Bei ihrer Arbeit im Pflegeheim infizierte sich Angela Turner aus dem Landkreis Kronach mit dem Coronavirus und musste ins künstliche Koma gelegt werden. In diesem Interview schildert die Fränkin ihren Kampf ums Überleben.
Das Coronavirus kennen die meisten von uns nur aus den Medien und von Hinweisschildern. Einige unserer Mitmenschen hatten nicht so viel Glück: Sie sind erkrankt und haben mit dem Virus gekämpft. Eine von ihnen ist Angela Turner aus dem Landkreis Kronach. Als erste Patientin ist sie Anfang April in der Helios-Frankenwaldklinik Kronach stationär intensivmedizinisch wegen Covid-19 behandelt worden. Als die Beschwerden schlimmer wurden, blieb nur eine Chance: das künstliche Koma.
Mittlerweile hat Angela Turner das Virus besiegt und kämpft sich in der Reha zurück in ihren Alltag. Wir hatten kurz davor die Gelegenheit, mit ihr über ihre Erlebnisse zu sprechen.
Und dann waren Sie quasi "raus", haben nichts mehr mitgekriegt?
Erst hinterher habe ich herausgefunden: Ich war die erste Corona-Patientin und ich war die erste Corona-Patientin im künstlichen Koma. Das ganze Team war nervös. Ich war jung. Jeder denkt: "Corona ist nur etwas für ältere Leute", aber das ist nicht wahr. Sie haben sich gedacht: "Jetzt ist Corona bei uns in Kronach angekommen, was machen wir jetzt?". Das ganze Team hat mitgefiebert, jeden Tag sind Leute vorbeigekommen. Und dann ging es mir so schlecht, dass das Gespräch geführt worden ist mit meinem Mann, ob man die Geräte abschaltet.
Wie hat Ihr Mann darauf reagiert?
Mein Mann hat den Arzt gefragt: "Schaut es so aus, als ob die Angela, als ob ihr Körper noch kämpft?" Der Arzt hat gesagt: "Ja, aber es ist sehr schlimm. Wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen." Dann hat mein Mann gesagt, wir wollen es versuchen, und dann haben die Ärzte die Entscheidung getroffen, mich nach Regensburg zu verlegen. Dort haben sie die künstliche Lunge. Gott sei Dank: Wir haben sie nicht benutzt. Das nächste Gespräch hat mein Mann dann mit Regensburg geführt, denn ich musste irgendwann aus dem künstlichen Koma wieder raus, wegen der Spätfolgen. Über eine Woche, Tag für Tag, wurde das dann gemacht. Beim dritten Gespräch war ich dann wieder dabei. Da wurde mir gesagt: "Frau Turner, wenn Sie zwei Nächte ohne Maschine atmen können, können wir Sie von der Maschine nehmen." Ich habe mich konzentriert und sofort angefangen!
Und Ihre einzige Aufgabe war "atmen"?
Ich lag im Bett und habe mich konzentriert. "Finnish Way" heißt das. "Ich muss von der Maschine!", habe ich mir gedacht, eingeatmet, ausgeatmet. Die ganze Nacht habe ich nicht geschlafen, habe nur geatmet und hab's geschafft, am zweiten Tag auch. "Das wird gehen! Ich mach' das!", hab ich mir gesagt, und die Maschine ist weggekommen.
Ab dem Zeitpunkt, als Sie wieder wach waren, haben Sie gemeint: "Jetzt bin ich kämpferisch!"?
Genau, ich habe mir gedacht: "Das geht gar nicht! Ich will nicht an der Maschine hängen, ich will mir nicht vorschreiben lassen, wann ich atme, das geht überhaupt nicht!" Das Schlimme, wenn man an der Maschine hängt und aus dem Koma aufwacht, das ist, dass man sich wehrt. Man weiß ja nicht, was los ist. Mein Mann hat am Telefon mit mir gesprochen, damit ich mich orientieren konnte. Dann konnte man's mir erklären und ich hab's akzeptiert und angefangen, mit der Maschine zu atmen. Eine Woche später kam das Sprechventil. Anfangs war da nur ein Kratzen, aber mittlerweile sage ich: "Ich habe meine Stimme wiedergefunden und die nimmt man mir nicht mehr weg!"
Als Sie sich für das künstliche Koma entschieden haben, war Ihnen doch sicher sehr mulmig zumute?
Ich habe den Arzt gebeten: "Gib mir eine halbe Stunde!" und habe jeden angerufen, der in meinem Leben wichtig ist. Meinen Vater, meinen Sohn auf Geschäftsreise in Singapur, meine ganze Familie. Ich habe "Auf Wiedersehen!" gesagt. Ich habe ihnen die Lage erklärt, habe Ihnen gesagt, dass es die Möglichkeit für mich gibt, aber dass es schlecht aussieht, und habe mich verabschiedet.
Und dann sind Sie wieder aufgewacht in einer total neuen Situation. Sie wussten, Sie sind da, aber wo und wie?
Ja, ich dachte, ich bin noch in Kronach. Ich habe erst später erfahren, was alles gemacht wurde, dass ich verlegt wurde, um mich besser behandeln zu können, und wie sich alle um mich gekümmert haben, als ich im künstlichen Koma war. Viele Leute haben geholfen, haben tolle Arbeit geleistet. Ich weiß nicht, wer alles dabei war, aber ich suche schon. Gestern war ich unten beim Echo und der Arzt hat mich wiedererkannt. "Ach du meine Güte, Frau Turner!", hat er gerufen "Sie haben es geschafft, Sie haben es geschafft!" Ich habe erfahren, dass er mit dabei war und habe ihm Danke gesagt. Ich möchte jeden umarmen und "Danke!" sagen.
