Der Bahnhof in Pressig - ein Haltepunkt, den die Nachbarn in Rothenkirchen nicht wollten
Autor: Andreas Schmitt
Pressig, Freitag, 28. Sept. 2018
Der Bahnhof Pressig-Rothenkirchen sorgte dafür, dass sich die Einwohnerverhältnisse zwischen den beiden Nachbarorten komplett umkehrten.
"Eisenbahnpionierort Pressig mit Bahnhof Rothenkirchen." Mit diesem Titel überschrieb ein Reporter der "Welt" 1982 einen Artikel über Pressig. "Das verdeutlicht, dass der Aufschwung des Ortes mit einem Bahnhof zu tun hat, der eigentlich den Nachbarn gehörte", berichtet Georg Dinkel. Der 84-Jährige hat in Pressig ein riesiges Privatarchiv über den Ort und vor allem die Bahnhofsgeschichte angesammelt. Mehrere Ordner füllen seine Unterlagen.
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Als in den 1880er Jahren die Zugstrecke von Stockheim in Richtung Probstzella weitergebaut wurde, sollte Rothenkirchen einen Bahnhof erhalten. Den wollte man dort aber nicht. Kaufverhandlungen für Grundstücke gestalteten sich schwierig. "In Rothenkirchen hatte man Angst, dass keine Reisenden mehr in die Gaststätten gehen, weil mit dem Bau der Eisenbahn die Postkutsche ihre Fahrten an den Gasthäusern vorbei einstellte", sagt Dinkel.
Pressig profitiert von der Angst
Die Folge der Ablehnung: "Der Bahnhof wurde im damals mit nur 162 Einwohnern unbedeutenden Pressig gebaut", erzählt Dinkel. Und zwar nicht nur irgendein Bahnhof: wegen der Lage am Fuße der Steilstrecke baute die königlich-bayerische Eisenbahn die Station zu einem Großunternehmen aus; 1902 gab es 201 Beschäftigte.
Allerdings: Einen Bahnhof Pressig gab es offiziell gar nicht. Denn Rothenkirchen, zu jener Zeit der um ein vielfach größere Ort, bestand auf den Namen "Bahnhof Rothenkirchen". Dies führte mitunter zu großen Irritationen. Dinkel: "Die Reisenden sind zum Beispiel von Buchbach zu Fuß zum Ort Rothenkirchen gelaufen, doch in Pressig fuhr der Zug davon." Erst 1939 erreichte Pressig unter Bürgermeister Baptist Suffa die Umbenennung der Station in "Pressig-Rothenkirchen".
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Mit den Jahren entwickelte sich das "Anhängsel Pressig" zu einem der Hauptorte im Haßlachtal. "Zwei Drittel der Bevölkerung sind Eisenbahnerfamilien", sagt Dinkel, der schon als Kind den Betrieb rund ums Bahnbetriebswerk miterlebte. Die Einwohnerzahl stieg, Rothenkirchen wurde überholt.