Den Gefallenen ein Gesicht gegeben
Autor: Heike Schülein
Neuses, Sonntag, 18. November 2012
Zum Volkstrauertag initiierte Hans Schrepfer eine Sonderausstellung im Dorfmuseum Neuses. Zu sehen waren Bilder Neuseser Gefallener und Vermisster der Weltkriege.
Hans Schrepfer zeigt auf die Kopie einer alten Schwarzweiß-Aufnahme. "Dieses Bild", sagt er, "erschüttert mich von allen ausgestellten Fotos am meisten." Zu sehen ist darauf ein junger Soldaten in seiner Uniform, der - inmitten eins Soldatenfriedhofs - am Grab seines Bruders "stramm steht".
Auf dem schlichten Holzkreuz steht "Gefallener Benno Geiger". Einige Zeit später ist auch der junge Mann selbst, Michael Geiger, tot - und der dritte der drei Brüder, Max Geiger, überlebt den Zweiten Weltkrieg ebenfalls nicht.
Der Name einer alteingesessenen Familie starb in Neues aus. Es sind Schicksale wie diese, die Hans Schrepfer zu der Sonderausstellung am Volkstrauertag bewegt haben. "Warum? Das habe ich mich oft beim Betrachten der heute ausgestellten Unterlagen und Bilder aus der Sammlung Georg Gäßlein gefragt.
Aus dem Leben gerissen
Ihm ging es darum, den Namen der Gefallenen und Vermissten ein Gesicht zu geben. "Jedes Jahr gedenken wir dieser Menschen. Jedes Jahr wird ein Kranz niedergelegt. Für viele sind das aber einfach nur Namen, anonym und ohne Gesicht. Die Ausstellung soll zeigen, dass sie - viele davon noch ganz am Anfang im jungen Erwachsenenalter - mitten aus dem Leben gerissen wurden. Sie hätten noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt. Warum?", fragt Schrepfer.
Insgesamt sind in Neuses im Ersten Weltkrieg 24 und im Zweiten Weltkrieg sogar mehr als 40 Opfer zu beklagen gewesen, erzählt er. Ein Großteil der Menschheit hat seiner Meinung nach nichts aus diesen beiden Weltkriegen gelernt. "Gegen Geldgier und Dummheit ist wohl nichts zu machen", bedauert er.
Georg Gäßlein war Gemeindesekretär und Standesbeamter von Neuses und interessierte sich sehr für die Geschichte und Bevölkerung des Flößerdorfs. Die Daten waren ihm auf Grund seines Berufs bekannt. Um die Fotos hatte er Hinterbliebene gebeten. Zu sehen sind beispielsweise Bilder, die die jungen Soldaten - begleitet von ihren Ehefrauen - auf dem Weg zum Bahnhof zeigen, vom letzten Heimaturlaub eines Gefallenen zusammen mit dessen Verlobten, aber auch von Beerdigungen. Leider sind es keine Originalunterlagen, sondern nur Fotokopien.
Die Sammlung ist auch nicht vollständig, weil die Originale und viele Unterlagen auf dem Weg vom Hause Gäßlein ins Dorfmuseum verloren gegangen sind. "Es wäre schön, wenn sich der Finder bereit erklären würde, uns diese Unterlagen zu übergeben oder sie uns wenigstens zum Kopieren zu überlassen", hofft Schrepfer. Zudem bittet er die Bevölkerung, deren vermissten oder gefallenen Angehörigen in der Ausstellung nicht zu sehen sind, dem Museum aus ihrem Besitz Bilder und Daten zum Kopieren und Vervollständigen der Sammlung zu überlassen. Das Dorfmuseum sei auch weiter generell an alten Fotos, Werkzeugen und Unterlagen interessiert.
Tagebuch eines Teilnehmers
Bei der Ausstellung zu sehen ist auch das Buch "Der 1. Weltkrieg zu den Waffen!". Dabei handelt es sich um ein Tagebuch eines Neuseser Kriegsteilnehmers von der Mobilmachung im August 1914 bis August 1915, nach Aufzeichnungen und Recherchen ebenfalls von Hans Gäßlein - bearbeitet und herausgegeben von Hans Schrepfer.
"Ich bin dabei auf viele Dinge gestoßen, die mir völlig unbekannt waren und die mich sehr erstaunt haben. Noch vor dem offiziellen Beginn des Ersten Weltkriegs wurden auf einem Schlag - quasi über Nacht - sämtliche Männer zwischen 18 und 42 Jahren einberufen", weiß er.
Darunter war auch der Großvater von Hans Schrepfer. Sein Vater diente später im Zweiten Weltkrieg. Beide kamen glücklicherweise aus dem Krieg zurück.
"Besonders tragisch ist beispielsweise auch das Schicksal einer Neuseser Familie, bei der der Vater im Ersten und der Sohn im Zweiten Weltkrieg ums Leben kann", erzählt Hans Schrepfer, der die Idee für diese Ausstellung schon Jahre im Kopf hatte, sie nun heuer verwirklicht hat und damit zwar nicht allen - aber doch einem Großteil - der Vermissten und Gefallenen ein Gesicht geben konnte.