Wandern wie im Märchen: spukende Mütter und sagenhafte Aussichten (mit GPX-Track und digitaler Karte)
Autor: Teresa Hirschberg
Ludwigsstadt, Freitag, 05. Juni 2020
Wer auf dem Lauensteiner Märchenpfad im Landkreis Kronach die richtigen Abstecher macht, erlebt nicht nur eine sagenhafte, sondern auch eine zuckersüße Wanderung.
Bei Stufe 101 setzt der Schmerz ein. Ein sanftes Brennen in den Oberschenkeln und plötzlich wiegen die ohnehin schon schweren Wanderschuhe doppelt so viel wie noch am Fuß der Treppe. Doch der Blick nach oben stimmt optimistisch: Die letzten 16 Stufen sind auch noch zu schaffen - vor allem bei dem Gedanken daran, welche Belohnung in 26,5 Metern Höhe wartet. Denn auf der Aussichtsfläche der Thüringer Warte angekommen, liegt Gipfelstürmern der Frankenwald zu Füßen. Wanderführerin Manja Hünlein liefert einen Vorgeschmack auf die vielfältige Naturlandschaft rund um den Lauensteiner Märchenpfad, den die Gruppe drei Stunden entlangstapfen wird.
"Auf diesem Weg wird uns niemand begegnen." Das stellt Hünlein schon nach den ersten paar Metern klar. Und tatsächlich: Keine Menschenseele ist auf dem schmalen Trampelpfad zu sehen. Dafür ein Anstieg, der es in sich hat. Glücklicherweise legt Försterin Melanie Schwarzmeier immer dann einen Stopp ein, um eine Sage zu erzählen, wenn es in den Schenkeln wieder zu ziepen beginnt. Dann lauscht die Gruppe Schwarzmeiers Flötenspiel und versucht angestrengt, ihre sanfte Märchenstimme nicht mit dem eigenen Schnaufen zu übertönen. Mehr Geschichten aus Lauenstein: So wird man Wanderweltmeister - "Alles eine Kopfsache"
Auf dem Märchenpfad rund um Lauenstein wandern
Auf dem Märchenpfad rund um Lauenstein im Landkreis Kronach hat so ziemlich jeder Baum eine Geschichte. Da wäre die amerikanische Douglasie, die jeden Tag voller Mutterstolz ihre Zapfen zählt. Oder die Lärche, der ein Baumgeist einst ein goldfarbenes Nadelkleid für den Winter schenkte. Doch die Stationen des Märchenpfades richten sich nicht nur an Kinder: Auch größeren Wanderern dienen sie als Eselsbrücken, um Baumarten anhand von Blattform oder Rinde zu unterscheiden.
Nach dem ersten steilen Anstieg werden Weg und Atmung wieder flacher. Ein Moment der Ruhe ist auch nötig, um in der "Lauschecke" die Akustik des Frankenwalds auf sich wirken zu lassen. "Hier hört man nur Natur", sagt Schwarzmeier. "Wir sind weit genug weg von allen menschlichen Geräuschen." Hündin Maggie fiept zustimmend und in der Nähe plätschert Wasser. Kaum am Teich angekommen, bricht die Sonne das erste Mal an diesem Tag durch die Wolkendecke.
Der Teich mitten im Wald habe einst nicht nur der Burg als Wasserlieferant, sondern auch den Lauensteinern als Bademöglichkeit gedient. Ein besonders dicker Baumstamm fungierte dabei als Sichtschutz und "Umkleidekabine".
Eine Aussicht zum Gruseln: Die weiße Frau von Lauenstein
Nach einem Abstecher über Streuobstwiesen und einem langgezogenen Anstieg wird die Gruppe mit einer wahren Postkartenlandschaft überrascht: Umgeben von tannengrünen Baumwipfeln und saftigen Wiesen liegt die Burg Lauenstein im Tal, die Sonne glitzert über die dunklen Turmspitzen. Eine märchenhafte Aussicht für eine schaurige Sage, denn hier oben erzählt Schwarzmeier die blutige Lebensgeschichte der Kindsmörderin Katharina von Orlamünde, die als Weiße Frau in Lauenstein spuken soll.