaten, mit eigener Displaytechnik ausgestattet, konnte der hochpreisige fränkische Hersteller wenig ausrichten. Zumal Loewe auf die Bauteile aus Fernost angewiesen war.

Die erste Krise verlief noch glimpflich: Lohn- und Gehaltsverzicht der Beschäftigten, ein Vorstandsposten weniger, eine Sortimentsumstellung und eine Kooperation mit dem damaligen LCD-Weltmarktführer Sharp. Zwei Jahre später war man wieder auf Kurs, verzeichnete steigende Marktanteile. Von 2006 bis 2009 verbuchte Loewe Gewinne, dann endete das Jahr 2010 mit einem Verlust in Höhe von sieben Millionen Euro. Ein Jahr später stand unter dem Strich ein Verlust von fast elf Millionen Euro.

Immer wieder Suche nach Geldgebern

Es kam noch schlimmer. Im dritten Quartal 2012 brach der Umsatz um 30 Prozent ein. Der Vorstandschef suchte das Weite, zwei neue Manager kamen. Zum Jahresende dann die Nachricht vom Stellenabbau: 180 Mitarbeiter mussten gehen, davon rund 100 in der Produktion. "Es hat keinen Sinn, Hoffnungen zu wecken, dass die alten Zeiten zurückkehren", sagte der damalige Finanzvorstand Rolf Rickmeyer. Ein Satz, der bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren hat. Loewe beendete das Jahr 2012 mit einem Verlust in Höhe von 29 Millionen Euro. Der Fernsehgerätehersteller benötigte jetzt vor allem eines dringend: frisches Geld.

Hüsges hat es nicht geschafft

Mitte 2013 wurde es dramatisch: Schutzschirmverfahren, Insolvenz, Suche nach einem Investor. Ende September 2013 mussten weitere 150 Mitarbeiter gehen. Dann Anfang 2014 die Meldung, dass ein Investor gefunden ist - eine Investorengruppe aus deutschen Familienunternehmen und ehemaligen Apple- und Bang & Olufsen-Managern. Einen Monat lang durften die Loewe-Mitarbeiter Hoffnung schöpfen. Dann wieder das große Zittern. Die gefundene Investorengruppe wollte den maroden TV-Gerätehersteller plötzlich doch nicht haben.

Zu diesem Zeitpunkt kam Mark Hüsges gerade recht. Der Stargate-Capital-Investor stieg ein und übernahm die Geschäfte. Lange Zeit sah alles vielversprechend aus. Konkrete öffentliche Zahlen gab es nicht mehr. Musste es auch nicht. Loewe war keine Aktiengesellschaft mehr, verschwand 2014 von der Börse. Heute zeigt sich: Die in Hüsges gesetzten Hoffnungen haben sich nicht erfüllt.