Sie haben sich bei der Arbeit angesteckt. War dann auch Ihre Familie betroffen?
Mein Mann und mein zweiter Sohn haben sich infiziert, ich habe das Virus heimgebracht, beide sind positiv geworden. Das ging sehr schnell. Mittlerweile sind sie wieder gesund, aber sie waren in Quarantäne.
Sie haben sicherlich in den letzten Tagen auch die Nachrichten verfolgt. Viele Leute zweifeln und hinterfragen die Schutzmaßnahmen und fordern schnelle Lockerungen. Kommt Ihnen das merkwürdig vor?
In Regensburg habe ich einen echten Notzustand erlebt, da gab es auch Patienten aus Italien. Hier im Haus war auch auf der anderen Station im Nachbarzimmer ein Verdachtsfall. Ich möchte die Demonstranten da mit hinnehmen und ihnen sagen: "Schau dir an, worüber du redest!" Ich habe es gekriegt, ich war tot ... fast!
Sie haben gekämpft!
Ja, aber das kann nicht jeder. Wir reden über das Leben und den Tod von vielen Leuten und über die Einschränkungen, die sie vielleicht hinterher haben, wenn sie aus dem Koma kommen. Ich kann und will es nicht verstehen, dass man das kleinredet und auch instrumentalisiert.
Gibt es etwas, worauf Sie sich freuen?
Ich habe meine Familie, meinen Mann, meine Söhne...aber eben auch mein soziales Umfeld, meine Kollegen und die Bewohner in meinem Pflegeheim. Ich arbeite jetzt schon zwei Jahre dort, da baut man Beziehungen auf. Ich vermisse das. Mein ganzer Ausblick hat sich komplett verändert!
Inwiefern?
Mein Blick auf meinen Job hat sich komplett verändert. Manchmal klingelt es hier und gleichzeitig dort und man denkt nur noch "Ach Gott, ich muss erst mal das und jenes machen, bevor ich dahingehe!". Jetzt weiß ich: Sozialer Kontakt, darauf kommt es an. Ich liebe meine Arbeit und habe mir das genau überlegt. Meine Patienten, meine Bewohner werden jetzt anders behandelt. "Was brauchen Sie, wie kann ich behilflich sein, was kann ich für Sie tun?" Das wird jetzt jeden Tag mein Arbeitsmotiv sein. Das Interview führte Stefan Studtrucker, Referent für Unternehmenskommunikation an der Helios Frankenwaldklinik Kronach.
Interessanter Bericht. Tatsache ist, dass ein solcher Verlauf vorkommen kann, wie bei mir vor ca. 25 Jahren auch, in jüngerem Alter, als noch niemand über Corona gesprochen hat. Von einer verantwortlichen Berichterstattung würde ich mir wünschen, dass dies nicht nur als Einzelfall dargestellt wird, sondern auch ins Verhältnis gesetzt wird - wie wahrscheinlich ist so ein Verlauf. Auch könnte auf die Verunsicherung des Personals im ersten Krankenhaus hingewiesen werden, Da -wie gesagt- solche Verläufe seit Jahrzehnten bekannt sind und routinemäßig gut behandelt werden. Da kann man sich auf unsere Intensivmediziner normalerweise verlassen. Aber was ist schon noch normal. Koma klingt viel dramatischer als Narkose. Glücklicherweise wurde mir damals nicht soviel Angst gemacht. Fazit: So ein Verlauf ist nicht neu. Wieviele Menschen hatten einen vergleichbaren Verlauf? Wieviele der positiv Getesteten sind tatsächlich krank und wieviele davon haben einen schweren Verlauf, wieviele davon kommen auf die Intensivstation und wie viele davon werden beatmet. Wem nützt es, wenn den Menschen immer noch Angst gemacht wird?
Interessanter Bericht. Tatsache ist, dass ein solcher Verlauf vorkommen kann, wie bei mir vor ca. 25 Jahren auch, in jüngerem Alter, als noch niemand über Corona gesprochen hat. Von einer verantwortlichen Berichterstattung würde ich mir wünschen, dass dies nicht nur als Einzelfall dargestellt wird, sondern auch ins Verhältnis gesetzt wird - wie wahrscheinlich ist so ein Verlauf. Auch könnte auf die Verunsicherung des Personals im ersten Krankenhaus hingewiesen werden, Da -wie gesagt- solche Verläufe seit Jahrzehnten bekannt sind und routinemäßig gut behandelt werden. Da kann man sich auf unsere Intensivmediziner normalerweise verlassen. Aber was ist schon noch normal. Koma klingt viel dramatischer als Narkose. Glücklicherweise wurde mir damals nicht soviel Angst gemacht.
Fazit: So ein Verlauf ist nicht neu. Wieviele Menschen hatten einen vergleichbaren Verlauf? Wieviele der positiv Getesteten sind tatsächlich krank und wieviele davon haben einen schweren Verlauf, wieviele davon kommen auf die Intensivstation und wie viele davon werden beatmet.
Wem nützt es, wenn den Menschen immer noch Angst gemacht wird?